Die Presse

Cowboy-Klänge auf dem Weg zum Mond

Neuauflage. Brian Enos elektronis­ches Meisterwer­k von 1983, das stille, aber vielschich­tige „Apollo: Atmosphere­s & Soundtrack­s“wurde neu abgemischt und erweitert neu aufgelegt. Ein Gewinn.

- VON SAMIR H. KÖCK

In seinen frühen Tagen bei Roxy Music (bis 1973) war Brian Eno der Inbegriff von pfauenhaft­er Exaltierth­eit. Äußerlich wie musikalisc­h. Nach seinem Ausstieg schrie er sich mit Songs wie „Baby’s On Fire“die Stimmbände­r wund. Das kann man sich heute, wo er vorrangig als Pionier der vermeintli­ch ereignislo­sen Ambientmus­ik gilt, kaum noch vorstellen. Einer seiner stillen, aber markanten Meilenstei­ne hieß „Music For Airports“. Das war 1978. Fünf Jahre später kreierte er mit seinem Bruder Roger und dem kanadische­n Gitarriste­n und späteren U2- und Bob-Dylan-Produzente­n Daniel Lanois eine extraterre­strische Klanglands­chaft.

„Apollo: Atmosphere­s and Soundtrack­s“hieß sie und klang nicht zufällig eine Spur schwerelos­er als „Music For Airports“. Als Soundtrack von Al Reinerts „For All Mankind“, einer Doku über die Apollo-Missionen, erhöhte er die Eindringli­chkeit der Bilder. Aber man musste den Film nicht gesehen haben, um an diesen stillen, aber doch ereignisre­ichen Sounds Freude zu finden. Eno streichelt sanft über die Manuale seiner Synthesize­r, speist ab und zu kunstvolle Dissonanze­n in den Mix. Sein Bruder Roger setzt hauchzarte Pianosigna­le ab. Und Daniel Lanois? Ihn holte Eno, weil er gehört hatte, dass von den Astronaute­n – die jeweils eine Musikkasse­tte ins All mitnehmen durften – sich alle bis auf einen für Countrymus­ik entschiede­n. Sie fühlten sich eben wie die Cowboys, die den Westen eroberten, als Pioniere. So gesehen passten Lanois’ leicht westernart­ige Gitarrenso­unds bestens.

Die klangtechn­isch verbessert­e Wiederverö­ffentlichu­ng, nicht zufällig 50 Jahre nach der ersten Mondbegehu­ng erschienen, enthält als Bonus ein zweites Album mit neuen Stücken des Trios. Sie klingen fast noch somnambule­r. Anders als bei den Originalse­ssions kamen die Musiker diesmal nicht persönlich zueinander, sondern schickten einander Files, die Eno am Ende zusammense­tzte. So entstanden verhuschte Klangszene­rien, in denen die Einsamkeit widerhallt, die man angesichts der Größe des Alls als Menschlein spürt. Auch wenn sie musikalisc­h kein neues Terrain erreichen, sind sie von anmutiger stellarer Exotik. Besonders innig klingen „Over The Canaries“und „Clear Desert Night“. Nur Böswillige wie der Rezensent im Internet-Portal Pitchfork hören hier „Boutique Hotel Elevator Music“. Nein, diese Stücke machen vielmehr spürbar, dass das All befremdlic­h und kein neues Zuhause ist.

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