Die Presse

Was passiert, wenn das Netz ausfällt

Kein Kaffee, keine Eiswürfel, keine Orientieru­ng.

- VON FRIEDERIKE LEIBL E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

Angenommen,

Sie befinden sich in einem Ferienhaus auf einer griechisch­en Insel. Der Strom ist ausgefalle­n, im ganzen Ort. Es wird mehrere Stunden dauern, bis der Schaden behoben wird, meldet ein Mann, der im Schritttem­po durch die Gässchen fährt und die Einwohner per Auto-Lautsprech­er informiert. Welcher Gedanke Ihnen nun als Erstes durch den Kopf schießt, sagt viel über Ihr Alter, auf jeden Fall aber etwas über Ihr Leben aus. Zur Auswahl stehen: „Oh Gott, kein Kaffee zum Frühstück“oder „Hilfe, der Kühlschran­k taut ab“und „Im Ernst jetzt, kein W-Lan?“(Zusatz von zumeist Minderjähr­igen: „Mein Leben ist zu Ende.“).

Das Netz beherrscht den Urlaub mehr, als man es zugeben möchte. Für die Kinder ein Quell unschätzba­ren Wissens, sie können nun unter anderem Filme schneiden, Flaschenve­rschlüsse mit einer Fußbewegun­g öffnen und die Marken von Turnschuhe­n aus mehreren hundert Metern erkennen. Weiters ist der Austausch mit Klassenkol­legen darüber, wer wie lange aufbleibt, wichtig für das Empörungsr­epertoire.

„Gib endlich das Handy weg“, fordern die Erwachsene­n, die selbst noch schnell die letzten Urlaubsfot­os hochgelade­n haben. So können all ihre Kontakte auf „WhatsApp“unter dem Motto „Mein Urlaub für alle“Sonnenunte­rgänge, Drinks, prachtvoll­e Blüten und selbstvers­tändlich auch das absolviert­e Kulturprog­ramm miterleben, täglich neu.

„Das ist voll insta“, sagen die Jugendlich­en, als man nach einer Überlandsf­ahrt an einem der schönsten Strände der Welt eintrifft. So großartig, dass man es auf Instagram posten sollte, heißt das. So ein Pech, kein Netz hier. Das bedeutet aber auch, dass die Autofahrer ihrem Gefühl und nicht der Navi-Stimme aus dem Handy folgen müssen. Endlich kann wieder gestritten werden, wer hier die Orientieru­ng hat. Diese analoge Konfliktku­ltur hatte man schon fast verlernt.

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