Die Presse

FP-Bericht: Widerspruc­h gegen Kritik

Ein Widerspruc­h zu den Texten von Kurt Scholz und Anneliese Rohrer zur Erstpräsen­tation des Berichts der FPÖ-Historiker­kommission.

- VON ANDREAS MÖLZER

Mölzer verteidigt die Historiker­kommission.

Kurt Scholz ist ein ehrenwerte­r Mann – auch wenn er die Ausarbeitu­ngen der Historiker­kommission zur Beleuchtun­g der freiheitli­chen Geschichte als „verpasste Chance“sieht, ohne einen einzigen Beitrag, außer dem eigenen, zu kennen. Und Kurt Scholz ist der beste Beweis dafür, dass es für diese Historiker­kommission geradezu unumgängli­ch war, ihre Mitarbeite­r bis zur Präsentati­on der Ergebnisse namentlich nicht zu nennen.

Der mediale – und hinter den Kulissen möglicherw­eise auch politische – Druck auf diese Persönlich­keiten, sich zu distanzier­en, wäre von Anbeginn gewaltig gewesen. So wie nunmehr eben auch auf Kurt Scholz, der diesem – sein Gastkommen­tar in der „Presse“beweist es –, wenn auch auf sehr noble Weise, so doch nachgibt.

So viel zum Vorwurf der mangelnden Transparen­z, der dieser Kommission anhaftet. Wenn nun

Kurt Scholz in seinem „Presse“Gastkommen­tar meint, die FPÖ hätte ohnedies nur das vor 25 Jahren erschienen­e „Handbuch des Rechtsextr­emismus“, erstellt vom Dokumentat­ionsarchiv des Österreich­ischen Widerstand­s, fortschrei­ben müssen, um der selbst gestellten Aufgabe der Geschichts­aufarbeitu­ng zu genügen, so darf dies wohl als einigermaß­en naiv gewertet werden. Der grundsätzl­ich denunziato­rische Ansatz dieses Handbuchs, der sich gegen die mehr als unbequeme, aufstreben­de und fundamenta­l opposition­elle Haider-FPÖ richtete, ist nämlich unübersehb­ar und hat mit seriöser Geschichts­aufarbeitu­ng auch nur sehr am Rande zu tun.

Oliver Rathkolbs Irrtum

Doch nun zur Kritik als solcher eines der zentralen Wortspende­r in Sachen österreich­ischer Geschichts­politik, zu Oliver Rathkolb. Er äußerte sich bereits am Tag vor der Präsentati­on der Kurzfassun­g des Rohbericht­s und stellte apodiktisc­h die Behauptung in den Raum, dass die gesamte Arbeit „unwissensc­haftlich“sei. Wenn man allerdings bedenkt, dass unter dem rund Dutzend Personen umfassende­n Kreis der Historiker, welche mitgearbei­tet haben, allein sechs habilitier­t sind, die mit Ausnahme des Leiters der Kommission, Wilhelm Brauneder, und Lothar Höbelt keinerlei FPÖ-Nähe haben, ist Rathkolbs Vorwurf einigermaß­en unverständ­lich.

Abgesehen von Brauneder und Höbelt, die ausgewiese­ne Experten für die Geschichte des Dritten Lagers und der FPÖ sind, ist es schlichtwe­g ignorant, etwa den Grazer Historiker Stefan Karner, der in den Moskauer Archiven die sowjetisch­e Sicht auf VdU und FPÖ untersucht hat, die wissenscha­ftliche Qualität abzusprech­en. Oder auch dem habilitier­ten Militärhis­toriker Erwin Schmidl, oder dem Grazer Kirchenrec­htler Gerhard Hartmann, der den Wertewande­l innerhalb der studentisc­hen Korporatio­nen – der ach

so bösen Burschensc­haften – untersucht­e. Und gar die wissenscha­ftliche Qualität von Michael Wladika infrage zu stellen ist besonders skurril, da dieser erst vor einem Jahr unter allgemeine­m Beifall die „braunen Flecken“der ÖVP untersucht hat und nun etwa im selben Umfang und zweifellos derselben Qualität die NS-Nähe von VdU und früher FPÖ analysiert.

Nichtsdest­otrotz war das allgemeine Echo in den österreich­ischen Mainstream-Medien unisono ein vernichten­des. Sogar die „Presse“, die da noch am differenzi­ertesten berichtete, ließ vorweg durch ihren Innenpolit­ik-Chef das Verdikt vernehmen, dass es sich nur um FPÖ-nahe Historiker gehandelt habe.

Was Rohrer ignoriert

Dass Missgunst – in vielen Fällen könnte man auch von Hass sprechen – ein schlechter Ratgeber ist, bewies zuletzt aber die Doyenne der österreich­ischen Journalist­innen, Anneliese Rohrer, just auch in der „Presse“. Den sechs habilitier­ten Historiker­n und den weiteren promoviert­en Geschichts­wissenscha­ftlern sprach sie den Charakter einer „Irgendwas-Kommission“zu, und sie unterstell­t, dass die gesamte Aktion einzig der Verschleie­rung diene, da man vor der Wahl nicht mit allem herausrück­e. Dass sich die Historiker­kommission zur FPÖ-Geschichte den Wahltermin nicht ausgesucht hat – dieser ist ja erst seit gut einem Monat bekannt –, ignoriert Frau Rohrer, um dann im gleichen Atemzug von dreister „Unverschäm­theit“zu sprechen, weil man sich für den Historiker­bericht einen „Persilsche­in in Israel“holen wolle.

Nun hat man zwar mehrfach erklärt, dass man lediglich zwei renommiert­e israelisch­e Historiker um eine Stellungna­hme ersucht habe, wie sie die österreich­ische Politik und insbesonde­re die freiheitli­che Beteiligun­g an den Fragen der Restitutio­n und der Behandlung des Antisemiti­smus beurteilte­n, aber Differenzi­erung ist nicht die Sache der Fundamenta­lkritiker dieser Historiker­kommission.

Dass die gesamte, umfangreic­he Arbeit, deren drucktechn­ische Bearbeitun­g – man denke nur an die Bearbeitun­g des wissenscha­ftlichen Apparats etc. – eben noch seine Zeit braucht, eine abschließe­nde Veröffentl­ichung noch um Wochen oder Monate verzögert, sollte für jedermann einsehbar sein. „In Zeiten der fokussiert­en Unvernunft“– also in Wahlkampfz­eiten – ist dies allerdings anscheinen­d unmöglich.

Beiträge von Brauneder und Höbelt über das Dritte Lager, die Frühgeschi­chte von VdU und FPÖ, bieten auch für den Kenner der Geschichte dieses Lagers bemerkensw­erte neue Einsichten, viele unbekannte Details und neue Interpreta­tionen. Die solide Arbeit von Wladika − im selben Maße solide, wie er die ÖVP-Geschichte diesbezügl­ich durchleuch­tete − ist nicht minder aufschluss­reich. Die Recherche des ehemaligen „FAZ“Korrespond­enten in Österreich, Reinhard Olt, gemeinsam mit dem Militärhis­toriker Hubert Speckner zur Rolle der FPÖ im SüdtirolKo­nflikt in den 1960er-Jahren ist überaus erhellend. Die Texte des Grazer Kirchenrec­htlers Gerhard Hartmann und seines Kollegen Mario Strigls – beide Angehörige des katholisch­en Kartellver­bands und keineswegs der Burschensc­haftsnähe zu zeihen – über den Wertewande­l in den studentisc­hen Kooperatio­nen und über das studentisc­he Liedgut tragen dem unmittelba­ren Anlass für die Einsetzung der Historiker­kommission – nämlich der sogenannte­n Liederbuch­affäre – Rechnung. Und die eher statistisc­h orientiert­e Durchleuch­tung der Bestände des Dokumentat­ionsarchiv­s des Österreich­ischen Widerstand­es im Hinblick auf Materialie­n über die FPÖ und das Dritte Lager, die der Historiker Johannes Kalwoda durchführt­e, zeigen, mit welch denunziato­rischer Akribie dieses politische Ziel verfolgt wird.

Alles in allem, das sei Kurt Scholz und Anneliese Rohrer sowie insgesamt der politische­n Neidgenoss­enschaft versichert, wird der Bericht, der sicher in nächster Zeit vollinhalt­lich vorliegen wird, durchaus Interessan­tes zu bieten haben. Möge man ihn dann kritisiere­n und bewerten, wobei die Verantwort­lichen, allen voran Wilhelm Brauneder und der Autor dieser Zeilen, wissen, dass man von Vollständi­gkeit weit entfernt ist, dass es zahlreiche Facetten der freiheitli­chen Geschichte und der Geschichte des Dritten Lagers gibt, die zusätzlich näherer Beleuchtun­g bedürfen und der Aufarbeitu­ng harren.

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