Wie Politiker baden gehen, verrät uns alles über ihr Land
Salvini in Hausmeister-Pose, Macron in der Trutzburg, Merkel in Sack und Asche: Der Urlaub der Mächtigen ist ein Spiegel politischer (Un)Kultur.
Wir Österreicher müssen an uns leider einen Hauch von Heuchelei feststellen.
Manche mögen’s derb, zumal die Italiener. Matteo Salvini inszeniert seinen Urlaub in Milano Marittima als populäres Spettacolo. Die Macht ist im Sommer auf Sand gebaut. Der prominenteste Politiker hält Hof wie ein Hausmeister, mit nacktem Oberkörper und BierbauchAnsatz. In Badehose und Flip-Flops sprengt der rechte Volkstribun von der Spiaggia aus seine Regierung in die Luft. Dazwischen trinkt er Mojito an der Bar des Papeete Beach, umringt von Go-go-Tänzerinnen im Bikini, fährt Gokart und nimmt die obligate Selfie-Parade ab, sogar im Wasser.
Weiter draußen flitzt derweil der Sohnemann auf einem Jetski der Polizei herum, mit einem eigens abgestell
ten Ordnungshüter. So wollte es der Innenminister, Salvini senior. Ein flotter kleiner Machtmissbrauch, der immerhin eine „piccola polemica“auf der Politbühne auslöst. Wie auch die Kumpanei mit Casanova. Dass der Besitzer des auserkorenen Strandbades ein Spezi von Salvini ist, hat ihm ein Mandat im Europaparlament beschert. Nebst einem Gesetz, das Stabilimenti-Pächter, die einst viel zu billig zu ihrer Konzession gekommen sind, vor einer Neuausschreibung bewahrt. Politik all’italiana, so unverdaulich wie eine Flasche Olivenöl ex.
Wir flüchten ins Fort de Bregan-´ con.¸ Um Welten nobler geht es auf dem staatlichen Sommersitz des französischen Präsidenten zu! In einer unwirtlichen Trutzburg, in stolzer Einsamkeit am Meer, residiert Macron, wie einst schon Napoleon, und empfängt Staatsgäste, etwa Putin. Im Arbeitszimmer hängen, auf einem zu groß geratenen Gestell, die Fahnen Frankreichs und Europas. Leger ist das nicht, aber dem Quasimonarchen bleibt keine Wahl bei Destination und Stil. Als sein Vorgänger Hollande einen auf demokratisch machen wollte, mit Sonnenbrand und Schweißflecken auf dem Leiberl, rauschten seine Umfragewerte in den Orkus. Also zurück zum Zeremoniell – die Gelbwesten müssen als Reserve-Revolutionäre ja jederzeit wissen, wo sie ihren Reserve-Kaiser stürzen können.
Wie angenehm bescheiden sind da doch die Deutschen! Einmal abgesehen von ihrem Expansionsdrang, den sie nicht mehr militärisch, aber touristisch ausleben. Auch Merkel urlaubt fern der Bundesrepublik. Ob auf Ischia, La Gomera oder in Südtirol: Stets erteilt die Kanzlerin, in denkbar unglamouröse Wanderklamotten gehüllt, fast wie einst Pilger in Sack und Asche, ihrem Gastland und seinen Paparazzi eine Lektion in Sachen Bescheidenheit. Sparen! Keine Schulden machen! Immer artig bleiben! Aber ach: Keine Hoffart ist schlimmer als solch zur Schau getragene Demut.
Ja, und da wäre noch Österreich. Wir müssen an uns leider einen Hauch von Heuchelei feststellen. Unsere Politiker gerieren sich als Patrioten, die nur auf Alpengipfeln und an heimischen Seen selig werden, und flüchten dann vor ihrer eigenen Biederkeit ins Ausland, bis nach St. Tropez. Und wir, das Publikum, regen uns fürchterlich darüber auf. Dabei haben wir oft genug gepredigt, es sei reine Privatsache, wie ein Politiker urlaubt. Auch wenn es, siehe oben, so viel über sein Land und dessen Leute verrät.