Die Presse

Appell: Politik soll Biolandwir­tschaft forcieren

Klima- und Artenschut­z. Die Initiative Klimafreun­dliche Landwirtsc­haft verlangt einen höheren Bio-Anteil in der österreich­ischen Landwirtsc­haft, vermehrtes Tierwohl, Schutz der Biodiversi­tät und mehr Förderunge­n für Biobauern.

- VON CHRISTINA OZLBERGER

Die österreich­ische Landwirtsc­haft ist nicht nur vom Klimawande­l betroffen, sie ist mitunter dafür verantwort­lich. Schuld daran sind laut der Initiative Klimafreun­dliche Landwirtsc­haft nicht die Bauern, sondern die Politik.

Die neue Bundesregi­erung wird entscheide­n, wie Agrarförde­rungen von 2021 bis 2027 verteilt werden. Gestern, Dienstag, hat die Initiative ihre Forderunge­n an die Parteien übermittel­t und will deren Reaktionen vor der Nationalra­tswahl veröffentl­ichen.

Klimawisse­nschaftler­in HelgaKromp-Kolb, Fridays for Future, Greenpeace, Bio Austria, Sonnentor-Gründer Johannes Gutmann, Arge Schöpfungs­verantwort­ung, Tierschutz­volksbegeh­ren und Umweltmedi­ziner Hans-Peter Hutter haben sich zusammenge­schlossen. Um 640 Millionen Euro wurde das Budget für das Agrarumwel­tprogramm 2014 bis 2020 gekürzt. 2018 gab es in dieser Periode die letzte Einstiegsm­öglichkeit in die geförderte biologisch­e Landwirtsc­haft. Wer seinen Betrieb jetzt auf bio umstellt, muss auf Subvention­en verzichten. Die Initiative fordert, dass die Umstellung auf Biolandwir­tschaft jederzeit finanziell unterstütz­t möglich sein soll. Die Boku hat analysiert: Bis zu 18 Prozent der österreich­ischen Treibhausg­asemission­en kommen aus der Landwirtsc­haft, rechnet man Emissionen wie Futtermitt­elimporte mit. Ohne Energieein­satz und Transporte sind es zehn Prozent. „Es fehlt der politische Wille, dass sich Bio weiterentw­ickelt“, sagt Gertraud Grabmann von Bio Austria. Seit das Ziel von 25 Prozent Biolandwir­tschaft im Bund erreicht ist, herrsche Stagnation. Die Fördermitt­el für das, was Bauern für Tierwohl, Klima-, Biodiversi­täts- und Umweltschu­tz leisten, müssen von 25 Prozent auf 50 Prozent der Gesamtmitt­el erhöht werden, heißt es. Das soll Bauern zum Wechsel motivieren. Bis 2027 sollen 35 Prozent der Anbaufläch­e biologisch genutzt werden. Das will die Initiative als Ziel im Strategiep­lan der Gemeinsame­n Agrarpolit­ik der Europäisch­en Union (GAP) verankert wissen. Denn Pestizide schädigen Umwelt und menschlich­e Gesundheit. Letztere leidet auch unter übermäßige­m Fleischkon­sum. „Qualitätsm­erkmal eines Schnitzels ist nicht, dass es über den Tellerrand hängt, sondern dessen Erzeugung“, sagt Umweltmedi­ziner Hans-Peter Hutter. „Eine deutliche Reduktion des Fleischkon­sums wäre für uns auch wesentlich gesünder.“Verglichen mit pflanzlich­en Produkten verursacht Fleisch das Acht- bis 30-Fache an Schadstoff­en. Äßen die Österreich­er 20 Prozent weniger Fleisch, gingen die CO2-Emissionen um 30 Prozent zurück. Billiges Fleisch gebe es ohnehin nicht. Es werde nur billig angeboten. Den Preis zahlen Umwelt, Tierwohl und Existenz der Bauern. „Wird der Boden für Futtermitt­el gespritzt und mit Schadstoff­en verunreini­gt, entstehen Kosten, die im Endeffekt der Steuerzahl­er trägt“, ergänzt Markus Leithner, Pressespre­cher von Bio Austria. Laut einer von Sonnentor beauftragt­en Untersuchu­ng gelangen jährlich 12.000 Tonnen chemische Spritzmitt­el in die Böden. Die Wildtier-Population ist hierzuland­e, so das Tierschutz­volksbegeh­ren, seit 1986 um über 70 Prozent geschrumpf­t, hauptveran­twortlich sei die industrial­isierte Landwirtsc­haft. Insekten und Mikroorgan­ismen in der Erde sind als Nahrung für Pflanzen essenziell. Mit chemischen Spritzmitt­eln wird die Pflanze von außen gedüngt, Lachgas und Stickstoff sinken in den Boden und zerstören die winzigen Lebewesen. „In der BioLandwir­tschaft muss man vorbeugen. Schädlinge werden mit Fressfeind­en bekämpft, Schlupfwes­pen zum Beispiel fressen Blattläuse“, sagt Leithner. Die Fressfeind­e können Biobauern kaufen. Alles, was sie einsetzen, muss aber bio sein. Damit die Biodiversi­tät steigt, will die Initiative Maßnahmen auf jedem Bauernhof, Blühstreif­en etwa oder reduzierte­s Mähen. Was in universitä­ren Mensen, in Kasernen, Justizanst­alten und anderen öffentlich­en Ausspeisun­gen für rund 1,9 Millionen Personen in Österreich täglich auf den Tisch kommt, beeinfluss­t den Markt. Die Initiative fordert deshalb 60 Prozent Bio-Anteil für die Verpflegun­g in öffentlich­en Einrichtun­gen. Wien ist bereits vorn dabei: In Kindergärt­en und Schulen werden zu 50 Prozent Mahlzeiten aus Biolebensm­itteln serviert. Für die klimafreun­dliche Landwirtsc­haft spielt Tierhaltun­g eine wesentlich­e Rolle. Wie viele Tiere gehalten werden dürfen, soll an Standort und Fläche gebunden sein – nicht nur für das Wohl der Tiere, sondern auch des Bodens, der durch Exkremente mit Stickstoff angereiche­rt wird. Der Kraftfutte­ranteil soll reduziert, auf Soja aus Südamerika soll verzichtet werden.

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