FP-Bericht: Widerspruch gegen Kritik
Ein Widerspruch zu den Texten von Kurt Scholz und Anneliese Rohrer zur Erstpräsentation des Berichts der FPÖ-Historikerkommission.
Mölzer verteidigt die Historikerkommission.
Kurt Scholz ist ein ehrenwerter Mann – auch wenn er die Ausarbeitungen der Historikerkommission zur Beleuchtung der freiheitlichen Geschichte als „verpasste Chance“sieht, ohne einen einzigen Beitrag, außer dem eigenen, zu kennen. Und Kurt Scholz ist der beste Beweis dafür, dass es für diese Historikerkommission geradezu unumgänglich war, ihre Mitarbeiter bis zur Präsentation der Ergebnisse namentlich nicht zu nennen.
Der mediale – und hinter den Kulissen möglicherweise auch politische – Druck auf diese Persönlichkeiten, sich zu distanzieren, wäre von Anbeginn gewaltig gewesen. So wie nunmehr eben auch auf Kurt Scholz, der diesem – sein Gastkommentar in der „Presse“beweist es –, wenn auch auf sehr noble Weise, so doch nachgibt.
So viel zum Vorwurf der mangelnden Transparenz, der dieser Kommission anhaftet. Wenn nun
Kurt Scholz in seinem „Presse“Gastkommentar meint, die FPÖ hätte ohnedies nur das vor 25 Jahren erschienene „Handbuch des Rechtsextremismus“, erstellt vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands, fortschreiben müssen, um der selbst gestellten Aufgabe der Geschichtsaufarbeitung zu genügen, so darf dies wohl als einigermaßen naiv gewertet werden. Der grundsätzlich denunziatorische Ansatz dieses Handbuchs, der sich gegen die mehr als unbequeme, aufstrebende und fundamental oppositionelle Haider-FPÖ richtete, ist nämlich unübersehbar und hat mit seriöser Geschichtsaufarbeitung auch nur sehr am Rande zu tun.
Oliver Rathkolbs Irrtum
Doch nun zur Kritik als solcher eines der zentralen Wortspender in Sachen österreichischer Geschichtspolitik, zu Oliver Rathkolb. Er äußerte sich bereits am Tag vor der Präsentation der Kurzfassung des Rohberichts und stellte apodiktisch die Behauptung in den Raum, dass die gesamte Arbeit „unwissenschaftlich“sei. Wenn man allerdings bedenkt, dass unter dem rund Dutzend Personen umfassenden Kreis der Historiker, welche mitgearbeitet haben, allein sechs habilitiert sind, die mit Ausnahme des Leiters der Kommission, Wilhelm Brauneder, und Lothar Höbelt keinerlei FPÖ-Nähe haben, ist Rathkolbs Vorwurf einigermaßen unverständlich.
Abgesehen von Brauneder und Höbelt, die ausgewiesene Experten für die Geschichte des Dritten Lagers und der FPÖ sind, ist es schlichtweg ignorant, etwa den Grazer Historiker Stefan Karner, der in den Moskauer Archiven die sowjetische Sicht auf VdU und FPÖ untersucht hat, die wissenschaftliche Qualität abzusprechen. Oder auch dem habilitierten Militärhistoriker Erwin Schmidl, oder dem Grazer Kirchenrechtler Gerhard Hartmann, der den Wertewandel innerhalb der studentischen Korporationen – der ach
so bösen Burschenschaften – untersuchte. Und gar die wissenschaftliche Qualität von Michael Wladika infrage zu stellen ist besonders skurril, da dieser erst vor einem Jahr unter allgemeinem Beifall die „braunen Flecken“der ÖVP untersucht hat und nun etwa im selben Umfang und zweifellos derselben Qualität die NS-Nähe von VdU und früher FPÖ analysiert.
Nichtsdestotrotz war das allgemeine Echo in den österreichischen Mainstream-Medien unisono ein vernichtendes. Sogar die „Presse“, die da noch am differenziertesten berichtete, ließ vorweg durch ihren Innenpolitik-Chef das Verdikt vernehmen, dass es sich nur um FPÖ-nahe Historiker gehandelt habe.
Was Rohrer ignoriert
Dass Missgunst – in vielen Fällen könnte man auch von Hass sprechen – ein schlechter Ratgeber ist, bewies zuletzt aber die Doyenne der österreichischen Journalistinnen, Anneliese Rohrer, just auch in der „Presse“. Den sechs habilitierten Historikern und den weiteren promovierten Geschichtswissenschaftlern sprach sie den Charakter einer „Irgendwas-Kommission“zu, und sie unterstellt, dass die gesamte Aktion einzig der Verschleierung diene, da man vor der Wahl nicht mit allem herausrücke. Dass sich die Historikerkommission zur FPÖ-Geschichte den Wahltermin nicht ausgesucht hat – dieser ist ja erst seit gut einem Monat bekannt –, ignoriert Frau Rohrer, um dann im gleichen Atemzug von dreister „Unverschämtheit“zu sprechen, weil man sich für den Historikerbericht einen „Persilschein in Israel“holen wolle.
Nun hat man zwar mehrfach erklärt, dass man lediglich zwei renommierte israelische Historiker um eine Stellungnahme ersucht habe, wie sie die österreichische Politik und insbesondere die freiheitliche Beteiligung an den Fragen der Restitution und der Behandlung des Antisemitismus beurteilten, aber Differenzierung ist nicht die Sache der Fundamentalkritiker dieser Historikerkommission.
Dass die gesamte, umfangreiche Arbeit, deren drucktechnische Bearbeitung – man denke nur an die Bearbeitung des wissenschaftlichen Apparats etc. – eben noch seine Zeit braucht, eine abschließende Veröffentlichung noch um Wochen oder Monate verzögert, sollte für jedermann einsehbar sein. „In Zeiten der fokussierten Unvernunft“– also in Wahlkampfzeiten – ist dies allerdings anscheinend unmöglich.
Beiträge von Brauneder und Höbelt über das Dritte Lager, die Frühgeschichte von VdU und FPÖ, bieten auch für den Kenner der Geschichte dieses Lagers bemerkenswerte neue Einsichten, viele unbekannte Details und neue Interpretationen. Die solide Arbeit von Wladika − im selben Maße solide, wie er die ÖVP-Geschichte diesbezüglich durchleuchtete − ist nicht minder aufschlussreich. Die Recherche des ehemaligen „FAZ“Korrespondenten in Österreich, Reinhard Olt, gemeinsam mit dem Militärhistoriker Hubert Speckner zur Rolle der FPÖ im SüdtirolKonflikt in den 1960er-Jahren ist überaus erhellend. Die Texte des Grazer Kirchenrechtlers Gerhard Hartmann und seines Kollegen Mario Strigls – beide Angehörige des katholischen Kartellverbands und keineswegs der Burschenschaftsnähe zu zeihen – über den Wertewandel in den studentischen Kooperationen und über das studentische Liedgut tragen dem unmittelbaren Anlass für die Einsetzung der Historikerkommission – nämlich der sogenannten Liederbuchaffäre – Rechnung. Und die eher statistisch orientierte Durchleuchtung der Bestände des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes im Hinblick auf Materialien über die FPÖ und das Dritte Lager, die der Historiker Johannes Kalwoda durchführte, zeigen, mit welch denunziatorischer Akribie dieses politische Ziel verfolgt wird.
Alles in allem, das sei Kurt Scholz und Anneliese Rohrer sowie insgesamt der politischen Neidgenossenschaft versichert, wird der Bericht, der sicher in nächster Zeit vollinhaltlich vorliegen wird, durchaus Interessantes zu bieten haben. Möge man ihn dann kritisieren und bewerten, wobei die Verantwortlichen, allen voran Wilhelm Brauneder und der Autor dieser Zeilen, wissen, dass man von Vollständigkeit weit entfernt ist, dass es zahlreiche Facetten der freiheitlichen Geschichte und der Geschichte des Dritten Lagers gibt, die zusätzlich näherer Beleuchtung bedürfen und der Aufarbeitung harren.