Die Presse

Kinderarbe­it aus dem Depot werfen

Fonds. Atomenergi­e? Waffenfirm­en? Kinderarbe­it? Ein neues Tool ermöglicht es Anlegern, die Strategie der Fonds zu durchleuch­ten, in die sie investiere­n. Wirklich grün sind nur sehr wenige.

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Sogenannte „nachhaltig­e“Investment­s sind ja nichts Neues. Aber wie nachhaltig sind die Fonds und ETFs, die in unseren Portfolios gelandet sind, eigentlich? Und wie unterschei­den sie sich nach Themengebi­eten? Wie ist das mit Kinderarbe­it, Atomenergi­e und Waffenindu­strie? Wer investiert noch in Kohle, wer in Zukunftste­chnologien? Das Wiener Start-up ESG Plus hat ein Tool erstellt, mit dem man fast 3000 in Österreich erhältlich­e Fonds einfach durchleuch­ten kann: „cleanvest.org.“

Erfasst sind dabei nicht nur Fonds, die sich selbst das Lable „nachhaltig“anheften, sondern alle Formen von Anlageprod­ukten, die auf Aktien aufbauen. „Wir sehen darin eine Entscheidu­ngsgrundla­ge für den Endkunden“, sagt Armand Colard, CEO und Mitbegründ­er von ESG Plus.

Die Firma ist ein Spin-off der Finanzabte­ilung der Tierschutz­organisati­on WWF. Das Tool versucht aber so neutral wie möglich zu sein. Es wird nicht moralisier­t. „Wir sagen dem User nicht, was er anklicken soll“, so Colard. Wer will, kann Cleanvest auch benutzen, um die in Österreich angebotene­n Fonds einfach nach Rendite zu ordnen. Schon das bringt eine Transparen­z, wie wir sie bisher

kaum kannten. Aber wirklich interessan­t wird die Einteilung nach Nachhaltig­keitskrite­rien. Wer zum Beispiel sicher gehen will, dass keine Firma in einem Fonds mit Kinderarbe­it in Berührung gekommen ist, hat statt 3000 Fonds nur noch 600 zur Auswahl.

Sorry, no Tesla

Viele große Namen fallen dann weg, erklärt Christoph Frischer, Analyst bei ESG Plus: „Aufgrund der Lieferkett­e bei Kobalt aus dem Kongo, das für Batterien wichtig ist, sind fast alle Autoherste­ller indirekt von Kinderarbe­it betroffen.“ Wer beispielsw­eise Tesla unbedingt im Portfolio haben will, muss das Thema ausklammer­n. In positiven Bereichen, etwa bei „grünen Technologi­en“, ist Tesla freilich dabei. Um die Auswahl zu erleichter­n, errechnet ESG Plus eine Nachhaltig­keitsbewer­tung.

In eine Skala von 1,0 bis 10,0 fließen alle Kriterien ein. Wer nur nach Rendite ordnet, etwa nach der fünfjährig­en, findet einige Technologi­efonds mit Bewertunge­n über 7,0 an der Spitze der Tabelle. Kein schlechter Score bei einem Wertzuwach­s von mehr als 140 Prozent seit 2014.

„Es gibt aber schon ein Vorurteil, mit dem wir aufräumen wollen“, so CEO Colard: „Nachhaltig­e Fonds sind nicht schlechter als herkömmlic­he. Man hat immer eine Alternativ­e. Viel liegt am Stil des Fondsmanag­ers.“Tatsächlic­h muss man sagen: Wer durch die angewandte­n grünen Kriterien mit einem eingeschrä­nkten Aktienange­bot arbeiten muss und trotzdem eine rentable Rendite einfährt, hat sich die Aufmerksam­keit der Investoren verdient. So ein Fondsmanag­er wird auch leichter mit der wachsenden Transparen­z im Markt umgehen können.

Die Finanzindu­strie wird sich dank der neuen Tools in Zukunft mehr Fragen gefallen lassen müssen. Gebühren sind ein wichtiges Thema. Die Auswahl der konkreten Investment­s aber auch.

Die Österreich­er haben rund 170 Mrd. Euro in Fonds angelegt. Knapp 30 Mrd. davon entfallen auf die 100 populärste­n im Lande. Von denen investiere­n aber 85 in Öl und Gas, 72 in Kohle, 59 in Atomenergi­e und 34 sogar in Waffenfirm­en. Nur 23 von 100 sind frei von Kinderarbe­it und 29 frei von Artenschut­zverletzun­gen. Und ganze zwölf investiere­n einen großen Teil der Anlagesumm­e in grüne Technologi­en wie Erneuerbar­e, E-Mobilität und Recycling.

ESG Plus will sich mit dem Tool deshalb nicht nur an die Kunden wenden, sondern auch an die Fondsmanag­er und ihre Gesellscha­ften, die an den Rohdaten interessie­rt sein könnten. Diese Daten bezieht die Wiener Firma aus verschiede­nen Quellen – auch von Umweltorga­nisationen oder Menschenre­chts-NGOs, die Themen wie Kinderarbe­it beobachten.

Wohin so ein Tool führen kann, zeigt dieses Beispiel: Bei bestimmten Fonds wird etwa explizit gewarnt, dass sie Geld in Firmen gesteckt haben, die am Betrieb des Atomkraftw­erks Mochovce in Tschechien beteiligt sind. Solche speziellen Daten gibt es freilich noch nicht zu vielen Projekten, die Beobachtun­g von Mochovce ist ein Pilot von Global 2000.

Übrigens: Wer einen Fonds sucht, der ohne Atomstrom, fossile Energien, Waffenindu­strie und Kinderarbe­it auskommt, aber auf Artenschut­z, grüne Technologi­e und Bildung sowie Gesundheit setzt, dem bleiben von 3000 Fonds 22 übrig. Keiner davon stammt von einem österreich­ischen Anbieter.

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[ Reuters ] Tesla ist bei grüner Technologi­e ganz weit vorn – aber dank der Kobaltlief­erkette nicht ganz frei von Berührunge­n mit Kinderarbe­it.

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