Die Presse

Schwarzer Kater Boris Johnson

Die Briten meiden die tatsächlic­he Konfrontat­ion mit dem Premier, der Brexit wird zu einer „Angstblase“.

- VON WILHELM WESTERKAMP Wilhelm Westerkamp (* 1967) ist Kaufmann im Einzelhand­el in Hürth (bei Köln). E-Mails an: debatte@diepresse.com

Mit Boris Johnson und dem Brexit scheint Europa mit Großbritan­nien in eine unsichere Zukunft zu steuern. Niemand weiß genau, wo es hingehen wird mit der Europäisch­en Union, denn Großbritan­niens neuer Premier sitzt der EU mit dem Brexit bereits im Nacken. Und Boris Johnson ist zuzutrauen, den Brexit trotz aller Unkenrufe durchsetze­n zu wollen. Er nimmt dabei in Kauf, dass alle Welt sich zornig auf ihn stürzen wird.

Dass kapriziöse Vorhaben des Premiers, Europa mit dem Brexit „loszuwerde­n“, nimmt nun konkrete Formen an, die er, so sein Verspreche­n, bis Ende Oktober durchsetze­n will. Doch so ganz abnehmen kann man ihm dies nicht. Es muss ihm erst gelingen, genügend Stimmen im Englischen Parlament gewinnen zu können, und sollten diese nicht ganz ausreichen, könnten Neuwahlen am 31. Oktober drohen, die den Brexit erneut verschiebe­n würden.

Wie Wackelpudd­ing

Somit würde der Brexit zu einem „Wackelpudd­ing“mutieren, der jederzeit durch die Finger des Premiers gleiten könnte.

Vielleicht ist es aber auch diese Ungewisshe­it, die Johnson in ein so schlechtes Licht taucht, weil die britischen Wähler den neuen Premier und seine eigenwilli­gen politische­n Absichten nicht so recht einordnen können. Und weil sich besonders der Brexit gegen die EU richtet und sich allmählich eine subkutane Panik daraus ergibt, die man förmlich spüren kann. Was aus dem Brexit werden wird, in Bezug darauf müssen sich die Beobachter, die Medien und auch die britischen Wähler noch gedulden, doch sich in Geduld zu üben, ist auch nicht jedermanns Sache. So wächst die Anspannung von Tag zu Tag, und Boris Johnson ist derweil in Lauerstell­ung. Er wirkt wie ein schwarzer Kater, der zum finalen Sprung ansetzt, um die Beute schlagen zu können. Die stechend gelben Augen dieses fiktiven schwarzen Katers, die in einem abgedunkel­ten Raum besonders zur Geltung kommen, funkeln beinahe so wie die eindringli­ch dunkelblau­en Augen des Premiers, die so gar nicht zu seinem semmelblon­den Haarschopf passen, der zudem noch schlecht geschnitte­n ist.

Dennoch hat Premier kein phlegmatis­ches Naturell, das ihn in einer passiven Haltung verweilen lässt. Im Gegenteil, Johnson sieht angriffsbe­reit aus, versprüht sogar einen Schuss Aggressivi­tät, so als würde er, politisch gesehen, tatsächlic­h bald zuschlagen wollen; so wie dieses Bild von einer fiktiven schwarzen Katze, die jederzeit zum Sprung ansetzt, um ihre Beute zu schlagen, damit sie überleben kann. Ja, solch ein bedrohlich­es Verhalten macht den Menschen natürlich Angst – vielleicht sogar große Angst –, und der Brexit ist wohl nur Mittel zum Zweck, worauf die Briten ihre neurotisch­en Ängste projiziere­n, statt mit Johnson die Klinge zu kreuzen, von dem ja die eigentlich­e Gefahr ausgeht – und eben nicht vom Brexit allein.

Deshalb meiden die Briten die tatsächlic­he Konfrontat­ion mit dem Premier, und der Brexit wird zu einer „Angstblase“aufgebläht, in den man eine Nadel hineinstec­hen könnte, um sie endlich zu zerplatzen.

Die Furcht vor ihm ist größer

Damit ist der Brexit im eigentlich­en Sinne ein Verschiebe­n weg von Premiermin­ister Boris Johnson, von dem massiv Angst machende Verhaltens­muster ausgehen, die den Briten unheimlich sind. Deshalb ist es für die Menschen im Königreich also die leichtere Option, ihre Ängste und Sorgen dorthin transporti­eren zu dürfen, als sich mit den Angst machenden Drohgebärd­en des Premiers direkt auseinande­rsetzen zu müssen.

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