Salvinis gefährliches Spiel
Regierungskrise in Italien. Schicksalswoche in Rom: Am Dienstag debattiert der Senat über ein Misstrauensvotum gegen Regierungschef Conte. Gelingt Innenminister Salvini der Griff nach der Macht?
Rom. Das kommt davon, wenn man Senatoren kurzerhand aus den Ferien holt: Statt einer politischen Debatte um die Regierungskrise des Landes schien die drängendste Frage der vergangenen Tage in Rom zu sein, welcher Politiker nun am braungebranntesten ist. Auch die Medien griffen die Frage freudig auf, schrieben am nächsten Tag vom „gebräuntesten politischen Anführer in der Geschichte Italiens.“
Vizepremier und Innenminister Matteo Salvini ist seit Wochen bereits wieder im Wahlkampfmodus. Während einer Sommertour durch die Strandbäder des Landes gibt er den nahbaren Volksvertreter mit Bauchansatz. Dabei hat Salvini das Land gerade in eine schwere politische Krise gestürzt: Der Chef der rechten Lega und aktuelle Juniorpartner in der Koalition mit der Fünf-SterneBewegung hat die gemeinsame Regierung am 8. August überraschend platzen lassen. Wie es nun weitergeht, wird sich wohl in dieser Woche klären, wenn Noch-Ministerpräsident Giuseppe Conte sich am Dienstag der Debatte im Senat stellt.
Erfolg mit EU-feindlichen Parolen
Ein mögliches Szenario sollte vor allem bei den EU-Partnern die Alarmglocken schrillen lassen: Schnelle Neuwahlen und ein daraus resultierender Ministerpräsident mit dem Namen Matteo Salvini. Mit seinen EU-feindlichen Parolen konnte er schließlich bereits bei der Europawahl Ende Mai 34 Prozent der Italiener von sich und seiner Lega-Partei überzeugen, doppelt so viele wie bei den Parlamentswahlen 2018. Diese Zustimmung, die sich auch in den aktuellen Umfragen widerspiegelt, will sich Salvini nun in politische Macht umwandeln lassen. Derzeit stellt seine Lega schließlich nur 17 Prozent der Abgeordneten.
Droht damit der EU nach dem Brexit gleich das nächste Ausstiegs-Szenario? Noch sind die Töne Salvinis gegenüber Europa recht gemäßigt, noch gilt es, die interne Krise zu lösen. Doch das Wort „Italexit“schwebt bereits schon jetzt wie ein Damoklesschwert über der Europäischen Union. Ex-Ministerpräsident Paolo Gentiloni vom sozialdemokratischen Partito Democratico warnte in den vergangenen Tagen bereits: Salvini wolle sich nur zum Ministerpräsidenten wählen lassen, um dann Italien aus dem Euro zu führen.
Gemunkelt wird seit langem, dass geheime Pläne bestünden, in einer Nacht- und Nebelaktion die Geldautomaten statt mit Euro- mit neuen Lira-Scheinen zu bestücken. Alles nur Gerüchte, Verschwörungstheorien? Mit Sicherheit kann das derzeit niemand sagen.
Euro-Austritt als Drohung
Doch zum Wahlkampfthema dürfte ein „Italexit“Salvini nicht taugen. Eine solche Linie wäre für die Lega zu riskant: Die Stammwähler der aktuell ältesten Partei im italienischen Parlament finden sich im wirtschaftlich starken Norden des Landes. Darunter sind viele Unternehmer, die eng mit Europa verbunden und auf funktionierende wirtschaftliche Zusammenarbeit und den Export angewiesen sind. Wahrscheinlicher ist daher, dass der Lega-Chef – sollte er nach Neuwahlen Ministerpräsident werden – einen Euro-Austritt seines Landes als Drohung in den Verhandlungen mit Brüssel auf den Tisch legen würde.
Der 46-Jährige fordert seit Wochen für 2020 einen Haushalt, der ein Defizit von mehr als drei Prozent bedeuten würde. Er verspricht den Italienern eine „Flat-Tax“, einen einheitlichen Steuersatz von 15 Prozent, und erklärt, auf die europäischen Regeln pfeifen zu wollen. Die Haushaltsverhandlungen müssen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Die neue EU-Kommission bildet sich erst im November. Es bleibt abzuwarten, wie stark sie sich in dieser Findungsphase gegen Salvini positionieren kann.
Kommt der Anti-Salvini-Pakt?
Noch ist der Lega-Chef aber nicht am Ziel. Er könnte sich dieses Mal nämlich mächtig verrechnet haben. Nicht nur, was den Zeitpunkt der Krise angeht – viele Italiener nehmen ihm übel, dass er ihnen den wohlverdienten Sommerurlaub mit Politik verhagelt hat. Auch hat er Ministerpräsidenten Giuseppe Conte und Matteo Renzi vom Partito Democratico gehörig unterschätzt.
Denn ein Anti-Salvini-Pakt zwischen dem sozialdemokratischen Partito Democratico und der Fünf-Sterne-Bewegung, Salvinis bisherigem Koalitionspartner, scheint immer wahrscheinlicher. Eine solche Regierung könnte sich ohne Neuwahlen mit den aktuellen Mehrheiten bilden – und würde Salvini erst einmal in die Opposition verbannen.