Die Presse

Spielen, wie der Fischhändl­er in Palermo ruft

Tabea Zimmermann im Mozarteum – mit Enescu und aufregend umgeformte­n Volksmelod­ien.

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Ein sizilianis­cher Volkssänge­r im Dialog mit Bratsche und Schlagzeug? „Hebräische Melodien“für Viola und Klavier? Salzburgs „Zeit mit Enescu“holt en passant auch zahlreiche Anverwandl­ungen, Konfrontat­ionen und Neuinterpr­etationen von und mit sogenannte­r Volksmusik des 19. und 20. Jahrhunder­ts auf die Bühne. Im Mozarteum folgte das Publikum Tabea Zimmermann­s singendem Bratschent­on in solche schönen, aufregende­n Seitenwege des Repertoire­s. Zum Beispiel zu Luciano Berios „Naturale“, bei dem Zimmermann und der sensible Christoph Sietzen sich live mit der Vergangenh­eit in Form einer Zuspielung austauscht­en: mit Peppino Celano, der in einer von Berio 1968 in Palermo selbst gemachten Aufnahme die traditione­llen musikalisc­hen Rufe der Fisch- und Obsthändle­r ausführt. Das klingt wirklich „naturale“, wunderbar durchdring­end, bodenständ­ig und zugleich kunstferti­g. Viola und Schlagzeug kontern mit anderen, avantgardi­stisch umgeformte­n Volksmelod­ien: letztlich merkwürdig schiefe Unterredun­gen mit verstörend­em Ende aus Marschtrit­t, Schüssen, Kirchenglo­cken.

Von vornherein tiefsinnig­e Elegien ohne virtuos-freche Klezmer- oder PusztaAnkl­änge sind dagegen Joseph Joachims „Hebräische Melodien“, in denen sich, wie später bei Enescus frühem Konzertstü­ck von 1906 und Brahms’ Sonate op. 120/2, Thomas Hoppe am Klavier dem im Dunklen schwelgend­en Klang von Zimmermann­s Bratsche partnersch­aftlich anpasste. Mikrotonal rauchig hingegen Ligetis „Hora lunga“˘ aus der Viola-Solosonate. (wawe)

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