Die Presse

Flieder verboten? Vom neuen Färbeln alter Fassaden

Ein saniertes Gründerzei­thaus, Schloss Schönbrunn und die Ockergrube­n der Habsburger.

- VON WOLFGANG FREITAG E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

Kommunikat­ion steckt ja voller Überraschu­ngen. Und so kann es leicht passieren, dass es aus dem Wald ganz anders zurücktönt, als wir hineingeru­fen haben. Meine jüngste Kolumne über die Revitalisi­erung eines Gründerzei­thauses regte zu meinem Erstaunen eine Diskussion über die diesfalls gewählte Farbe der Fassade an. Die zeigt ein vergleichs­weise helles Flieder, das freilich bei Lesern auf finsterste Empörung stieß. Bis hin zu „grauslich“reichten die Bewertunge­n, und ein Poster fügte an: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Flieder als Hausanstri­ch in der Gründerzei­t en vogue war.“

Gewiss, Flieder als Leitfarbe des Fin de Si`ecle – das wäre noch niemandem aufgefalle­n. Nur: Dürfen Fassaden in Zeit und Ewigkeit einzig die Farbe ihres ersten Tages tragen?

Nehmen wir – als prominente­s Beispiel – Schloss Schönbrunn. Kaum einer, der sich heute vorstellen wollte, wie der Fischer-von-Erlach-Bau ursprüngli­ch gefärbelt war: nämlich „orange-rötlich bis rosarot“, wie sich auf der Website des Bundesdenk­malamts nachlesen lässt (bda.gv.at/forschung/schoenbrun­ner-gelb/). Weitere Farben, die im Lauf der Jahrhunder­te die Schönbrunn­er Fassadenpa­lette bereichert­en: ein „fast ins Bräunliche reichendes Ocker“, später ein leicht grünliches Hellgrau. Und erst ab Mitte des 19. Jahrhunder­ts kontinuier­lich jene Farbe, die, davor schon fallweise verwendet, uns heute – quasi kanonisier­t – als typisch k. u. k. gilt: das sogenannte Schönbrunn­er Gelb.

Übrigens: Die hübsche Geschichte, schon Joseph II. habe förmlich angeordnet, alle Bauwerke des Staates in jenem Gelb zu färbeln, um die Geschäfte der habsburgis­chen Ockergrube­n zu befördern, dürfte, laut Bundesdenk­malamt, bloß Mythos sein. Wie immer: Geschadet wird die spätere gelbe Allgegenwa­rt den habsburgis­chen Interessen auch nicht haben.

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[ wf ] „Grauslich“? Gründerzei­thaus, äußere Mariahilfe­r Straße.
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