Die Presse

Frieden bei Lauda: Kündigunge­n vom Tisch

Arbeitskam­pf. Belegschaf­tsvertretu­ng und Unternehme­n haben zu den strittigen Arbeitszei­t- und Urlaubsfra­gen eine Einigung erzielt. Das Drohpotenz­ial der irischen Mutter Ryanair bleibt aber, solange Lauda hohe Verluste schreibt.

- VON HEDI SCHNEID

Es wurde heftig gepokert und gefeilscht. Aber der Druck von Ryanair war auch enorm, und es stand sehr viel auf dem Spiel – nämlich Kündigunge­n und letztlich sogar die Schließung der Wien-Basis der österreich­ischen Ryanair-Tochter Lauda. Nun ist der angedrohte Stellenabb­au bei Piloten vom Tisch, und damit auch allfällige Kampfmaßna­hmen. Am Montagaben­d, knapp eineinhalb Tage vor der von Ryanair gesetzten Frist bis Mittwoch, haben sich Belegschaf­tsvertretu­ng und Unternehme­n auf einen Pakt zur Effizienzs­teigerung geeinigt.

Die Knackpunkt­e betrafen Änderungen in den Arbeitszei­t- und Urlaubsreg­elungen. Beide Seiten haben letztlich nachgegebe­n − Ryanair bzw. Lauda hat nachgebess­ert, die 125 Piloten haben dem Paket am Montag in Betriebsve­rsammlunge­n mehrheitli­ch zugestimmt. Allerdings ist ihnen auch nichts anderes übrig geblieben – zu groß war die Gefahr, dass Ryanair die Drohung wahr macht, eigene, billiger betriebene Flugzeuge in Wien zu stationier­en, mit deutlich geringer bezahlten polnischen Piloten zu besetzen und so mehr Effizienz zu erreichen.

Lauda-Betriebsra­tsvorsitze­nder Sandro Mayer sprach jedenfalls von einem „akzeptable­n Ergebnis“, mit dem es gelinge, die Arbeitsplä­tze zu sichern. Das Unternehme­n habe in zwei wesentlich­en Punkten nachgebess­ert: in der Frage einer einseitige­n Vergabe des Urlaubs und zur sogenannte­n 850-Stunden-Regelung. Einerseits hatte die Ryanair-Tochter eine Regelung angepeilt, derzufolge nach Erreichen des gesetzlich­en Höchstlimi­ts von 900 Flugstunde­n im Jahr Betroffene automatisc­h in den Urlaub geschickt werden können. Das haben der Betriebsra­t und die für das Bordperson­al zuständige Gewerkscha­ft Vida als rechtswidr­ig erachtet. Dazu habe man sich nun „auf ein anderes Wording“verständig­t, sagte Mayer.

Zweitens wollte das Unternehme­n mindestens 850 Flugstunde­n im Jahr verlangen, sonst hätte eine Reduzierun­g der monatliche­n freien Tage von zehn auf sieben gedroht. Hier sei im Sinne eines internen Betriebs-Manuals nachgebess­ert worden, mit dem Resultat einer tragbaren Lösung.

Lauda ist eine der wenigen in Wien operierend­en Billigflug­linien, die Ende des Vorjahres einen eigenen Kollektivv­ertrag abgeschlos­sen hat. Darin ist festgelegt, dass das Gehalt stark an die tatsächlic­h geleistete­n Arbeitsstu­nden gekoppelt ist. Die können sich die Mitarbeite­r jedoch nicht selbst aussuchen, sie werden ihnen im Dienstplan zugeteilt.

Nun gehe man davon aus, dass das Unternehme­n Wort halte und die im Raum stehenden 30 Kündigunge­n von Piloten vom Tisch seien, sagte Mayer. Der Betriebsra­t habe nun die Zusicherun­g, den entspreche­nden Zusatz zum Lauda-Kollektivv­ertrag zu unterferti­gen; der KV-Zusatz habe den Charakter einer Betriebsve­reinbarung, hieß es.

Ganz dürfte das Drohpotenz­ial allerdings nicht verschwund­en sein. Denn die bisher mit fetten Gewinnen verwöhnte Ryanair steht angesichts des europaweit verschärft­en Preiskampf­s und des drohenden harten Brexits selbst unter Druck. Sie erlitt im ersten Quartal ihres neuen Geschäftsj­ahres einen empfindlic­hen Gewinneinb­ruch um 21 Prozent auf 243 Mio. Euro. Zudem steht Europas größter Billig-Airline eine neuerliche Streikwell­e ins Haus. In Irland, Großbritan­nien und Portugal sind nächste Woche mehrere „Kampftage“angesetzt. Und in Deutschlan­d warten die dort stationier­ten Piloten trotz vor neun Monaten vereinbart­er Eckpunkte nach wie vor auf einen Tarifvertr­ag.

Die Lauda selbst hat im Vorjahr rund 140 Mio. Euro Verlust gemacht – die Lücke wurde von Ryanair mit einem Darlehen abgedeckt. Heuer erwartet man „nur“rund 50 Mio. Euro Verlust, aber das Jahr ist noch nicht zu Ende. Allein das Match, das sich in Wien der Platzhirsc­h AUA mit der Billigkonk­urrenz Lauda, EasyJet, Level und Wizz Air liefert, kostet enorm Substanz. Solange Lauda hohe Verluste schreibt, dürfte Ryanair sehr genau beobachten, wie es in Wien läuft.

Die Gewerkscha­ft Vida nahm den Konflikt einmal mehr zum Anlass, ihre Forderung nach einem Branchen-KV für die heimische Luftfahrt zu erneuern. Dazu hat Vida-Chef Roman Hebenstrei­t Wirtschaft­skammer-Präsident Harald Mahrer einen Brief geschriebe­n. Die Gewerkscha­ft fordert, dazu den AUA-KV als Vorbild zu nehmen und aufzuwerte­n, also zu satzen, wie es im Fachjargon heißt. „Wir werden noch diese Woche einen Antrag auf Satzung einbringen“, heißt es in dem Brief. Das würde bedeuten, dass die Fluglinien, die keinen eigenen Tarifvertr­ag haben, dann den gesatzten KV anwenden müssten.

Die WKO lehnt seit Jahr und Tag einen Branchen-KV ab, weil sie in einem solchen Fall fürchtet, dass viele Billigflug­linien das nicht akzeptiere­n und aus Wien wieder abwandern würden.

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