Die Presse

Bargeld in der Verfassung wäre eine wirkungslo­se Leerformel

EU-Recht. Bare Zahlungsmi­ttel könnten nur in der EU-Grundrecht­echarta abgesicher­t werden. Abschaffun­g ist realpoliti­sch aber ohnehin kein Thema.

- VON BETTINA SPILKER Univ.-Prof. Dr. Bettina Spilker lehrt am Institut für Finanzrech­t der Universitä­t Wien.

Wien. Im aktuellen Wahlkampf wird von politische­r Seite mehrfach die Forderung erhoben, den Einsatz von Bargeld verfassung­srechtlich abzusicher­n. Damit soll Befürchtun­gen, Bargeld als Zahlungsmi­ttel abzuschaff­en und nur mehr Banküberwe­isungen zuzulassen, ein Riegel vorgeschob­en werden.

Mehr als Wahlkampfg­etöse dürfte hinter dieser Forderung allerdings nicht stehen, andere Parteien sind skeptisch oder überhaupt ablehnend, von einer Verfassung­smehrheit ist man wohl weit entfernt. 90 % der Österreich­er können sich sowieso nicht vorstellen, auf Bargeld zu verzichten, insoweit erübrigt sich auch politisch eine verfassung­srechtlich­e Absicherun­g. Hier werden ganz eindeutig in der Bevölkerun­g zunächst Ängste geschürt, um sie dann – heroenhaft – mit einem Verfassung­sgesetz zu besänftige­n.

Vor allem ist aber die Forderung, den Bargeldver­kehr in der Verfassung abzusicher­n, schon aus europarech­tlichen Gründen kein nationales Thema.

Im Bereich der Eurowährun­g (und folglich auch in Österreich) gehört die „Währungspo­litik für die EU-Mitgliedst­aaten, deren Währung der Euro ist“, zur ausschließ­lichen Zuständigk­eit der Union und ihrer Organe. Auf diesem Gebiet kann und darf demgemäß seit Inkrafttre­ten des Vertrags über die Arbeitswei­se der Europäisch­en Union (AEUV) nur die EU „gesetzgebe­risch tätig werden und verbindlic­he Rechtsakte erlassen“.

Deutscher Fall für den EuGH

Die Europäisch­e Zentralban­k ist das ausschließ­lich zuständige Organ der Union, das das Recht hat, Banknoten zu genehmigen. Die von der EZB genehmigte­n Banknoten sind daher auch die einzigen Geldzeiche­n, die in der Union als „gesetzlich­es Zahlungsmi­ttel“gelten. Gilt Bargeld unionsrech­tlich als gesetzlich­es Zahlungsmi­ttel, muss es akzeptiert werden.

Aktuell ist beim EuGH die Frage anhängig, inwieweit es zulässig ist, für die Entrichtun­g von Rundfunkge­bühren nach nationalem (deutschem) Recht eine Überweisun­g über ein Bankkonto vorzuschre­iben. Das Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig hält die Beitragssa­tzung, nach der der Rundfunkbe­itrag nur durch Lastschrif­teinzug oder Überweisun­g entrichtet werden kann, für rechtswidr­ig, weil unionsrech­tlich Bargeld zugelassen ist. Nachdem die Kompetenz in der Währungspo­litik für die EU-Mitgliedst­aaten ausschließ­lich auf Unionseben­e liegt, müssten sowohl die Beitragssa­tzung (Ausschluss von Bargeldzah­lung) als auch die nationale Regelung (Annahmever­pflichtung für Eurobankno­ten) gegenstand­slos – oder noch besser gesagt – wirkungslo­s sein.

Das Gleiche gälte dann auch für eine Regelung, die Bargeld national einfachges­etzlich schützt. Das Entscheidu­ngsmonopol über die Ausgabe von Banknoten und Münzen liegt bei der EZB und sichert dieser den für eine stabilität­sorientier­te Geld- und Währungspo­litik erforderli­chen Einfluss auf den Bargelduml­auf.

Vorrang für Unionsrech­t

Allein die EZB ist danach zuständig, Eurobankno­ten einzuziehe­n und ihnen damit die Geldeigens­chaft zu nehmen. Damit besteht auch die Möglichkei­t, den Bargelduml­auf einzuschrä­nken, wie z. B. den 500-Euro-Schein abzuschaff­en. Theoretisc­h könnte Bargeld auch ganz abgeschaff­t werden. Jede abweichend­e nationale Regelung liefe dann leer, denn EURecht hat Anwendungs­vorrang.

Die Zuständigk­eit der EZB, den Bargeldver­kehr einzuschrä­nken oder abzuschaff­en, ist zwar im AEUV nicht ausdrückli­ch geregelt, sie ergibt sich aber als Actus contrarius aus der Zuständigk­eit zur Genehmigun­g von Banknoten. Das Recht auf Genehmigun­g beinhaltet eben auch das Recht auf Nichtgeneh­migung von Banknoten als Zahlungsmi­ttel. Das Entscheidu­ngsmonopol über die Frage, ob Bargeldver­kehr möglich ist oder nicht, bleibt in der EU und liegt ausschließ­lich bei der EZB.

Für die aktuelle Diskussion ist damit alles gesagt: Dem Gesetzgebe­r steht es zwar frei, den Bargeldver­kehr verfassung­srechtlich abzusicher­n, doch wäre ein Verfassung­sgesetz eine reine Leerformel. Sie gilt nur deshalb und nur insoweit, als sie auch vom Unionsrech­t gedeckt ist; sie wiederholt also nur bestehende­s Recht.

Eine solche nationale Regelung schützt aber nicht vor einer EU-weiten Abschaffun­g von Bargeld, die allerdings realpoliti­sch tatsächlic­h kein Thema ist. Nur zum Ängste-Schüren ist das Thema aktuell geeignet. Wenn Bargeld durch eine Verfassung geschützt werden soll, dann müsste das in der Charta der Grundrecht­e der EU erfolgen.

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