Wohnbaustadträtin Gaal über das Klima im Gemeindebau und den rot-blauen Kampf um deren Bewohner. „Nehme FPÖ sehr ernst“
Die Presse: Als Ort unseres Sommer-Interviews haben Sie den Kurpark Oberlaa gewählt. Weil nebenan der erste „Gemeindebau neu“errichtet wird? Kathrin Gaal: Das ist richtig. Aber in Wahrheit habe ich diesen Ort vor allem gewählt, weil ich leidenschaftliche Favoritnerin bin. Ich habe meine Kindheit hier verbracht, habe hier als Ferialjob auch bei der MA 42 (Wiener Stadtgärten) gearbeitet. Dieser Ort steht für mich mit seinem Mix aus Urbanität und Grünraum für eine der schönsten Seiten unserer Stadt.
Was haben Sie bei den Wiener Stadtgärten gemacht? Unkraut gejätet, Pflanzen gegossen, geschnitten, zusammengerecht – alles was eben so anfällt. Es war eine anstrengende Arbeit. Hut ab vor allen städtischen Mitarbeitern, die diese Arbeit nun bei diesen Temperaturen machen müssen.
Apropos Temperaturen: Besitzen Sie eine Klimaanlage? Nein.
Ich frage, weil die Klimaerwärmung den Wohnbau vor enorme Herausforderungen stellt. Kommt nach der Stellplatzverpflichtung für Neubauten eine Klimaanlagenverpflichtung? Wir überlegen natürlich, welche Maßnahmen wir im Wohnbau setzen können, um diese Hitze für die Menschen erträglich zu machen. Ich bin aber weniger ein Fan von Klimaanlagen als von Verschattung, beispielsweise durch Außenrollos – damit es in der Wohnung nicht so heiß wird. Im Süden Europas ist das schon lang Standard.
Das allein wird nicht reichen. Neben der Verschattung geht es um Fassadenbegrünungen. Wir lassen gerade Pilotprojekte an zwei Gemeindebauten anlaufen. Dazu wird beim neuen Gemeindebau am Handelskai ein Gemeinschaftsgarten auf dem Dach angelegt. Der ist einerseits sehr gut für das Zusammenleben, weil sich die Mieter dort treffen und reden, andererseits ist es eine Begrünung, um den Gemeindebau zu kühlen.
Begrünte Fassaden benötigen enorm viel Wasser. Das ist nicht gerade ökologisch. In Floridsdorf gibt es ein gutes Projekt, bei dem wird mit Regenversickerung gearbeitet. Die Evaluierung steht noch aus, aber die Richtung stimmt.
Bei der Errichtung der geplanten Gemeindebauten neu gibt es massive Verzögerungen. Warum? Die Planungen haben sich teilweise in die Länge gezogen – dafür gibt es aber stichhaltige Gründe. Dennoch sind wir auf einem guten Weg. Im Herbst kommt es zur Übergabe der ersten Gemeindewohnungen neu in der Fontanastraße in Favoriten. Beim Projekt Handelskai erfolgt bald der Spatenstich, beim Wildgarten und in der Berresgasse sind die Bauträgerwettbewerbe abgeschlossen. In der Seestadt Aspern erfolgt heuer noch der Spatenstich. Und auch im 7. Bezirk, auf dem Gelände des ehemaligen Sophienspitals, wird ein Gemeindebau neu entstehen. Nochmals: Warum hat es diese Verzögerungen gegeben? Wir bauen in Wien nicht nur einfach Wohnungen, sondern wir entwickeln Quartiere. Es geht hier nicht nur um das Wohnen im engen Sinn, sondern auch um das Thema Arbeit, öffentliche Verkehrsmittel, Kindergärten, Schulen und die entsprechende soziale und technische Infrastruktur. Wenn man so ein Quartier ganzheitlich entwickelt, dann dauert das seine Zeit.
Im nächsten Jahr ist die WienWahl, der rot-blaue Kampf um den Gemeindebau lebt wieder auf. Ihre Erwartungen – nachdem die FPÖ nach Ibiza geschwächt ist? Ich nehme die FPÖ sehr ernst, wie auch jeden anderen politischen Mitbewerber. Ich möchte aber lieber an meiner eigenen Arbeit gemessen werden und nicht an der Schwäche oder Stärke eines Gegners. Ich bin in die Politik gegangen, um für die Menschen in Wien konkrete Verbesserungen zu erreichen.
In den vergangenen Jahren ist die FPÖ im Gemeindebau aber immer stärker geworden . . . . . . ich würde das nicht am Gemeindebau festmachen.
Warum nicht? Dort wohnt die Kernklientel der SPÖ. Das stimmt, aber das heißt nicht, dass die FPÖ nur dort stärker geworden ist. Die Analysen zeigen, dass der Gemeindebau definitiv nicht freiheitlich geworden ist.
Die Mieten in Wien sind deutlich gestiegen . . . . . . im privaten Bereich . . .
. . . die Stadt wächst enorm. Reicht die Wohnbauleistung aus? Es ist natürlich eine große Herausforderung, noch mehr leistbare Wohnungen zu bauen. Aber wir werden das tun. Wir haben etwa drei Millionen Quadratmeter an Grundstücken, die ausschließlich dem geförderten Wohnbau zur Verfügung gestellt werden. Wir haben die Widmungskategorie „geförderter Wohnbau“eingeführt, um für leistbaren Baugrund zu sorgen. Außerdem wird das Smart-Wohnbauprogramm ausgebaut: Künftig wird jede zweite Wohnung eine Smart-Wohnung sein, die besonders günstige Mieten hat.
Eine Frage an die Frauenstadträtin: Warum hat es so lang gedauert, bis die erste Frau an der Spitze der SPÖ stand? Dafür gibt es viele Gründe. Aber klar ist: Es tut der Partei gut, und es würde mich freuen, wenn wir bald die erste gewählte Bundeskanzlerin haben.
Das ist bei den Umfragewerten sehr optimistisch. Was sind aber Ihre großen frauenpolitischen Projekte für Wien? Wir haben in der Frauenpolitik in den vergangenen 14 Monaten viel geschaffen – wenn ich beispielsweise an das fünfte Frauenhaus denke, das wir in dieser Stadt bauen. Wir werden ab 2024 auch 50 neue, zusätzliche Plätze für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder haben. Wir haben einen 24-Stunden-Frauennotruf. Ich habe vor Kurzem das Frauenzentrum der Stadt nahe dem Rathaus eröffnet. Wenn eine Frau Hilfe braucht, sind dort Juristinnen, Sozialarbeiterinnen und Psychologinnen an einem Ort.
Warum braucht Wien leider ein weiteres Frauenhaus? Sind Männer gewalttätiger geworden? Nein, aber die Stadt wächst. Und wenn mehr Menschen zusammenkommen, gibt es leider auch mehr negative Erlebnisse.