Das blaue Unglücksspiel Das Ibiza-Video hat die türkis-blaue Koalition vor drei Monaten gesprengt. Die jetzige Affäre um den Postenschacher bei den Casinos Austria könnte eine Neuauflage verunmöglichen.
Razzia.
Wien. Das Video aus der Finca auf Ibiza, das den damaligen FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache und FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus beim Verscherbeln politischer Versprechen zeigte, hat vor drei Monaten die türkis-blaue Koalition gesprengt. Die Hausdurchsuchungen, die diese Woche bei den beiden stattgefunden haben, könnten eine Neuauflage von Türkis-Blau erschweren oder gar verunmöglichen – falls sich der Verdacht der Staatsanwaltschaft bestätigen sollte.
Ein Überblick über die Parallelen dieser beiden Fälle, die konkreten Vorwürfe und die möglichen politischen Konsequenzen.
1 Was hat das Ibiza-Video mit den diese Woche erfolgten Hausdurchsuchungen zu tun?
Es gibt bislang keinen belegten Zusammenhang – aber auffällige Parallelen. In der Finca auf Ibiza haben Strache und Gudenus im Sommer 2017 einer angeblichen russischen Oligarchennichte Staatsaufträge für Parteispenden in Aussicht gestellt. Es gebe „sehr Vermögende“, sie würden über gemeinnützige Vereine bereits „500.000 und eineinhalb bis zwei Millionen Euro bezahlen“. Dabei zählte Strache auch Namen von Großspendern auf. Darunter der Glücksspielkonzern Novomatic. „Novomatic zahlt alle“, sagte er. Das wies der Konzern entschieden zurück. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt seither. Das tut sie auch in der Causa um den Postenschacher bei den Casinos Austria, die nun zu der Hausdurchsuchung führte. In den teilstaatlichen Casinos Austria wurde mit Peter Sidlo ein mutmaßlich dafür unqualifizierter FPÖler in den Vorstand gehievt. Das war nur mithilfe der Novomatic möglich. Dem Glücksspielkonzern sollen dafür seitens der Freiheitlichen politische Versprechungen gemacht worden sein. Auch hier fallen die Namen Strache und Gudenus. Die Akteure sind also dieselben, der Vorwurf ähnlich.
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Es geht um den Verdacht der Bestechung und Bestechlichkeit. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft schildert die Verdachtslage in der zehnseitigen Hausdurchsuchungsbegründung, die der „Presse“vorliegt, wie folgt: Gudenus habe mit Novomatic-Vorstand Harald Neumann vereinbart, dass der Glücksspielkonzern, der 17 Prozent der Casinos Austria hält, Peter Sidlo für den Vorstand benennt. In enger Abstimmung mit Strache sei im Gegenzug eine wohlwollende Unterstützung durch die FPÖ bei „wesentlichen regulatorischen Glücksspielbelangen“paktiert worden. Es sei dabei um die Erteilung einer nationalen Online-Gaming-Lizenz gegangen. Die derzeit exklusiv von den Casinos Austria gehalten wird. Außerdem hätten die FPÖ-Politiker der Novomatic versprochen, sich für ein Ende des Spielautomatenverbots in Wien einzusetzen. So sieht das die Staatsanwaltschaft. Die Betroffenen bestreiten die Vorwürfe vehement. Novomatic ortete „haltlose Vorwürfe“.
3 Wie plausibel bzw. haltlos sind die Vorwürfe denn tatsächlich?
Das kann noch nicht abschließend gesagt werden. Der Verdacht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft stützt sich jedenfalls auf eine anonyme Anzeige. Die Person, die diese Anzeige gemacht hat, verfügt laut Staatsanwaltschaft über „offenkundiges Insiderwissen“und habe die Vorwürfe detailliert ausgeführt. Für die Hausdurchsuchung sei damit die „erforderliche Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Anzeige gegeben“. Außerdem hätten sich gewisse Anzeigebehauptungen in den Ermittlungen bestätigt. So habe sich Ex-Staatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ), der für den Glücksspielbereich zuständig war, tatsächlich in London mit Johann Graf, dem Eigentümer der Novomatic, getroffen. Dort soll der „Deal“ausgehandelt worden sein. Außerdem, so schreibt es die Staatsanwaltschaft, würden die Schilderungen in der Anzeige zu den Aussagen im Ibiza-Video „passen“. Dort soll Strache bereits davon gesprochen haben, ein Gesetz machen zu wollen, „mit dem wir geordnete Spielcasinos zulassen“, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“am Dienstag. Der Wunsch, das Monopol der Casinos Austria aufzubrechen, ist aber wohl noch keineswegs verwerflich. In Justizkreisen wird es teils kritisch gesehen, dass aufgrund einzelner Aussagen im Video ermittelt wird.
4 Warum ist die politische Tragweite nun größer als nach Ibiza?
Im Sommer 2017, als das Ibiza-Video aufgezeichnet wurde, war die FPÖ in der Opposition. Bei den Geschehnissen rund um den Postenschacher in den Casinos Austria war die Partei bereits in der Regierung und Strache Vizekanzler und Amtsträger der Republik. Bisher hat er beteuert, „niemals etwas Gesetzwidriges angeboten oder gemacht zu haben“. Alles, was sich in der Finca abgespielt habe, sei eine „b’soffene G’schichte“gewesen, sagte er bei seinem Rücktritt. Sollte sich der Verdacht der Staatsanwaltschaft bestätigen – was derzeit keineswegs gewiss ist –, dann wäre das widerlegt.
5 Welche Konsequenzen hätte das auf eine mögliche Neuauflage von Türkis-Blau?
Das wäre eine große Hürde für eine Neuauflage der türkis-blauen Koalition. Die FPÖ, die viele schon jetzt für nicht regierungsfähig halten, hätte das dann bewiesen. Norbert Hofer, der neue FPÖ-Chef, würde versuchen, sich von seinem Vorgänger noch deutlicher abzugrenzen. Doch ob die ÖVP unter diesen Umständen eine Neuauflage riskieren würde, bleibt fraglich. Immerhin spricht die Opposition schon jetzt von einer türkisen Mitverantwortung. In der ÖVP wollte man sich auf keine Spekulationen einlassen und sagte nur so viel: Mit „illegalen Parteifinanzierungen der FPÖ“habe man „nichts zu tun“.