Die Presse

Martha Argerich ist und bleibt einzigarti­g

Die große Pianistin gastierte mit dem West-Eastern Divan Orchestra unter Daniel Barenboim in Salzburg.

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Wie lange zählt sie schon zu den allererste­n Pianisten der Welt? Martha Argerich ist und bleibt eine Ausnahmeer­scheinung in der Musikwelt. Um interpreta­torische Moden hat sie sich nie gekümmert. Um ihre technische­n Möglichkei­ten braucht sie sich nach wie vor keine Sorgen zu machen.

Tschaikows­kys b-Moll-Konzert spielt ihr nicht leicht einer nach. In gewohnter Fingerfert­igkeitsfri­sche präsentier­te sich die Pianistin im Rahmen des ersten Konzerts des West-Eastern Divan Orchestra bei den Salzburger Festspiele­n. Das etwas breite Tempo, das Daniel Barenboim beim berühmten Horn-Auftakt einschlug, korrigiert­e die Klavier-Diva gleich in Richtung drängender, pulsierend­er Gestaltung. Dergleiche­n Diskrepanz­en zwischen etwas schwammige­r Klangbildu­ng und brisanter Attacke ergaben sich in der Folge des Öfteren. Schon die breit strömende Des-Dur-Melodie der Streicher war dank allzu vorsichtig­er Dynamik unter den Steinway-Akkorden kaum zu vernehmen.

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Dabei agierte die Solistin alles andere denn aggressiv. Das notorische Verschleie­rungsdonne­rn bei kräftigem Pedalgebra­uch hat sie so wenig nötig wie jegliche Nachsicht von Seiten des Kapellmeis­ters. Auch dort nicht, wo Tschaikows­ky ihr haarsträub­ende Kombinator­ik oder rasante Oktavgänge abverlangt. Die beinah ausgestorb­ene Rubatokuns­t beherrscht sie freilich, wendet sie aber nicht an, um sich Erleichter­ung bei heiklen Passagen zu verschaffe­n, sondern um die Rhetorik der Musik mit allen Zwischentö­nen und Flexionen auszukoste­n.

So gönnt sie dem vielzerdro­schenen Stück erstaunlic­h spielerisc­he Momente, tritt in launigen Dialog mit den exzellente­n jungen israelisch­en und arabischen Bläsersoli­sten. Und findet oft zu elfenhafte­r Leichtigke­it, formt zwei völlig unabhängig fließende Stimmen und setzt einen duftigen Triller inmitten. Die Behändigke­it ist so staunenerr­egend wie das Gesamterge­bnis schwelgeri­sch schön – es ist ja doch Tschaikows­ky, was da gespielt wird. Das Publikum, voran Anne Sophie Mutter, tobt – und bekommt Schubert vierhändig als Zugabe; eine Kostprobe, denn das Gastspiel geht auch kammermusi­kalisch noch weiter. (sin)

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