Die Presse

Wie Politiker baden gehen, verrät uns alles über ihr Land

Salvini in Hausmeiste­r-Pose, Macron in der Trutzburg, Merkel in Sack und Asche: Der Urlaub der Mächtigen ist ein Spiegel politische­r (Un)Kultur.

- VON KARL GAULHOFER karl.gaulhofer@diepresse.com

Wir Österreich­er müssen an uns leider einen Hauch von Heuchelei feststelle­n.

Manche mögen’s derb, zumal die Italiener. Matteo Salvini inszeniert seinen Urlaub in Milano Marittima als populäres Spettacolo. Die Macht ist im Sommer auf Sand gebaut. Der prominente­ste Politiker hält Hof wie ein Hausmeiste­r, mit nacktem Oberkörper und BierbauchA­nsatz. In Badehose und Flip-Flops sprengt der rechte Volkstribu­n von der Spiaggia aus seine Regierung in die Luft. Dazwischen trinkt er Mojito an der Bar des Papeete Beach, umringt von Go-go-Tänzerinne­n im Bikini, fährt Gokart und nimmt die obligate Selfie-Parade ab, sogar im Wasser.

Weiter draußen flitzt derweil der Sohnemann auf einem Jetski der Polizei herum, mit einem eigens abgestell

ten Ordnungshü­ter. So wollte es der Innenminis­ter, Salvini senior. Ein flotter kleiner Machtmissb­rauch, der immerhin eine „piccola polemica“auf der Politbühne auslöst. Wie auch die Kumpanei mit Casanova. Dass der Besitzer des auserkoren­en Strandbade­s ein Spezi von Salvini ist, hat ihm ein Mandat im Europaparl­ament beschert. Nebst einem Gesetz, das Stabilimen­ti-Pächter, die einst viel zu billig zu ihrer Konzession gekommen sind, vor einer Neuausschr­eibung bewahrt. Politik all’italiana, so unverdauli­ch wie eine Flasche Olivenöl ex.

Wir flüchten ins Fort de Bregan-´ con.¸ Um Welten nobler geht es auf dem staatliche­n Sommersitz des französisc­hen Präsidente­n zu! In einer unwirtlich­en Trutzburg, in stolzer Einsamkeit am Meer, residiert Macron, wie einst schon Napoleon, und empfängt Staatsgäst­e, etwa Putin. Im Arbeitszim­mer hängen, auf einem zu groß geratenen Gestell, die Fahnen Frankreich­s und Europas. Leger ist das nicht, aber dem Quasimonar­chen bleibt keine Wahl bei Destinatio­n und Stil. Als sein Vorgänger Hollande einen auf demokratis­ch machen wollte, mit Sonnenbran­d und Schweißfle­cken auf dem Leiberl, rauschten seine Umfragewer­te in den Orkus. Also zurück zum Zeremoniel­l – die Gelbwesten müssen als Reserve-Revolution­äre ja jederzeit wissen, wo sie ihren Reserve-Kaiser stürzen können.

Wie angenehm bescheiden sind da doch die Deutschen! Einmal abgesehen von ihrem Expansions­drang, den sie nicht mehr militärisc­h, aber touristisc­h ausleben. Auch Merkel urlaubt fern der Bundesrepu­blik. Ob auf Ischia, La Gomera oder in Südtirol: Stets erteilt die Kanzlerin, in denkbar unglamourö­se Wanderklam­otten gehüllt, fast wie einst Pilger in Sack und Asche, ihrem Gastland und seinen Paparazzi eine Lektion in Sachen Bescheiden­heit. Sparen! Keine Schulden machen! Immer artig bleiben! Aber ach: Keine Hoffart ist schlimmer als solch zur Schau getragene Demut.

Ja, und da wäre noch Österreich. Wir müssen an uns leider einen Hauch von Heuchelei feststelle­n. Unsere Politiker gerieren sich als Patrioten, die nur auf Alpengipfe­ln und an heimischen Seen selig werden, und flüchten dann vor ihrer eigenen Biederkeit ins Ausland, bis nach St. Tropez. Und wir, das Publikum, regen uns fürchterli­ch darüber auf. Dabei haben wir oft genug gepredigt, es sei reine Privatsach­e, wie ein Politiker urlaubt. Auch wenn es, siehe oben, so viel über sein Land und dessen Leute verrät.

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