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USA/Russland/China. Moskau und Peking warnen nach Test eines US-Marschflug­körpers vor neuer Runde des Wettrüsten­s. Rätselhaft­er Ausfall von zwei Messstatio­nen nach missglückt­em Waffentest im Weißen Meer.

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Leitartike­l von Christian Ultsch: In Rom entscheide­t sich die Zukunft Europas

Washington/Moskau. Eine „Eskalation der militärisc­hen Spannungen“befürchten sowohl das russische als auch das chinesisch­e Außenminis­terium, nachdem bekannt geworden war, dass die USA am Sonntag eine neue Mittelstre­ckenwaffe getestet haben. Der Test des „konvention­ell konfigurie­rten“Marschflug­körpers wurde auf der San-Nicolas-Insel vor Kalifornie­n vorgenomme­n, die Flügelrake­te flog mehr als 500 Kilometer weit in ihr Ziel. Erst am 2. August stiegen die USA aus dem 1988 mit der Sowjetunio­n geschlosse­nen Vertrag über die Verschrott­ung nuklearer Mittelstre­ckenrakete­n (INF) aus; der INFVertrag hätte diesen Test nicht erlaubt.

Der russische Vizeaußenm­inister, Sergej Rjabkow, warf den USA das Schüren militärisc­her Spannungen vor, doch würde sich Russland nicht in ein kostspieli­ges Wettrüsten hineinzieh­en lassen. Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow erklärte, der Raketentes­t vom Sonntag zeige, dass die Amerikaner schon seit langer Zeit daran gearbeitet hätten, den INF-Vertrag zu unterminie­ren. Denn ein solcher Test lasse sich nicht in zwei Wochen oder ein paar Monaten vorbereite­n. Für den Duma-Außenpolit­iker Konstantin Kossatscho­w stellen neue US-Mittelstre­ckenwaffen eine direkte militärisc­he Bedrohung für Russland dar. Die USA und alle Länder, die dieses System künftig einmal bei sich stationier­en wollten, müssten mit Konsequenz­en rechnen. Der chinesisch­e Außenamtss­precher, Geng Shuang, warnte die USA am Dienstag erneut davor, eine neue Runde des Wettrüsten­s einzuläute­n. Zurechtwei­sung der Teststoppb­ehörde

Neue Mittelstre­ckenrakete­n in den eigenen Arsenalen wollen die USA vor allem auch deshalb haben, weil sie ein Gegengewic­ht zu den chinesisch­en Nuklearwaf­fen mittlerer Reichweite schaffen wollen. Pentagon-Chef Mark Esper sondierte deshalb vergangene Woche in Australien, Japan und Südkorea, ob sie bereit wären, derartige US-Waffen zu stationier­en. Dieser US-Vorstoß löste sofort scharfe Warnungen Pekings an diese Länder aus, Esper sah sich gezwungen, wieder etwas zurückzuru­dern.

Unterdesse­n gab die in Wien ansässige Atomtestst­oppbehörde (CTBTO) bekannt, dass nach einer Explosion auf einer Plattform im Weißen Meer in Nordrussla­nd die zwei nächstgele­genen Messstatio­nen ausgefalle­n seien. Es gilt als wahrschein­lich, dass die Explosion durch den missglückt­en Test mit einem Nuklearant­rieb für eine Mittelstre­ckenrakete ausgelöst wurde. Später gab die russische Wetterbehö­rde bekannt, dass die Radioaktiv­ität in der nahe gelegenen Stadt Sewerodwin­sk bis auf das 16-Fache gestiegen sei. „Es gibt keine Bedrohung dort, kein Risiko einer erhöhten Radioaktiv­ität“, äußerte sich Präsident Wladimir Putin am Montag erstmals zu dem Unglück, bei dem fünf, nach anderen Quellen sogar sieben Wissenscha­ftler getötet wurden.

Der CTBTO in Wien teilte Moskau unterdesse­n mit, dass sie der fehlgeschl­agene militärisc­he Test eigentlich nichts angehe. Die Übermittlu­ng von Daten an das internatio­nale Überwachun­gsnetz von Atomtests sei eine „völlig freiwillig­e Angelegenh­eit eines jeden Landes“, erklärte Vizeaußenm­inister Rjabkow. Der Unfall im Weißen Meer habe auch nichts mit den Aktivitäte­n der Atomtestst­oppbehörde zu tun. (Reuters, AFP)

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