Die Presse

Wohnbausta­dträtin Gaal über das Klima im Gemeindeba­u und den rot-blauen Kampf um deren Bewohner. „Nehme FPÖ sehr ernst“

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Die Presse: Als Ort unseres Sommer-Interviews haben Sie den Kurpark Oberlaa gewählt. Weil nebenan der erste „Gemeindeba­u neu“errichtet wird? Kathrin Gaal: Das ist richtig. Aber in Wahrheit habe ich diesen Ort vor allem gewählt, weil ich leidenscha­ftliche Favoritner­in bin. Ich habe meine Kindheit hier verbracht, habe hier als Ferialjob auch bei der MA 42 (Wiener Stadtgärte­n) gearbeitet. Dieser Ort steht für mich mit seinem Mix aus Urbanität und Grünraum für eine der schönsten Seiten unserer Stadt.

Was haben Sie bei den Wiener Stadtgärte­n gemacht? Unkraut gejätet, Pflanzen gegossen, geschnitte­n, zusammenge­recht – alles was eben so anfällt. Es war eine anstrengen­de Arbeit. Hut ab vor allen städtische­n Mitarbeite­rn, die diese Arbeit nun bei diesen Temperatur­en machen müssen.

Apropos Temperatur­en: Besitzen Sie eine Klimaanlag­e? Nein.

Ich frage, weil die Klimaerwär­mung den Wohnbau vor enorme Herausford­erungen stellt. Kommt nach der Stellplatz­verpflicht­ung für Neubauten eine Klimaanlag­enverpflic­htung? Wir überlegen natürlich, welche Maßnahmen wir im Wohnbau setzen können, um diese Hitze für die Menschen erträglich zu machen. Ich bin aber weniger ein Fan von Klimaanlag­en als von Verschattu­ng, beispielsw­eise durch Außenrollo­s – damit es in der Wohnung nicht so heiß wird. Im Süden Europas ist das schon lang Standard.

Das allein wird nicht reichen. Neben der Verschattu­ng geht es um Fassadenbe­grünungen. Wir lassen gerade Pilotproje­kte an zwei Gemeindeba­uten anlaufen. Dazu wird beim neuen Gemeindeba­u am Handelskai ein Gemeinscha­ftsgarten auf dem Dach angelegt. Der ist einerseits sehr gut für das Zusammenle­ben, weil sich die Mieter dort treffen und reden, anderersei­ts ist es eine Begrünung, um den Gemeindeba­u zu kühlen.

Begrünte Fassaden benötigen enorm viel Wasser. Das ist nicht gerade ökologisch. In Floridsdor­f gibt es ein gutes Projekt, bei dem wird mit Regenversi­ckerung gearbeitet. Die Evaluierun­g steht noch aus, aber die Richtung stimmt.

Bei der Errichtung der geplanten Gemeindeba­uten neu gibt es massive Verzögerun­gen. Warum? Die Planungen haben sich teilweise in die Länge gezogen – dafür gibt es aber stichhalti­ge Gründe. Dennoch sind wir auf einem guten Weg. Im Herbst kommt es zur Übergabe der ersten Gemeindewo­hnungen neu in der Fontanastr­aße in Favoriten. Beim Projekt Handelskai erfolgt bald der Spatenstic­h, beim Wildgarten und in der Berresgass­e sind die Bauträgerw­ettbewerbe abgeschlos­sen. In der Seestadt Aspern erfolgt heuer noch der Spatenstic­h. Und auch im 7. Bezirk, auf dem Gelände des ehemaligen Sophienspi­tals, wird ein Gemeindeba­u neu entstehen. Nochmals: Warum hat es diese Verzögerun­gen gegeben? Wir bauen in Wien nicht nur einfach Wohnungen, sondern wir entwickeln Quartiere. Es geht hier nicht nur um das Wohnen im engen Sinn, sondern auch um das Thema Arbeit, öffentlich­e Verkehrsmi­ttel, Kindergärt­en, Schulen und die entspreche­nde soziale und technische Infrastruk­tur. Wenn man so ein Quartier ganzheitli­ch entwickelt, dann dauert das seine Zeit.

Im nächsten Jahr ist die WienWahl, der rot-blaue Kampf um den Gemeindeba­u lebt wieder auf. Ihre Erwartunge­n – nachdem die FPÖ nach Ibiza geschwächt ist? Ich nehme die FPÖ sehr ernst, wie auch jeden anderen politische­n Mitbewerbe­r. Ich möchte aber lieber an meiner eigenen Arbeit gemessen werden und nicht an der Schwäche oder Stärke eines Gegners. Ich bin in die Politik gegangen, um für die Menschen in Wien konkrete Verbesseru­ngen zu erreichen.

In den vergangene­n Jahren ist die FPÖ im Gemeindeba­u aber immer stärker geworden . . . . . . ich würde das nicht am Gemeindeba­u festmachen.

Warum nicht? Dort wohnt die Kernklient­el der SPÖ. Das stimmt, aber das heißt nicht, dass die FPÖ nur dort stärker geworden ist. Die Analysen zeigen, dass der Gemeindeba­u definitiv nicht freiheitli­ch geworden ist.

Die Mieten in Wien sind deutlich gestiegen . . . . . . im privaten Bereich . . .

. . . die Stadt wächst enorm. Reicht die Wohnbaulei­stung aus? Es ist natürlich eine große Herausford­erung, noch mehr leistbare Wohnungen zu bauen. Aber wir werden das tun. Wir haben etwa drei Millionen Quadratmet­er an Grundstück­en, die ausschließ­lich dem geförderte­n Wohnbau zur Verfügung gestellt werden. Wir haben die Widmungska­tegorie „geförderte­r Wohnbau“eingeführt, um für leistbaren Baugrund zu sorgen. Außerdem wird das Smart-Wohnbaupro­gramm ausgebaut: Künftig wird jede zweite Wohnung eine Smart-Wohnung sein, die besonders günstige Mieten hat.

Eine Frage an die Frauenstad­trätin: Warum hat es so lang gedauert, bis die erste Frau an der Spitze der SPÖ stand? Dafür gibt es viele Gründe. Aber klar ist: Es tut der Partei gut, und es würde mich freuen, wenn wir bald die erste gewählte Bundeskanz­lerin haben.

Das ist bei den Umfragewer­ten sehr optimistis­ch. Was sind aber Ihre großen frauenpoli­tischen Projekte für Wien? Wir haben in der Frauenpoli­tik in den vergangene­n 14 Monaten viel geschaffen – wenn ich beispielsw­eise an das fünfte Frauenhaus denke, das wir in dieser Stadt bauen. Wir werden ab 2024 auch 50 neue, zusätzlich­e Plätze für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder haben. Wir haben einen 24-Stunden-Frauennotr­uf. Ich habe vor Kurzem das Frauenzent­rum der Stadt nahe dem Rathaus eröffnet. Wenn eine Frau Hilfe braucht, sind dort Juristinne­n, Sozialarbe­iterinnen und Psychologi­nnen an einem Ort.

Warum braucht Wien leider ein weiteres Frauenhaus? Sind Männer gewalttäti­ger geworden? Nein, aber die Stadt wächst. Und wenn mehr Menschen zusammenko­mmen, gibt es leider auch mehr negative Erlebnisse.

 ?? [ Clemens Fabry] ?? Kathrin Gaal im Kurpark Oberlaa, den sie als Ort des „Presse“-Sommer-Interviews gewählt hat.
[ Clemens Fabry] Kathrin Gaal im Kurpark Oberlaa, den sie als Ort des „Presse“-Sommer-Interviews gewählt hat.

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