Die Presse

Ibiza ist wieder da – und leichtes Ermittlung­schaos

Die Gründe für die Hausdurchs­uchungen bei der FPÖ und die NovomaticV­orwürfe dürften über üblichen Postenscha­cher hinausgehe­n. Und müssen.

- VON RAINER NOWAK E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

Was wäre der Gegenbewei­s für zwei entscheide­nde Thesen der jüngsten österreich­ischen Geschichte? Erstens die These, dass der sattsam bekannte IbizaAbend mit seinem sattsam bekannten Conferenci­er´ Heinz-Christian Strache nur eine feucht-fröhliche Party gewesen sei, die verbal ein wenig aus dem Rahmen fiel. Zweitens, dass die FPÖ zwar eine äußerst rechte Partei ist, aber nicht mehr so personell korrupt sei, wie sie unter Haider war. (Was auch an dieser Stelle zum Beginn von Türkis-Blau erwartet worden war.)

Der Gegenbewei­s wäre ganz einfach: Wenn Straches prahlerisc­hen Worten Taten folgten. Die Korruption­sstaatsanw­altschaft ist offenbar der Meinung, genug Beweismate­rial zu haben, um die umfangreic­hen Ermittlung­en und Hausdurchs­uchungen zu rechtferti­gen, die möglicherw­eise noch mehr Beweismate­rial liefern, um die beiden genannten Thesen endgültig zu falsifizie­ren. In den bekannten Video-Ausschnitt­en prahlt Strache mit bisherigen Großspende­rn und stellt einer falschen Oligarchen­nichte mögliche Staatsauft­räge in Aussicht, sollten finanziell­e Zuwendunge­n erfolgen. Die Korruption­sstaatsanw­altschaft hat offenbar schwerwieg­ende Verdachtsm­omente dafür, dass den möglichen Spenden von Novomatic Verspreche­n gefolgt sind. Da ist von Glücksspie­llizenzen die Rede und von der Rücknahme des Verbots für das kleine Glücksspie­l in Wien.

Jetzt geht es auch um eine Postenbese­tzung: FPÖ-Mann Peter Sidlo wurde in den Casinos-Vorstand gehievt, obwohl er laut vorliegend­en Informatio­nen definitiv nicht der bestqualif­izierte Kandidat des mit der Suche beauftragt­en Headhunter­s war. In dem Fall hätte der erfahrene und bisher stets integre Aufsichtsr­atspräside­nt, Walter Rothenstei­ner, mitspielen müssen, was auf Druck des Miteigentü­mers Novomatic (und des türkisen Reichszwei­drittels zwecks Koalitions­harmonie?) schließen lässt. Das wäre nicht der übliche Postenscha­cher in Rot, Schwarz und eben Blau, sondern wesentlich mehr: Die im Video im doppelten Wortsinn angegebene­n Interventi­onen im Fall einer FPÖ-Regierungs­beteiligun­g klingen plötzlich sehr realistisc­h. Ibiza wäre demnach Realität geworden. (Obwohl der von Strache in

den Raum gestellte Ausschluss der Strabag von Regierungs­aufträgen bekanntlic­h nicht passiert ist.) Sollte Sebastian Kurz eine Wiederaufn­ahme der türkisblau­en Regierung nicht ausschließ­en oder gar mit einer solchen liebäugeln: So ist kein Staat zu machen. Sollte Norbert Hofer von Regierungs­beteiligun­g träumen: So bleibt nur die Opposition­sbank. A ls wäre das alles nicht schlimm und peinlich genug, offenbaren die jüngsten Hausdurchs­uchungen und die aus Justiz- und Innenresso­rt tröpfelnde­n Informatio­nen, dass es wieder einmal einen kleinen Krieg zwischen den Ministerie­n und Behörden gibt, der weder für die Sache noch den Staat hilfreich sein kann. Einmal mehr wird da doppelt (noch im Idealfall) oder gegeneinan­der ermittelt. Aus der Korruption­sstaatsanw­altschaft ist zu hören, dass man der Sonderkomm­ission Ibiza misstraue, dass sie möglicherw­eise dank einzelner Beamter eine ÖVP-Nähe habe und mit Augenklapp­en ermittle. (Bei der Schredder-Posse hat ein solcher Vorwurf der Kurz-Mitarbeite­r in Richtung roter Beamter im Kanzleramt für einen breiten Schultersc­hluss der Republik geführt.)

Tatsache ist, dass Innenminis­ter Wolfgang Peschorn den Soko-Ibiza-Ermittlern klar gesagt hat, dass sie ohne Rücksicht auf Wahltermin und Parteien recherchie­ren sollen und müssen. Und Peschorn ist sicher kein türkiser Parteisold­at. Tatsache ist auch, dass aus der Soko zu unserem Leidwesen noch nichts durchgesic­kert ist, aus der Korruption­sstaatsanw­altschaft hingegen ein InfoStrom an ein paar Medien fließt. Übrigens: Über die Hintergrün­de und Geldgeber des Videos nicht zu recherchie­ren und nicht zu ermitteln wäre schlicht absurd. Das muss genauso untersucht werden wie jeder einzelne mögliche im Video manifestie­rte Rechtsbruc­h.

Das Ibiza-Video sorgte für das Aus der Regierung und Neuwahlen. Dann wurde es verblödelt, verharmlos­t, fast vergessen. Nun ist es wieder präsent. Vielleicht setzt endlich so etwas wie Läuterung ein . . . Liest sich naiv, ich weiß.

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