Asylwerber in Lehre: Türkiser Kurswechsel
Wahlkampf. Auf Wunsch der Länder denkt die ÖVP darüber nach, asylsuchende Lehrlinge doch nicht abzuschieben. Insgesamt soll sich an der türkisen Migrationspolitik aber nichts ändern.
Die Absolvierung einer Lehre sollte Asylwerber nicht vor einer möglichen Abschiebung schützen. So haben das ÖVP und FPÖ damals beschlossen, als sie noch gemeinsam in einer Koalition waren. Nun will Ex-Wirtschaftsministerin und Tiroler ÖVP-Spitzenkandidatin Margarete Schramböck das Thema „neu beurteilen“.
Ist das die neue Linie der ÖVP? Im Büro von Parteiobmann Sebastian Kurz wollte man Schramböcks Aussagen nicht kommentieren – aber auch nicht dementieren. Der Druck, die Linie aufzuweichen, kam aus dem Ländern. Schon vor Monaten haben sich Günther Platter (Tirol), Markus Wallner (Vorarlberg), Wilfried Haslauer (Salzburg) auch Thomas Stelzer (Oberösterreich) für eine Lockerung ausgesprochen. Vor allem in Oberösterreich ist der Druck aus der Wirtschaft groß. Hier sind die meisten Asylwerber in der Lehre.
Personell sind in der ÖVP vorerst keine Änderungen geplant: Sebastian Kurz geht im Wesentlichen mit dem Team aus dem Jahr 2017 in die Nationalratswahl am 29. September. Inhaltlich bahnt sich jedoch eine Kurskorrektur an. Zumindest in der Frage, ob Lehrlinge weiterhin abgeschoben werden sollen, wenn ihr Antrag auf Asyl (rechtskräftig) abgelehnt wird.
In Koalitionsverhandlungen mit einem neuen Partner müsse dieses Thema „neu beurteilt“werden, erklärte Ex-Wirtschaftsministerin und Tirol-Spitzenkandidatin Margarete Schramböck am Wochenende der Austria Presseagentur. In der Regierung mit der FPÖ sei da nichts zu machen gewesen, sie hätte auf umgehende Abschiebungen gepocht. Anders gesagt: Um den Koalitionsfrieden zu wahren, hat die ÖVP hier nachgegeben. Allerdings, so Schramböck, dürfe die Lehre auch in Zukunft „keine Hintertür für Asyl werden“.
Ist das die neue Linie der ÖVP? Im Büro von Parteiobmann Sebastian Kurz wollte man Schramböcks Aussagen nicht kommentieren. Man verwies auf das Wahlprogramm, das „Ende August, Anfang September“präsentiert werde. Bis dahin gelte, was bisher gegolten habe: Zunächst müssten die rund 30.000 Asylberechtigten in den Arbeitsmarkt integriert werden.
Ein Dementi klingt anders. Sind das vielleicht schon die ersten Vorzeichen einer türkis-grünen Koalition nach der Wahl? Immerhin kämpft Rudi Anschober, grüner Landesrat in Oberösterreich, mit seiner Initiative „Ausbildung statt Abschiebung“seit Monaten dafür, gut integrierten Lehrlingen Asyl zu gewähren. Aus Schramböcks Aussagen eine Koalitionspräferenz der ÖVP abzuleiten, sei verfrüht und überzogen, heißt es aus der Partei. „Wir reden mit allen.“Außerdem würde man einen Koalitionspakt bestimmt nicht an einem solchen „Randthema“festmachen. An der grundsätzlichen Linie der ÖVP in der Migrationspolitik werde sich jedenfalls nichts ändern.
Ein Geschenk für die FPÖ
Für die FPÖ war Schramböcks Ankündigung ein unerwartetes Wahlkampfgeschenk, stützte sie doch die freiheitliche Erzählung, wonach die restriktive Zuwanderungspolitik nur dann fortgesetzt werden könne, wenn die FPÖ wieder in die Regierung komme. Schramböck träume bereits offen von SchwarzGrün, schlussfolgerte der ehemalige Innenminister Herbert Kickl. Sie wolle offenbar, „dass eine begonnene Lehre den Rechtsstaat in der so grundsätzlichen Frage, wer in Österreich Anspruch auf Schutz hat, aushebeln kann“.
Innerhalb der ÖVP war die Regierungsentscheidung, Asylwerber während der Lehre abzuschieben, stets umstritten. Die Frage schien Türkis und Schwarz zu spalten. Das zeigte die Unterstützerliste der „Ausbildung-statt-Abschiebungs“Petition. Die Ex-Parteichefs Reinhold Mitterlehner und Wilhelm Molterer unterschrieben genauso wie Langzeitlandeshauptmann Erwin Pröll und EU-Spitzenkandidat Othmar Karas. In den Bundesländern kam eine selbst ernannte „breite Allianz“für eine Kurskorrektur hinzu. Der gehörten Günther Platter (Tirol), Markus Wallner (Vorarlberg), Wilfried Haslauer (Salzburg) und Thomas Stelzer (Oberösterreich) an.
In Oberösterreich war der Ruf danach besonders laut. Bereits vor Monaten forderte Stelzer „eine Lösung mit Hausverstand“. Lehrlinge sollten ihre Ausbildung noch fertig machen dürfen. Sogar der FPÖChef im Land, Manfred Haimbuchner, fand Gefallen an dieser Idee. Was kein Zufall ist. In keinem anderen Bundesland bilden Betriebe mehr Asylwerber aus als in Oberösterreich. Bundesweit befinden sich derzeit noch 881 Asylwerber in einer Lehrlingsausbildung, 328 davon in Oberösterreich. Dementsprechend groß ist dort der Druck aus der Wirtschaft.
News aus St. Tropez
Apropos: Aus Oberösterreich stammt auch jener Arzt, der SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner diese Woche (per Beweisfoto) als Besucherin eines exklusiven Clubs in St. Tropez geoutet hat. Wie sich nun herausstellte, kandidierte der Mann bei der Nationalratswahl vor zwei Jahren auf einer Regionalliste der ÖVP. Geplant sei das nicht gewesen, versichert die Partei. „Er ist von sich aus aktiv geworden.“
In Koalitionsverhandlungen mit einem neuen Partner muss dieses Thema neu beurteilt werden. Ex-Ministerin Schramböck