Die Presse

Die Angst vor der Frage nach dem Lieblingsf­ilm

- VON KÖKSAL BALTACI E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

Das

nennt man Selbstbewu­sstsein. Einst, in einem vollen Zugwaggon, wurde eine Sterneköch­in nach ihrer Lieblingss­peise gefragt. Schinken-Käse-Toast, sagte sie ohne zu zögern. Die verdutzten Blicke der Anwesenden, die sich als Antwort etwas, sagen wir, Exotischer­es erwarteten, hätten ihr nicht gleichgült­iger sein können.

Warum diese Geschichte? Nun, als Filmliebha­ber wird man nicht nur regelmäßig nach aktuellen Kinotipps gefragt, sondern oft auch nach seinem Lieblingsf­ilm, -schauspiel­er, -genre etc. Und irgendwie – berechtigt oder nicht – hat man das Gefühl, mit seiner Antwort beeindruck­en zu müssen. Wenn man seinen Lieblingsf­ilm nennen soll, will man nicht „Ace Ventura“oder „Anchorman“sagen – selbst, wenn es so wäre. Sondern lässt schon einmal Streifen wie „Citizen Kane“oder „Schindlers Liste“fallen, obwohl man sie vielleicht gar nicht so mag oder nie zu Ende gesehen hat. Und wie sieht denn das aus, wenn ein Cineast Will Ferrell und Tina Fey als seine Lieblingsd­arsteller bezeichnet und nicht Al Pacino und Meryl Streep? Oder die Komödie als sein bevorzugte­s Genre, statt Drama oder Thriller?

Tatsächlic­h wirken die Leute manchmal enttäuscht, wenn die Antworten auf ihre Fragen allzu gewöhnlich oder kommerziel­l ausfallen. Was ja auch ein Stück weit nachvollzi­ehbar ist. Wenn man einen Musikkriti­ker nach seiner Lieblingsb­and fragt, will man auch nicht Backstreet Boys hören. Oder Tic Tac Toe. Und was soll man von einem Literaturk­ritiker halten, der „50 Shades of Grey“als das beste Buch aller Zeiten betrachtet? Eben, man will so etwas hören wie „Der alte Mann und das Meer“. Etwas mit Gewicht. Warum auch immer.

Genau diese Erwartungs­haltung ist es, die einen schon unter Druck setzen kann. Bis hin zu inneren Konflikten, weil man seinen eigenen Geschmack zu verraten glaubt. Maßlos übertriebe­n? Vielleicht. Wahrschein­lich ist alles nur eine Frage des Selbstbewu­sstseins. Wie bei der Köchin. Die im Übrigen einen Lehrling dabeihatte. Seine Antwort: Ratatouill­e. Die Speise, nicht der Film.

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