Lass uns doch Kollegen bleiben
Betriebsklima. Freundschaften am Arbeitsplatz steigern Motivation und Produktivität. Gleichzeitig bergen sie hohes Konfliktpotenzial. Denn oft endet das Work-Life-Blending im Streit.
Im Job wie im Privatleben kommt es auf die richtigen Beziehungen an. Denn wie man aus der Arbeitspsychologie weiß, ist ein gutes Verhältnis zu den Kollegen ein zentraler Faktor für gute Stimmung im Unternehmen. Die Notwendigkeit einer Unternehmenskultur, die ein gutes Betriebsklima fördert, gilt in Führungsriegen daher mittlerweile als Binsenweisheit.
Soziale Interaktionen innerhalb der Firma steigern Produktivität und Wohlbefinden. Jene, die freundschaftlich verbunden sind, unterstützen sich emotional, weisen auf Fehler hin, teilen wichtige Informationen und relativieren Kritik von Kollegen oder Vorgesetzten. Durch Empfehlungs-Recruiting erleichtern oder ermöglichen sie anderen gar einzelne Karriereschritte.
Feel-good-Management
Ein Beispiel für ein freundschaftliches und offenes Betriebsklima ist seit Langem der Online-Marktplatz Willhaben. Im Sinne eines Feel-good-Managements koordiniert dort ein eigener Corporate Culture Coordinator Aktivitäten zum Kennenlernen. „Freundschaft kann man nicht verordnen“, sagt Geschäftsführerin Sylvia Dellantonio, „was wir uns aber schon erwarten, ist eine offene Kultur dabei, wie Leute aufeinander zugehen.“Initiativen der Mitarbeiter wie Lauf-Events, gemeinsames Frühstück und Brettspielabende werden unterstützt. Ein BuddyProgramm soll den Einstieg in das 240-köpfige Team erleichtern.
Bei all der Gruppendynamik vergisst man jedoch schnell, dass Freundschaften am Arbeitsplatz in erster Linie „Zweckgemeinschaften“bleiben, wie Arbeitspsychologin Magdalena Parzer von der Gesellschaft kritischer Psychologen sie nennt. Ob Kollege oder Freund, sei zudem eine Frage der Definition: „Freundschaft ist ein Prozess, der sich entwickelt, der auch von der Dauer abhängt“, sagt Parzer.
Oft werde strategisches Netzwerken mit amikaler Verbundenheit gleichgesetzt, das aber lediglich „die Aspekte der Freundschaft für den eigenen Vorteil instrumentalisiert“. Befragungen von Führungskräften legen zudem schamlos offen, welche Motive hinter dem Teambuilding eigentlich stecken: Die offene, freundschaftliche Atmosphäre wird vor allem deshalb kultiviert, weil sie eine effiziente Form der Kontrolle schafft. Denn wer im Team zusammenarbeitet, öffnet sich für gegenseitige Transparenz.
Vermischung der Sphären
Trotz vieler positiver Effekte können berufliche Freundschaften auch negative Folgen haben: Das dadurch begünstigte Work-LifeBlending, also der fließende Übergang zwischen Privat- und Berufsleben, „kann zu einer Gefahr werden“, sagt die Psychologin. Bei Veränderungen (Kündigung, Beförderung, neue Kollegen) seien Interessenkonflikte vorprogrammiert. Die Idee der „Ersatzfamilie“findet auch Dellantonio unangebracht: „Freunderlwirtschaft tut keinem Unternehmen gut.“
Das Ziel sei die „Arbeit auf Augenhöhe“. Gerade auf unterschiedlichen Hierarchie-Ebenen scheint die Trennung beider Bereiche daher sinnvoll. „Es ist schon gut, wenn es eine gewisse Distanz gibt“, sagt Parzer. „Für den eigenen Schutz und die eigene psychische Gesundheit“sei es wichtig, auch außerhalb des Unternehmens ein soziales Netz zu haben.
Freundschaft und professionelles Business sind für Dellantonio kein Widerspruch: „Obwohl wir uns gut kennen und mögen, treffen wir Entscheidungen, die dem Geschäft dienen und nicht persönlichen Befindlichkeiten.“