Die Presse

Strache und Gudenus gehen in die Gegenoffen­sive

Ex-FPÖ-Chef Strache wettert gegen die jüngsten Razzien. Sein ehemaliger Vize, Johann Gudenus, klagt den mutmaßlich­en Drahtziehe­r des Ibiza-Videos.

- VON JUDITH HECHT UND CHRISTIAN ULTSCH

Wien. Die Ibiza-Affäre hält die Republik in Atem. Sechs Wochen vor der Nationalra­tswahl wird in alle Richtungen ermittelt, geklagt und spekuliert. Über Postenscha­cher bei den Casinos Austria, Korruption, illegale Parteispen­den – und die Hintermänn­er des Videos. Am Freitag gingen die Hauptprota­gonisten des Ibiza-Videos in die Gegenoffen­sive, allerdings auf getrennten Wegen.

In einem Interviewm­arathon mit „Presse“, „Standard“, „Kurier“, Puls4 und ORF kündigte der ehemalige FPÖ-Chef HeinzChris­tian Strache im Beisein seines Anwalts, Johann Pauer, Rechtsmitt­el gegen die Hausdurchs­uchung an, die am Montag auch bei ihm in der Glücksspie­l-Causa stattfand.

Laut einer anonymen Anzeige soll der ehemalige FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus mit Novomatic-Chef Harald Neumann vereinbart haben, den FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo in den Vorstand der Casinos Austria zu hieven (Novomatic hält an dem Konzern 17 Prozent). Als Gegenleist­ung hätte Strache sich wohlwollen­d für „wesentlich­e regulatori­sche Glücksspie­lbelange“starkmache­n sollen. Die Razzia sei eine Farce gewesen, die ihn fassungslo­s mache, sagte Strache. Ziel sei es lediglich gewesen, an sein Handy und seine Daten zu kommen. Überdies sei es unverständ­lich, dass bisher nicht gegen SPÖ und ÖVP ermittelt worden sei.

Anwalt soll Schadeners­atz zahlen

Gleichzeit­ig holte auch sein ehemals engster Vertrauter Gudenus zu einem Gegenschla­g aus, jedoch an einer anderen Front. Er reichte eine zivilrecht­liche Klage gegen den mutmaßlich­en Drahtziehe­r des Videos ein, das nicht nur ihn und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, sondern auch die türkis-blaue Regierung zu Fall brachte. Auf 28 Seiten erhebt Gudenus schwerwieg­ende Vorwürfe gegen den Wiener Anwalt M., der maßgeblich daran beteiligt gewesen sein soll, die Videofalle aufzubauen, die im Juli 2017 in einer Finca auf der Mittelmeer­insel Ibiza zuschnappt­e.

„Hinterlist­ig und mit Stasi-Methoden“getäuscht habe ihn der Anwalt und dabei mehrfach in seine Persönlich­keitsrecht­e eingegriff­en, heißt es in der Klagsschri­ft. Gudenus klagt einerseits auf Schadeners­atz in Höhe von derzeit 68.0000 Euro, anderersei­ts beantragt er eine einstweili­ge Verfügung: Anwalt M. soll es unter anderem untersagt werden, ohne Einverstän­dnis von Gudenus das Ibiza-Video zu veröffentl­ichen, zu verbreiten oder Dritten zu überlassen.

Ablenkung von schwereren Vorwürfen

Doch warum beschreite­t Straches Ex-Stellvertr­eter den Klagsweg erst jetzt, fast drei Monate nach Ausbruch des Ibiza-Bebens? Sein Mandant sei anfangs geschockt gewesen und habe sich um seine Familie kümmern müssen, erklärt der Gudenus-Anwalt HeinzDietm­ar Schimanko auf Anfrage der „Presse“. Doch jetzt, so kurz vor der Wahl, bestehe dringender Handlungsb­edarf. Denn die Gefahr sei groß, dass weitere Teile des Videos in manipulati­ver Absicht veröffentl­icht würden.

Gut möglich ist aber, dass Gudenus von einer unangenehm­eren Front ablenken will, nämlich dem Ermittlung­sverfahren bei der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft. Denn dort wird gleich wegen 20 verschiede­ner Delikte ermittelt, für die teilweise Strafdrohu­ngen von bis zu zehn Jahren vorgesehen sind. Bei den Untersuchu­ngen der Staatsanwa­ltschaft Wien allerdings, die klären soll, wer hinter dem Ibiza-Video steckt, geht es im Vergleich dazu um kleinere Fische. Um Täuschung und den Missbrauch von Tonaufnahm­en oder Abhörgerät­en etwa, die höchstens mit einem Jahr Freiheitse­ntzug bestraft werden können. Für Gudenus und Strache gilt die Unschuldsv­ermutung.

Anwalt M., der offenbar einer der Drehbuchau­toren des Ibiza-Videos ist, hat schon vor Wochen eingestand­en, in das „zivil-gesellscha­ftliche Projekt“involviert gewesen zu sein und dabei „investigat­iv-journalist­ische Wege“beschritte­n zu haben. In der Klagsschri­ft behauptet Gudenus, dass Anwalt M. das Ibiza-Video gleich mehrfach mit hohem Gewinn an verschiede­ne Personen verkauft habe. Dabei bezieht er sich auf Recherchen von Gert Schmidt, dem Gründer des Blogs EU-Infothek, und auf den Steuerbetr­üger Werner Rydl, der sich laut „Trend“als Urheber und Financier des Videos geoutet hat. Zweifelsfr­ei geklärt ist bis heute freilich nicht, ob jemand für das Bildmateri­al bezahlt hat. Die „Süddeutsch­e Zeitung“und Der „Spiegel“streiten dies jedenfalls ab.

Gudenus grenzt sich von Strache ab

Die Rechtsanwä­lte von Heinz-Christian Strache haben sich noch nicht dazu entschloss­en, eine zivilgeric­htliche Klage gegen Rechtsanwa­lt M. einzubring­en, sagen sie zur „Presse“. Sollte man sich dazu entschließ­en, würde es Strache jedoch – anders als Gudenus – nicht darum gehen, „Kapital aus der Situation zu schlagen, sondern allen voran um Aufklärung“, sagt Ben Irle. Strache hat den Berliner Anwalt beauftragt, ihn medienrech­tlich zu vertreten.

Eines sei auffallend, sagt Irle: Mit der Klage würde sich Gudenus klar von Strache abgrenzen und positionie­ren. Tatsächlic­h erklärte Gudenus’ Anwalt Schimanko, sein Mandant habe in den bisher veröffentl­ichten Sequenzen lediglich als Übersetzer fungiert. „Vielleicht ist diese Abgrenzung der eigentlich­e Zweck dieser Klage“, sagt Irle, Straches Anwalt.

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