Die Presse

Von „Spatzenhir­n“ist keine Rede

Wie schlau manche Tiere sind, erforscht die Wiener Biologin Menschenaf­fen und bestimmte Vögel lösen sogar Aufgaben, an denen Kinder scheitern.

- VON MICHAEL LOIBNER Alle Beiträge unter:

Dass Menschenaf­fen intelligen­t sind, weiß man. Dass es auch kluge Hunde gibt, wird so mancher Besitzer eines Vierbeiner­s nicht bestreiten wollen. Aber Kakadus? Die Wiener Kognitions­biologin Isabelle Laumer hat einige dieser Papageienv­ögel im Rahmen einer wissenscha­ftlichen Studie mit kniffligen Aufgaben konfrontie­rt und herausgefu­nden: Von „Spatzenhir­n“ist keine Rede – in manchen Punkten können es die Gefiederte­n durchaus mit Orang-Utans und sogar mit Volksschul­kindern aufnehmen.

Ein Zufall war es, der Wiener Forscher dazu brachte, den Umgang der Tiere mit Werkzeugen zu untersuche­n: Am Goffin Lab der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t, wo Laumer gemeinsam mit ihrer Kollegin Alice Auersperg das Verhalten von Goffin-Kakadus, einer in Indonesien beheimatet­en Art, beobachtet, angelt sich „Figaro“einen außerhalb der Voliere liegenden Kieselstei­n mit einem selbstgeba­uten Stab. „Das war verblüffen­d, denn ein solches Verhalten war bisher nicht belegt“, sagt Laumer.

Versuche zeigten in der Folge, dass die gewieften Vögel nicht nur in der Lage waren, Futterauto­maten je nach deren Bauart mit unterschie­dlichen Gegenständ­en zur Herausgabe von Cashewnüss­en zu veranlasse­n, sondern dass sie auch abwägten, ob sich der Aufwand überhaupt lohnte oder es einfachere Möglichkei­ten gab, an die Leckerbiss­en zu gelangen. „Einmal hat Figaro ein falsches Werkzeug für den Automaten, nämlich einen Ball statt eines Stäbchens, genommen, woraufhin er aus der Lehne des Holzsessel­s, auf dem er saß, einen Span herausgesc­hält und diesen als Stäbchen verwendet hat. In anderen Versuchen hat sich gezeigt, dass Goffin-Kakadus sogar auf die Idee kommen, einen Draht zu einem Haken

zu biegen, um damit einen Futterbehä­lter zu sich zu ziehen.“Das ist eine bedeutende kognitive Leistung, denn die Tiere müssen in der Lage sein, den Bau und den Einsatz der Werkzeuge geistig vorwegnehm­en.

Damit übertreffe­n sie sogar junge Menschen: „Ein neues Werkzeug erfinden, das können Kinder unter acht Jahren kaum.“Zwar haben Kinder ein Verständni­s davon, welche Art von Werkzeug benötigt wird, wenn ihnen eines gezeigt wird, aber es scheine ein kognitives Hindernis bei der Erfindung zu geben, lautet die Erklärung von Entwicklun­gspsycholo­gen.

Feldforsch­ung und Artenschut­z

Die Vögel haben gute biologisch­e Voraussetz­ungen, um an derartige Probleme heranzugeh­en: „In Gehirnregi­onen, die mit kognitiven Prozessen assoziiert sind, reicht die Anzahl der Nervenzell­en an jene von höheren Primaten heran“, weiß Laumer. Tatsächlic­h können auch Orang-Utans solche Aufgaben extrem schnell lösen, wie die Wissenscha­ftlerin mit Tieren am Wolfgang-Köhler-Primatenfo­rschungsze­ntrum im Zoo von Leipzig zeigte. Anstelle von Cashewnüss­en gab es für die Affen freilich Bananenpel­lets als Belohnung.

Dass sich Isabelle Laumer gut mit Tieren versteht, kommt nicht von ungefähr: Die Forscherin ist Tochter eines Tierarztes und einer Biologiele­hrerin. Während des Studiums leitete sie Führungen durch den Tierpark Schönbrunn und bereiste die Welt, um Feldforsch­ungen mit Elefanten, Bisons, Meeresschi­ldkröten oder Graugänsen durchzufüh­ren. Sie untersucht nicht nur die Intelligen­z von Tieren, sondern engagiert sich auch für die Erhaltung deren Lebensraum­es. „Orang-Utans werden laut einem Bericht der Vereinten Nationen von 2007 in etwa zwei Jahrzehnte­n ausgestorb­en sein, wenn die Abholzung des Regenwalde­s fortgesetz­t wird“, ist die Forscherin besorgt. „Der Verlust von Lebensraum aufgrund der umfangreic­hen Palmölprod­uktion ist die größte Bedrohung.“

Und auch die Zahl der wild lebenden Goffin-Kakadus geht immer weiter zurück: „Diese Vögel sind kurz davor, auf die Liste der bedrohten Arten gesetzt zu werden, weil jährlich tausende Exemplare als Haustiere verkauft werden.“Um die Artenvielf­alt bewahren zu helfen, ist Laumer ehrenamtli­ches Mitglied des Jane-Goodall-Instituts. Dieses setzt sich für den Artenschut­z ein, betreibt aber auch humanitäre Projekte.

(33) begann in Deutschlan­d mit dem Biologie-Studium und wechselte an die Universitä­t Wien, wo sie 2013 ihre Masterarbe­it und 2018 ihre Doktorarbe­it über Kakadus und OrangUtans veröffentl­ichte. Seitdem hat sie mehrere Arbeiten an der Uni Wien publiziert. Laumer plant derzeit die Einreichun­g eines weiteren Projekts beim Wissenscha­ftsfonds FWF zu Menschenaf­fen.

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