Weniger Miete wegen Elektrik?
Mietrecht. Zweifel an der Sicherheit der Elektrik können Mieter Nerven kosten. Aber rechtfertigt das einen Abschlag vom Mietzins?
Vermieter sollten den Elektrobefund für Wohnungen nicht unterschätzen.
Wien. Darf ein Mieter einen Teil des Mietzinses einbehalten, wenn ihm der Vermieter trotz wiederholter Urgenzen keinen ordnungsgemäßen Elektrobefund für seine Wohnung vorlegt? Damit hatte sich kürzlich der Oberste Gerichtshof (OGH) zu befassen. Und es zeigt sich: Vermieter sollten solche Dokumentationspflichten lieber nicht auf die leichte Schulter nehmen.
In dem Mietverhältnis war die Elektrik von Anfang an ein Streitthema: Beim Einzug des Mieters waren die Leitungen unterdimensioniert, die Vermieterin schickte zwar Handwerker, blieb dem Mieter dann aber den verlangten Prüfbefund schuldig. Dieser traute sich daher weiterhin nicht, die Anlage normal zu benützen und z. B. mehrere Elektrogeräte gleichzeitig in Betrieb zu nehmen.
Schon einmal hatte er deshalb – und weil die Fußbodenheizung nicht hinreichend funktionierte – den Mietzins reduziert. Das darf man als Mieter, wenn und solang das Mietobjekt mangelhaft und nur eingeschränkt verwendbar ist. Es ist aber riskant: Wenn der Vermieter es nicht akzeptiert, kann er nicht nur das Geld nachfordern, sondern auch eine Räumungsklage einbringen. So kam es auch hier, nur stritt man es damals nicht aus, sondern kam überein, dass die Vermieterin die Anlage überprüfen und nötigenfalls sanieren lässt. Auch ein Prüfbefund kam schließlich, war aber offenbar das Papier nicht wert: Einige sicherheitsrelevante Angaben fehlten, andere waren falsch, zum Teil waren technisch unmögliche Messwerte enthalten, stellte das Erstgericht fest.
Gefährlich oder nicht?
Der Mieter wusste somit weiterhin nicht, ob er die Elektroanlage gefahrlos benützen konnte oder nicht. Also behielt er neuerlich rund zehn Prozent des Mietzinses ein – und in zwei besonders kalten Wintermonaten weitere zehn Prozent für die immer noch nicht klaglos funktionierende Fußbodenheizung. Die nächste Räumungsklage folgte, und nun ging der Fall durch alle Instanzen.
Bei der Fußbodenheizung gaben die Gerichte dem Mieter recht. Wegen des mangelhaften Elektrobefundes waren sie sich uneins: Rechtfertigt das allein schon eine Mietzinsminderung? Ja, entschied das Erstgericht. Das Berufungsgericht war jedoch der Ansicht, dass das allein für den Nachweis einer „objektiven Einschränkung des Gebrauchsnutzens“nicht reicht, sondern der Mieter auch konkret einen Mangel an der elektrischen Anlage behaupten und beweisen muss.
Es ließ jedoch die Revision an den OGH zu. Und dieser entschied zugunsten des Mieters: Denn laut Elektrotechnikverordnung muss der Vermieter sicherstellen, dass die elektrische Anlage der Wohnung den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Und weiter: „Liegt hierüber keine geeignete Dokumentation vor, so kann die Mieterin bzw. der Mieter der Wohnung nicht davon ausgehen, dass die elektrische Anlage diesen Anforderungen entspricht.“Es wird dann also eine Gefährlichkeit vermutet – und zwar laut OGH so lang, bis der Vermieter bewiesen hat, dass von der mitvermieteten (angeblich) „sanierten“Anlage keine Gefährdung und Gebrauchsbeeinträchtigung ausgeht (4 Ob 83/19p).
Was heißt das nun für Vermieter und Mieter? Vermieter müssen in der Lage sein, auf Verlangen des Mieters die Sicherheit der Elektroanlage zu dokumentieren.
Im Zweifel Befund verlangen
Und als Mieter „sollte man, wenn man begründete Zweifel an der Sicherheit hat und sich dadurch in der Benützung beeinträchtigt sieht, jedenfalls einen Elektrobefund verlangen“, sagt Stefan Turic, Partner der Kanzlei Taylor Wessing in Wien, die den Mieter in dem Fall vertreten hat. Bei Nichtvorlage hat man das Recht, den Mietzins zu mindern, wobei laut OGH zehn Prozent in einem Fall wie diesem „keinesfalls überhöht“sind. Mutwillig, ohne begründete Zweifel an der Sicherheit bzw. ohne Hinweis auf irgendwelche möglichen Mängel, sollte man allerdings nie einen Teil des Mietzinses einfach einbehalten, bloß weil der Vermieter den Befund nicht sofort parat hat, warnt Turic – das wäre wohl unzureichend, Gerichte könnten es sogar als Rechtsmissbrauch werten.
Wer eine Mietzinsminderung erwägt, tut zudem immer gut daran, sich rechtlich beraten zu lassen. Schon deshalb, weil jemandem, der „auf rechtliche Beratung angewiesen war, sie auch in Anspruch nahm“und nur deshalb mit der Zinszahlung in Rückstand gekommen ist, laut OGH sogar dann kein grobes Verschulden angelastet werden kann, wenn sich die Rechtsansicht des Beraters als „unvertretbar“erweist (RS0070373). Zahlt man dann vor Schluss der (letzten) Verhandlung erster Instanz den Rückstand noch nach, ist die Räumungsklage vom Tisch.