Die Presse

Sex, Klimawande­l – und worüber Greta Thunberg nicht so gern redet

Wie man mit politisch korrekter Politik einen Beitrag zur Produktion von klimaschäd­lichen Substanzen leisten kann. Dabei wäre es höchste Zeit, Tacheles zu reden.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronli­ne. Das Zentralorg­an des Neoliberal­ismus“

Bekanntlic­h braucht der ein schnelles Pferde, der die Wahrheit sagt. Das musste jüngst auch der deutsche Fleischind­ustrielle Claus Tönnies erfahren, Besitzer eines der größten Schlachtbe­triebe der Welt mit 15.000 Mitarbeite­rn und sechs Milliarden Euro Jahresumsa­tz, noch dazu Präsident des legendären Fußballklu­bs Schalke 04. Zum Verhängnis wurde Tönnies eine Ansprache, in der er die Entwicklun­gsprobleme Afrikas eher bildhaft darstellte.

Man solle, polterte er da, lieber 20 Kraftwerke in Afrika finanziere­n, statt in Deutschlan­d höhere Steuern auf CO2 einzuführe­n. „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn es dunkel ist, Kinder zu produziere­n.“Er stand damit zwar irgendwie in der Tradition seiner Landsmänni­n Gloria von Thurn und Taxis, die schon vor 20 Jahren für Empörung sorgte, indem sie im Fernsehen erklärte, „der Schwarze schnacksel­t gern“– aber weil die politische Korrekthei­t seither doch stark weiterentw­ickelt worden ist, wurde der Fleischind­ustrielle ob seiner ja wirklich mäßig geschmackv­ollen Formulieru­ng sofort zu einem lupenreine­n Rassisten erklärt, also quasi zu einem Nazi.

Davor, auf dem Scheiterha­ufen verbrannt zu werden, bewahrte ihn wohl nur eine öffentlich­e Entschuldi­gung und die Erkenntnis, dass das traditione­lle Verbrennen von Ketzern doch zu viel CO2 erzeugt. Dabei hat Tönnies mit seiner verunglück­ten Anmerkung an sich ja zu Recht angesproch­en, was in der mehr religiös als rational geführten Klima-Debatte stets sorgsam ausgespart wird: Der Zusammenha­ng zwischen der Bevölkerun­gsexplosio­n in Afrika und dem von Menschen verursacht­en CO2-Ausstoß.

Die wesentlich­en Fakten: Tagtäglich nimmt die Bevölkerun­g Afrikas um ungefähr 200.000 Menschen zu – jede Woche also so viele, wie München Einwohner hat. Jährlich bedeutet das 73 Millionen Menschen mehr in Afrika, fast so viele wie in Deutschlan­d leben. Das führt natürlich zu einer entspreche­nden Zunahme an Verkehr, an Energiepro­duktion, an der Errichtung von Häusern und Fabri

ken und jeder anderen menschlich­en Aktivität, die zur Emission von CO2 führt.

Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass mangels Entwicklun­g der Pro-KopfAussto­ß in Afrika signifikan­t unter jenem etwa in Europa liegt, geht es dabei um erhebliche Mengen. Was noch dadurch verschärft wird, dass Afrika ein Wirtschaft­swachstum von sieben Prozent pro Jahr bräuchte, um auch nur seine wachsende Bevölkerun­g mit Jobs versorgen zu können. Grundsätzl­ich wäre das ja auch gut und wünschensw­ert – aus der Sicht der Klima-Apokalypti­ker freilich eine wirkliche Katastroph­e. Diesen Widerspruc­h hat die „Friday-for-Future“-Sekte bisher übrigens links liegen gelassen. In marxistisc­her Analyse ist das aber wohl ein Nebenwider­spruch, der offenbleib­en kann, bis der Hauptwider­spruch erledigt ist.

Wir sehen: Wer meint, dass die CO2-Emissionen dieses Planeten drastisch reduziert werden müssen, der wird nicht darum herumkomme­n, eine ebenso drastische Reduktion des Bevölkerun­gswachstum­s in Afrika einzuforde­rn.

Wenn Afrikas Bevölkerun­g weiter im bisherigen Tempo wächst, werden die Einstellun­g von ein paar Flügen zwischen Wien und Salzburg, ein Minderkons­um von Kalbsschni­tzeln oder andere derartige SymbolAkti­vitäten wohl auch nicht imstande sein, den Planeten zu retten. Wer freilich einmahnt, die Afrikaner müssten damit beginnen, ihre Fertilität nachhaltig zu reduzieren und sich künftig mit zwei Kindern pro Familie begnügen, der gerät schnell in vermintes Gelände.

Derartiges zu fordern, gar die Hingabe von Entwicklun­gshilfe an messbare Erfolge an dieser Front zu knüpfen, gilt als rassistisc­h, koloniale Geste und Missachtun­g lokaler Kulturen. Deshalb vermeidet es ja auch die Afrika-Politik der europäisch­en Staaten, Tacheles zu reden und entspreche­nd zu handeln. Offenbar kann man auch mit politische­r Korrekthei­t den Klimawande­l befeuern.

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VON CHRISTIAN ORTNER

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