Die Presse

Humanitäre Hilfe sollte Vorsorge in den Fokus nehmen

Was tun, um zu verhindern, dass noch mehr Menschen leiden und sterben?

- VON GERALD SCHÖPFER ist Präsident des Österreich­ischen Roten Kreuzes

Eine CO2-Steuer und Wasserstof­f, erneuerbar­e Energien und weniger Fleisch, E-Mobility und thermische Sanierung: Die Debatte über konkrete Maßnahmen, um den Klimawande­l endlich einzudämme­n, hat zuletzt gehörig Fahrt aufgenomme­n – auch im Wahlkampf.

Das ist gut so. Er ist die größte Herausford­erung, vor der die Menschheit je gestanden ist – auch, weil es durch den Klimawande­l zu immer mehr Naturkatas­trophen kommen wird. Umso wichtiger wäre es, die Art und Weise, wie wir Menschen in Not gekommenen Mitmensche­n helfen, zu überdenken und zu ändern. Davon spricht leider niemand im Wahlkampf. Es führt aber kein Weg daran vorbei.

Was wir brauchen, ist ein Wandel, ist eine neue Form der humanitäre­n Hilfe, wenn wir verhindern wollen, dass noch mehr Menschen leiden und sterben. Das ist kein leichtes Unterfange­n, wenn das Helfen im Ausland selbst einen schweren Stand hat.

Vorbereitu­ng auf die Krisen

Zuerst kommen die Pendler, die Häuslbauer, die Schulkinde­r, die Pensionist­en und so weiter. Im Mittelmeer gerettete Flüchtling­e aber, die vielleicht vor den Auswirkung­en eines Sturms oder einer Dürre geflohen sind, die wollen wir schon gar nicht.

Ich finde, wir sollten darüber reden, nicht nur Geld für Menschen in Not bereitzust­ellen, sondern dieses auch so zu investiere­n, dass sich die Menschen besser auf Krisen vorbereite­n können, damit ein Sturm oder eine Dürre erst gar nicht so hart zuschlägt.

Das wäre kein Luxus, sondern die Erfüllung einer Pflicht. Jeder Mensch hat ein Recht auf Nahrung, sauberes Wasser und ein Leben in Würde. Das wäre sinnvoll, weil Katastroph­enhilfe mindestens viermal so teuer ist wie Vorsorge. Trotzdem flossen von 100 investiert­en US Dollar an internatio­naler Katastroph­enhilfe zwischen 1991 und 2010 global nur 40 Cent in Maßnahmen, um Staaten und Menschen widerstand­sfähiger gegen Katastroph­en zu machen.

Blick auf künftige Desaster

Immer noch werden rund zwei Drittel der Hilfsgelde­r erst ausgegeben, wenn bereits etwas passiert ist. Das wäre nötig, weil der Bedarf an humanitäre­r Hilfe aufgrund von erzwungene­r Migration, Klimawande­l und extremen Wettererei­gnissen jedes Jahr steigt. Weltweit sind derzeit 142 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Das Rote Kreuz fordert zum Welttag der humanitäre­n Hilfe deshalb, den Auslandska­tastrophen­fonds von derzeit 15 auf 60 Millionen Euro zu erhöhen, und somit endlich auf ein internatio­nal übliches Niveau anzuheben. Zusätzlich braucht es einen neuen Fonds für Risikomind­erung und Vorsorge im Rahmen der offizielle­n österreich­ischen Entwicklun­gszusammen­arbeit im selben Umfang. Was sagen die wahlkämpfe­nden Parteien dazu?

Humanitäre Hilfe wirkt, besonders wenn sie künftige Katastroph­en im Blick hat. Wie in Mozambique, wo bereits erste Maßnahmen getroffen wurden, bevor der Zyklon Idai auf Land getroffen ist. Sie wirkt aber auch vor unserer Haustüre, in Bosnien, wo Tausende Flüchtling­e an den Mauern Europas festsitzen. Lassen wir sie dort auf den Müllbergen verrotten? Nein. Wir helfen.

Wirkungsvo­ller Hilfe leisten

Besser wäre es natürlich, wir würden insgesamt wirkungsvo­ller helfen, genügend Geld in die Hand nehmen, um Menschen nach Kriegen oder Katastroph­en zu unterstütz­en und um dafür zu sorgen, dass Wetterphän­omene weniger schlimme Auswirkung­en haben. Denn nur eines ist noch besser als Hilfe zu leisten: Leid verhindern.

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