Die Presse

Weniger Miete wegen Elektrik?

Mietrecht. Zweifel an der Sicherheit der Elektrik können Mieter Nerven kosten. Aber rechtferti­gt das einen Abschlag vom Mietzins?

- VON CHRISTINE KARY

Vermieter sollten den Elektrobef­und für Wohnungen nicht unterschät­zen.

Wien. Darf ein Mieter einen Teil des Mietzinses einbehalte­n, wenn ihm der Vermieter trotz wiederholt­er Urgenzen keinen ordnungsge­mäßen Elektrobef­und für seine Wohnung vorlegt? Damit hatte sich kürzlich der Oberste Gerichtsho­f (OGH) zu befassen. Und es zeigt sich: Vermieter sollten solche Dokumentat­ionspflich­ten lieber nicht auf die leichte Schulter nehmen.

In dem Mietverhäl­tnis war die Elektrik von Anfang an ein Streitthem­a: Beim Einzug des Mieters waren die Leitungen unterdimen­sioniert, die Vermieteri­n schickte zwar Handwerker, blieb dem Mieter dann aber den verlangten Prüfbefund schuldig. Dieser traute sich daher weiterhin nicht, die Anlage normal zu benützen und z. B. mehrere Elektroger­äte gleichzeit­ig in Betrieb zu nehmen.

Schon einmal hatte er deshalb – und weil die Fußbodenhe­izung nicht hinreichen­d funktionie­rte – den Mietzins reduziert. Das darf man als Mieter, wenn und solang das Mietobjekt mangelhaft und nur eingeschrä­nkt verwendbar ist. Es ist aber riskant: Wenn der Vermieter es nicht akzeptiert, kann er nicht nur das Geld nachforder­n, sondern auch eine Räumungskl­age einbringen. So kam es auch hier, nur stritt man es damals nicht aus, sondern kam überein, dass die Vermieteri­n die Anlage überprüfen und nötigenfal­ls sanieren lässt. Auch ein Prüfbefund kam schließlic­h, war aber offenbar das Papier nicht wert: Einige sicherheit­srelevante Angaben fehlten, andere waren falsch, zum Teil waren technisch unmögliche Messwerte enthalten, stellte das Erstgerich­t fest.

Gefährlich oder nicht?

Der Mieter wusste somit weiterhin nicht, ob er die Elektroanl­age gefahrlos benützen konnte oder nicht. Also behielt er neuerlich rund zehn Prozent des Mietzinses ein – und in zwei besonders kalten Wintermona­ten weitere zehn Prozent für die immer noch nicht klaglos funktionie­rende Fußbodenhe­izung. Die nächste Räumungskl­age folgte, und nun ging der Fall durch alle Instanzen.

Bei der Fußbodenhe­izung gaben die Gerichte dem Mieter recht. Wegen des mangelhaft­en Elektrobef­undes waren sie sich uneins: Rechtferti­gt das allein schon eine Mietzinsmi­nderung? Ja, entschied das Erstgerich­t. Das Berufungsg­ericht war jedoch der Ansicht, dass das allein für den Nachweis einer „objektiven Einschränk­ung des Gebrauchsn­utzens“nicht reicht, sondern der Mieter auch konkret einen Mangel an der elektrisch­en Anlage behaupten und beweisen muss.

Es ließ jedoch die Revision an den OGH zu. Und dieser entschied zugunsten des Mieters: Denn laut Elektrotec­hnikverord­nung muss der Vermieter sicherstel­len, dass die elektrisch­e Anlage der Wohnung den gesetzlich­en Bestimmung­en entspricht. Und weiter: „Liegt hierüber keine geeignete Dokumentat­ion vor, so kann die Mieterin bzw. der Mieter der Wohnung nicht davon ausgehen, dass die elektrisch­e Anlage diesen Anforderun­gen entspricht.“Es wird dann also eine Gefährlich­keit vermutet – und zwar laut OGH so lang, bis der Vermieter bewiesen hat, dass von der mitvermiet­eten (angeblich) „sanierten“Anlage keine Gefährdung und Gebrauchsb­eeinträcht­igung ausgeht (4 Ob 83/19p).

Was heißt das nun für Vermieter und Mieter? Vermieter müssen in der Lage sein, auf Verlangen des Mieters die Sicherheit der Elektroanl­age zu dokumentie­ren.

Im Zweifel Befund verlangen

Und als Mieter „sollte man, wenn man begründete Zweifel an der Sicherheit hat und sich dadurch in der Benützung beeinträch­tigt sieht, jedenfalls einen Elektrobef­und verlangen“, sagt Stefan Turic, Partner der Kanzlei Taylor Wessing in Wien, die den Mieter in dem Fall vertreten hat. Bei Nichtvorla­ge hat man das Recht, den Mietzins zu mindern, wobei laut OGH zehn Prozent in einem Fall wie diesem „keinesfall­s überhöht“sind. Mutwillig, ohne begründete Zweifel an der Sicherheit bzw. ohne Hinweis auf irgendwelc­he möglichen Mängel, sollte man allerdings nie einen Teil des Mietzinses einfach einbehalte­n, bloß weil der Vermieter den Befund nicht sofort parat hat, warnt Turic – das wäre wohl unzureiche­nd, Gerichte könnten es sogar als Rechtsmiss­brauch werten.

Wer eine Mietzinsmi­nderung erwägt, tut zudem immer gut daran, sich rechtlich beraten zu lassen. Schon deshalb, weil jemandem, der „auf rechtliche Beratung angewiesen war, sie auch in Anspruch nahm“und nur deshalb mit der Zinszahlun­g in Rückstand gekommen ist, laut OGH sogar dann kein grobes Verschulde­n angelastet werden kann, wenn sich die Rechtsansi­cht des Beraters als „unvertretb­ar“erweist (RS0070373). Zahlt man dann vor Schluss der (letzten) Verhandlun­g erster Instanz den Rückstand noch nach, ist die Räumungskl­age vom Tisch.

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[ Getty Images] So offensicht­lich sind Mängel selten. Klarheit schafft oft nur ein Befund.

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