Verdacht gegen Strache nur schwach?
Casinodeal. Die Hausdurchsuchungen wegen eines angeblichen Deals um die Bestellung eines Vorstands bei den Casinos Austria zeigt: Die Justiz greift erstaunlich leichtfertig in Grundrechte ein.
Hausdurchsuchung wegen Postenbesetzung bei Casinos Austria deutet auf leichtfertigen Umgang mit Grundrechten hin, meint Glücksspielrechtsexperte Walter Schwartz.
Wien. Die „Casinoaffäre“schlägt die Republik in ihren Bann: In einer konzertierten Aktion hat das Bundeskriminalamt bei freiheitlichen (Ex-)Politikern und anderen Personen Hausdurchsuchungen durchgeführt. Der Verdacht? Der Glücksspielkonzern Novomatic habe maßgebliche Amtsträger der FPÖ bestochen: Für die „parteiische Vergabe“unter anderem einer „nationalen Online-Gaming-Lizenz“an die Novomatic sei der freiheitliche Bezirksrat Peter Sidlo zum Vorstand der Casinos Austria (Casag) gemacht worden. Es habe einen „Deal: Sidlo gegen Glücksspiellizenzen“gegeben.
Unerhört! Die üblichen Berufserregten verfallen in Schnappatmung, ein weiterer Beweis für „gekaufte Politik“und „korrupte Parteien“scheint erbracht.
Verquere anonyme Anzeige
Was im Wahlkampfgetöse untergeht, ist das eigentlich Bedenkliche: Wie leicht kommt man in dieser Republik eigentlich zu einem Hausdurchsuchungsbefehl? Reicht jede verquere Behauptung in einer anonymen Anzeige aus, um ins verfassungsgesetzlich geschützte Hausrecht einzugreifen? Hätten die beteiligten Staatsanwältinnen und die genehmigende Richterin nicht ein wenig sorgfältiger die Substanz – besser noch: die rechtliche Möglichkeit – des behaupteten „Deals“prüfen müssen?
Nehmen wir nur den Verdacht, die FPÖ hätte der Novomatic eine „Online-Gaming-Lizenz“versprochen. Davon gibt es in Österreich eine einzige (§ 14 Abs 1 Glücksspielgesetz), und die ist bis 2027 an die Casag vergeben. Für eine weitere Lizenz müsste das Gesetz geändert werden: Die angeblich bestochenen FPÖ-Politiker hätten zunächst ihren türkisen Koalitionspartner davon überzeugen müssen, das GSpG zum Nachteil der Casag zu ändern – was angesichts des Umstands, dass die Generaldirektorin der Casag gemeinhin der ÖVP zugerechnet wird, nicht ganz einfach sein dürfte. Selbst wenn sich aber im Parlament die nötige Mehrheit fände, müsste gegenüber dem EuGH gerechtfertigt werden, warum man nun vom – seit Jahrzehnten treuherzig mit Spielerschutz begründeten, angeblich alternativlosen – Monopol abgeht und eine weitere Konzession zulässt. Ganz zu schweigen davon, dass die Casag gute Argumente hätte, einen derartigen Eingriff in ihre bisherige Monopolstellung vor dem Verfassungsgerichtshof zu bekämpfen (Vertrauensschutz).
Damit nicht genug. Selbst wenn es gelänge, das GSpG abzuändern, müsste eine zweite Lizenz im Rahmen einer „öffentlichen Interessentensuche“EU-weit ausgeschrieben werden. Jeder Interessent, der nicht zum Zug kommt, könnte gegen die Vergabe dieser Lizenz an die Novomatic Beschwerde erheben; der Rechtsmittelzug geht über das Bundesverwaltungsgericht zum Verfassungsund/oder Verwaltungsgerichtshof, allenfalls auch zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Es hätte daher bei Weitem nicht nur eines Fingerschnippens freiheitlicher Amtsträger bedurft, um eine Online-Gaming-Lizenz zu bekommen. Vielmehr hätte zuerst der Koalitionspartner überzeugt, dann hätte das Gesetz geändert, dann die Lizenzvergabe EU-weit bekannt gemacht und in einem transparenten, nicht diskriminierenden Verfahren vergeben werden müssen – und dann müssten auch noch so ziemlich alle Rechtsschutzinstanzen, die dieses Land und Europa aufzubieten haben, die Rechtmäßigkeit dieser Vergabe bestätigen. Dafür soll ein vermögenswerter Vorteil angeboten worden sein?
Was soll der Vorteil sein?
Und was ist das überhaupt für ein Vorteil? Ein Bezirksrat der FPÖ wird dritter Vorstand der Casag – jenes Unternehmens, das durch eine zweite Lizenz wegen des Wegfalls seiner Monopolstellung erheblich an Wert verlieren würde. Wäre es nicht besser gewesen, diesem Bezirksrat einen Vorstandsposten in der Novomatic anzubieten? Dann würde er sich seinem Arbeitgeber gegenüber wenigstens nicht der Untreue schuldig machen, wenn er für eine zweite Online-Gaming-Lizenz lobbyiert.
Im Österreich des Jahres 2019 reicht diese Erzählung aus einer – anonymen! – Anzeige aus, um Hausdurchsuchungen anzuordnen. Vergessen ist die Einsicht, dass Strafrecht eine Annexmaterie ist: Um beurteilen zu können, ob ein Verhalten strafbar ist, muss das jeweilige Materiengesetz geprüft werden. Ein vertiefender Blick ins GSpG hätte gezeigt, dass der „Deal: Sidlo gegen Glücksspiellizenzen“derzeit schlicht rechtlich unmöglich und auch in Zukunft politisch unwahrscheinlich ist. Was sagt uns das aber über den behaupteten „gravierenden Tatverdacht“, der zur Anordnung von Hausdurchsuchungen geführt hat? Cui bono?