Die Geisterzüge aus Peking
Chinas Unternehmen exportieren Container voll Luft nach Europa. Das ist zwar sinnlos, aber ein gutes Geschäft.
Die Neue Seidenstraße ist eines der Lieblingsprojekte des chinesischen Premiers, Xi Jinping. Und das Kalkül, mit einer neuen Schiene in den Westen den Handel mit Europa voranzutreiben, scheint aufzugehen. Im Vorjahr fuhren gezählte 6363 Güterzüge aus der Volksrepublik in den europäischen Bahnhöfen ein. Das ist mehr als doppelt so viel wie 2017 und ein Vielfaches der Jahre zuvor. Aber die Erfolgsstory hat einen Haken.
Denn ein Großteil der Container, die aus Chinas Fabriken nach Europa geschickt werden, ist leer. Das musste die staatliche Eisenbahngesellschaft China Railway einräumen, nachdem das „Business Journal“von einem Extremfall berichtet hatte, in dem nur ein einziger von 41 Containern tat
sächlich mit Produkten befüllt war. Der Rest ging scheinbar sinnlos auf die Reise. Nach Geisterstädten gibt es nun also auch Geisterzüge in der Volksrepublik. Aber was steckt dahinter?
Die Antwort liegt im traditionell ausufernden Fördersystem Chinas – und am prominenten Status des Projekts. Viele Lokalpolitiker wollten das Liebkind des Premiers nach Kräften unterstützen – und boten den Unternehmen Subventionen, wenn sie ihre Waren künftig via Bahn statt mit dem Schiff nach Europa bringen. Bis zu 7000 Euro gab es für einen einzelnen Container, der auf den Weg gebracht wurde. Also schickten viele Exporteure eben leere Container, bezahlten die – ebenfalls subventionierten – Frachtkosten und staubten die Geldgeschenke der Politik ab.
Inzwischen habe man gegengesteuert, versichert die staatliche Eisenbahngesellschaft. Im ersten Halbjahr 2019 seien nur noch zwei Prozent aller Container auf der Seidenstraße leer gewesen.
Für Peking ist der Förderbetrug beileibe keine neue Erfahrung. Wo immer der Staat Geld verteilt, strecken die Menschen ihre Hände aus. Egal, ob sie dazu berechtigt sind oder nicht. Zuletzt traf es die umjubelte Elektroautobranche, die China mit gewaltigen Förderungen aus dem Boden gestampft hat. Mittlerweile sind die Jubelmeldungen dünner geworden.
Denn auch hier wurden Millionen an Förderungen ohne Gegenleistung kassiert. Unternehmer nahmen Geld für Batteriefabriken, die nicht existierten. Sie verkauften Elektroautos ohne Batterie, gaben den Kunden das Geld zurück, behielten aber die Förderung vom Staat. Im Frühling kappte Peking die Förderungen für die E-Auto-Branche radikal. Und siehe da: Seitdem beginnen auch die Stars der chinesischen E-Auto-Branche zu straucheln.
Wo immer Geld verteilt wird, sind meist auch die Betrüger nicht weit.