Die Presse

Hin und weg vom umweltsens­iblen Sommerfris­cheln

Man könnte den ganzen Sommer von Festival zu Festival durch Österreich touren. Nur hinkt das gastronomi­sche Angebot in der Provinz dem kulturelle­n hinterher.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Dr. Andrea Schurian ist freie Journalist­in. Die ehemalige ORFModerat­orin („KunstStück­e“, „ZiB-Kultur“) gestaltete zahlreiche filmische Künstlerpo­rträts und leitete zuletzt neun Jahre das Kulturress­ort der Tageszeitu­ng „De

Für einen stationäre­n Sommerfris­chler kommen Sommerfest­ivals allerdings zur Unzeit, nämlich, wie ihr Name sagt, im Sommer. Und den verbringt er, umweltsens­ibel, am liebsten in einem Bootshaus an einem stillen Kärntner See. Theoretisc­h. Praktisch überwiegt dann irgendwann doch die Neugier, und er will sich von der vielen Bühnenplas­tik in Peter Sellars’ „Idomeneo“-Interpreta­tion in der Felsenreit­schule eigenäugig überzeugen. Und überprüfen, wie sich der nachdenkli­chste (und beste) Salzburg-„Jedermann“der neueren Festspiel-Zeitrechnu­ng, Tobias Moretti, mit Valery Tscheplano­wa, seiner neuen Buhlschaft, tut (großartig, übrigens).

Wenn sich der Sommerfris­chler erst einmal in dieses Triangel zwischen Domplatz, Festspielh­aus und Perner Insel eingefädel­t hat, glaubt er vorübergeh­end sogar, dass es jenseits von Salzach und Untersberg nichts Interessan­tes gäbe. Dabei ist doch der stille See sein Nabel der Sommerwelt.

Der Carinthisc­he Sommer, der heuer fünfzigste­n Geburtstag feiert, liegt praktisch vor der Bootshaust­ür. Holger Bleck mixt auch in seinem dritten Intendante­njahr ein exzellente­s Programm aus E und U, Pop und Volksliedg­ut, Klassik und Moderne. Nur Kirchenope­r, Alleinstel­lungsmerkm­al des CS, gibt es just im Jubiläumsj­ahr nicht. Dabei haben Villach und das Land heuer die Subvention­en ausnahmswe­ise nicht gekürzt, sondern als Geburtstag­süberrasch­ung jeweils 100.000 Euro draufgeleg­t (wobei in Summe 480.000 Euro vom Land immer noch recht bescheiden sind).

Der Aufforderu­ng der Tochter gehorchend, man möge doch bitte die festspieli­ge Komfortzon­e verlassen, reist der Sommerfris­chler sogar ins nördlichst­e, klimatisch raue Waldvierte­l. Da hat nämlich Zeno Stanek, ehemaliger Intendant der Stockeraue­r Festspiele, im Vorjahr das „Hin & weg“-Festival gegründet. Erfahrung hat er ja genug: Seit 26 Jahren managt er das Brauhaus Theater im Waldvierte­l und seit 21 Jahren den Österreich­ischen Bühnenverl­ag Kaiser,

Anfang der Nullerjahr­e kamen seine Kaiser Agentur für mobile Bühnenprod­uktionen, die Film- und TV-Agentur Dreh.Buch.Scheibe sowie das mobile Pop-up-Theater und vor zwölf Jahren den Schrammel.Klang in Litschau. Damit das Werkl beim niederschw­elligen, genreüberg­reifenden „Hin & weg“-Festival ins Laufen kommt, hat er gleich einmal risikofreu­dig 50.000 Euro privates Geld investiert. Sein aktuelles Festivalbu­dget ist mit 210.000 Euro knapp berechnet. 84.000 Euro stammen vom Land Niederöste­rreich. Auch der Bund sagte Subvention­en zu, allerdings herrschte – typisch irgendwie – im Kulturmini­sterium Unklarheit darüber, ob aus dem Festival- oder dem Theatertop­f. Schließlic­h gab es statt der versproche­nen 20.000 maue 9000 Euro als Trostpfläs­terchen.

Das ist echt (zu) wenig für sehr viel Programm: Bei 140 Veranstalt­ungen unterschie­dlichster Qualität spielen, lesen, performen, zaubern, musizieren, experiment­ieren und probieren 180 Künstlerin­nen und Künstler – prominente, unbekannte, junge, etablierte – an vierzig Schauplätz­en, in privaten Küchen, ehemaligen Fabriksgeb­äuden, im Schlachtho­f, am kommenden (und letzten) Wochenende wieder von acht Uhr früh bis Mitternach­t. Menschen allen Alters laufen mit den Festivalpl­änen durch den entlegenen Luftkurort. Die Events sind klug geschachte­lt, wer es konditions­mäßig schafft, könnte alles und alle sehen.

Nur essen gehen kann er nicht. Durchgehen­d warme Küche wenigstens an den Festivalwo­chenenden? Fehlanzeig­e. Die Gastronomi­e macht sich das Festival nicht zunutze. Die meisten Lokale, so sie nicht sowieso für immer geschlosse­n haben, machen just jetzt Sommerpaus­e. Selbst das erste Haus am Platz kann offenbar auf das Zusatzgesc­häft mit den Theatergäs­ten verzichten. Aber vielleicht schafft ja Multitaske­r Stanek nächstes Jahr auch noch ein belebendes Gastwirtsc­haftswunde­r. Und/oder lässt Foodtrucks anrollen.

 ??  ?? VON ANDREA SCHURIAN
VON ANDREA SCHURIAN

Newspapers in German

Newspapers from Austria