Ein ruhiger Herbst sieht anders aus
Märkte. Von Sommerloch kann an der Börse keine Rede sein. Konjunkturindikatoren und der Handelskonflikt halten die Märkte in Atem. Es ist kaum Besserung in Sicht. Die kommenden Monate können turbulent werden. Ein Fahrplan.
Die Börsen sind turbulent: Konjunkturindikatoren und der Handelskonflikt halten die Märkte in Atem.
Wien. Wer nach Unterhaltung sucht, braucht den Fernseher erst gar nicht einzuschalten. Es reicht ein Blick auf die Kursbarometer an den Börsen. Dort war es in den vergangenen Wochen alles andere als ruhig. Erst dieser Tage kam es bei den großen Leitindizes zu einem gewaltigen Kursrutsch. Die Ängste der Marktteilnehmer sind zuletzt deutlich gestiegen, wenngleich die Volatilitätsindizes ihre bitteren Höchststände aus der Zeit der Finanzkrise noch nicht erreicht haben. Die geopolitische Gemengelage verspricht viel Spannung im zweiten Halbjahr, ein Überblick:
Handelskonflikt: Die USA und China haben in den vergangenen Wochen nicht unbedingt viel zu einer Deeskalation im Handelsstreit beigetragen. Teils ab September, teils ab Dezember sollen chinesische Waren im Volumen von 300 Mrd. Euro mit Zöllen belegt werden. Damit wären nahezu alle Einfuhren aus China von Tarifen betroffen. Die deutsche Industrie leidet bereits unter den Streitigkeiten, das Bruttoinlandsprodukt der Nachbarn ging im zweiten Quartal zurück. Die weltweite Konjunktur hat ihren Zenit überschritten. Die Frage ist bloß, wie kräftig der Rückgang ausfallen wird – und wie schnell er kommt.
Die Wahrscheinlichkeit einer US-Rezession steigt jedenfalls, wie ein Indikator der New York Fed (Probability of Recession indicator) zeigt. Er hat die Marke von rund 30 Prozent übersprungen, erstmals seit 2008. Für Aktien muss das kein Beinbruch sein, wenn man sich die Daten der vergangenen 60 Jahre ansieht. In sechs von zwölf Fällen, in denen diese Schwelle übersprungen wurde, konnte der S&P 500 in den darauffolgenden zwei Jahren um durchschnittlich 27 Prozent zulegen. Zuletzt deutete die inverse Zinskurve (siehe Artikel unten) darauf hin, dass es holprig werden könnte.
Viel wird dabei von den beiden größten Volkswirtschaften abhängen. Geht es nach US-Präsident Donald Trump, könnte der Handelskrieg ein rasches Ende finden. Da das Weiße Haus praktisch täglich mit neuen Ideen überrascht, ist sogar das möglich.
Auch wenn man ob der Spannungen der letzten Tagen seine Kursgewinne dahinschmelzen sah, hier ein kleiner Trost: Der August ist nach dem Juni der schwächste Börsenmonat, wie das Bankhaus Krentschker zeigt. Zwischen 2005 und 2019 kletterte der Weltaktienindex in diesem Monat bloß sechsmal ins Plus.
Geldpolitik: Die US-Notenbank Fed hat bei ihrer jüngsten Sitzung das vorgemacht, was nun alle von der EZB unter ihrem scheidenden Chef Mario Draghi erwarten – einen Konjunkturstimulus. Ob die Zentralbank in Frankfurt die Zinssätze im Herbst nun senkt oder das Anleihekaufprogramm wieder aufnimmt – untätig wird sie nicht bleiben. Auch in den USA könnte mit einem weiteren Zinsschritt nach unten zu rechnen sein. Bei der UBS glaubt man an eine Senkung im Dezember und an eine weitere im März 2020. Der Leitzinssatz könnte sich dann in einer Spanne zwischen 1,0 und 1,25 Prozent bewegen. Wie weit die Notenbanken gehen, wird auch davon abhängen, wie schlecht sich die Konjunktur tatsächlich entwickelt. Brexit: Inzwischen wird der Brexit derart auf die lange Bank geschoben, dass es schwerfällt, den Überblick zu bewahren. Vorerst merken sollte man sich ein Datum: den 31. Oktober. Ob die Briten dann ungeordnet aus der EU ausscheiden, der harte Brexit also Realität wird, oder es doch noch zu einem „Deal“kommt, lässt sich derzeit nicht seriös beantworten. Möglicherweise gibt es vorher noch ein Misstrauensvotum gegen Premierminister Boris Johnson. Die britische Notenbank sagt für heuer bereits ein geringeres Wachstum voraus, kürzlich fiel das Pfund auf ein Zehnjahrestief.
Italien: Italien ist schon länger ein Sorgenkind innerhalb der Eurozone, an den Finanzmärkten werden andere Themen derzeit aber heißer gespielt. Das kann sich bald ändern, schon kommende Woche zum Beispiel. Am Dienstag muss Premier Giuseppe Conte vor dem Parlament über die politische Krise berichten. Die Partei Lega von Innenminister Matteo Salvini hat die Einreichung eines Misstrauensantrags gegen den Regierungschef angekündigt. Offen ist, ob sich Conte dem Misstrauensvotum stellt, oder ob er seinen Rücktritt einreicht. Sollte Italiens Parlament noch bis Ende August aufgelöst werden, könnten Neuwahlen Ende Oktober stattfinden. Italiens Ex-Premier Renzi beklagt, dass in Italien die „verrückteste politische Krise der Welt“ausgebrochen ist.
Schwellenländer: Solange die Zinsen niedrig bleiben, müssen die Schwellenländer keine Kapitalabflüsse Richtung USA befürchten. Trotzdem gibt es da wie dort lokale Unsicherheiten. Argentiniens Börse erlebte vergangene Woche einen Kurssturz von 40 Prozent. Die Staatsanleihen gelten inzwischen als hoch spekulativ. Die Vorwahlen zu den Präsidentschaftswahlen gingen nicht so aus wie erwartet.
Brasilien wiederum steuert in diesem Jahr auf eine Rezession zu, weshalb die Notenbank bereits Zinssenkungen eingeläutet hat. So unterschiedlich die Probleme der Emerging Markets auch sein mögen, vergessen sollte man sie beim Investieren nicht.