Hin und weg vom umweltsensiblen Sommerfrischeln
Man könnte den ganzen Sommer von Festival zu Festival durch Österreich touren. Nur hinkt das gastronomische Angebot in der Provinz dem kulturellen hinterher.
Für einen stationären Sommerfrischler kommen Sommerfestivals allerdings zur Unzeit, nämlich, wie ihr Name sagt, im Sommer. Und den verbringt er, umweltsensibel, am liebsten in einem Bootshaus an einem stillen Kärntner See. Theoretisch. Praktisch überwiegt dann irgendwann doch die Neugier, und er will sich von der vielen Bühnenplastik in Peter Sellars’ „Idomeneo“-Interpretation in der Felsenreitschule eigenäugig überzeugen. Und überprüfen, wie sich der nachdenklichste (und beste) Salzburg-„Jedermann“der neueren Festspiel-Zeitrechnung, Tobias Moretti, mit Valery Tscheplanowa, seiner neuen Buhlschaft, tut (großartig, übrigens).
Wenn sich der Sommerfrischler erst einmal in dieses Triangel zwischen Domplatz, Festspielhaus und Perner Insel eingefädelt hat, glaubt er vorübergehend sogar, dass es jenseits von Salzach und Untersberg nichts Interessantes gäbe. Dabei ist doch der stille See sein Nabel der Sommerwelt.
Der Carinthische Sommer, der heuer fünfzigsten Geburtstag feiert, liegt praktisch vor der Bootshaustür. Holger Bleck mixt auch in seinem dritten Intendantenjahr ein exzellentes Programm aus E und U, Pop und Volksliedgut, Klassik und Moderne. Nur Kirchenoper, Alleinstellungsmerkmal des CS, gibt es just im Jubiläumsjahr nicht. Dabei haben Villach und das Land heuer die Subventionen ausnahmsweise nicht gekürzt, sondern als Geburtstagsüberraschung jeweils 100.000 Euro draufgelegt (wobei in Summe 480.000 Euro vom Land immer noch recht bescheiden sind).
Der Aufforderung der Tochter gehorchend, man möge doch bitte die festspielige Komfortzone verlassen, reist der Sommerfrischler sogar ins nördlichste, klimatisch raue Waldviertel. Da hat nämlich Zeno Stanek, ehemaliger Intendant der Stockerauer Festspiele, im Vorjahr das „Hin & weg“-Festival gegründet. Erfahrung hat er ja genug: Seit 26 Jahren managt er das Brauhaus Theater im Waldviertel und seit 21 Jahren den Österreichischen Bühnenverlag Kaiser,
Anfang der Nullerjahre kamen seine Kaiser Agentur für mobile Bühnenproduktionen, die Film- und TV-Agentur Dreh.Buch.Scheibe sowie das mobile Pop-up-Theater und vor zwölf Jahren den Schrammel.Klang in Litschau. Damit das Werkl beim niederschwelligen, genreübergreifenden „Hin & weg“-Festival ins Laufen kommt, hat er gleich einmal risikofreudig 50.000 Euro privates Geld investiert. Sein aktuelles Festivalbudget ist mit 210.000 Euro knapp berechnet. 84.000 Euro stammen vom Land Niederösterreich. Auch der Bund sagte Subventionen zu, allerdings herrschte – typisch irgendwie – im Kulturministerium Unklarheit darüber, ob aus dem Festival- oder dem Theatertopf. Schließlich gab es statt der versprochenen 20.000 maue 9000 Euro als Trostpflästerchen.
Das ist echt (zu) wenig für sehr viel Programm: Bei 140 Veranstaltungen unterschiedlichster Qualität spielen, lesen, performen, zaubern, musizieren, experimentieren und probieren 180 Künstlerinnen und Künstler – prominente, unbekannte, junge, etablierte – an vierzig Schauplätzen, in privaten Küchen, ehemaligen Fabriksgebäuden, im Schlachthof, am kommenden (und letzten) Wochenende wieder von acht Uhr früh bis Mitternacht. Menschen allen Alters laufen mit den Festivalplänen durch den entlegenen Luftkurort. Die Events sind klug geschachtelt, wer es konditionsmäßig schafft, könnte alles und alle sehen.
Nur essen gehen kann er nicht. Durchgehend warme Küche wenigstens an den Festivalwochenenden? Fehlanzeige. Die Gastronomie macht sich das Festival nicht zunutze. Die meisten Lokale, so sie nicht sowieso für immer geschlossen haben, machen just jetzt Sommerpause. Selbst das erste Haus am Platz kann offenbar auf das Zusatzgeschäft mit den Theatergästen verzichten. Aber vielleicht schafft ja Multitasker Stanek nächstes Jahr auch noch ein belebendes Gastwirtschaftswunder. Und/oder lässt Foodtrucks anrollen.