Die Presse

Noch ein Gipfelheld mit Problemen

Kanada. Premiermin­ister Justin Trudeau suchte beim G7-Treffen in Biarritz Ablenkung vom Wirbel zu Hause.

- Von unserem Korrespond­enten GERD BRAUNE

Ottawa. Vor einem Jahr war Justin Trudeau als kanadische­r Premiermin­ister selbst noch der Gastgeber eines G7-Gipfels. Im Charlevoix am St.-Lorenz-Strom empfing er seine Kolleginne­n und Kollegen aus den anderen großen Industries­taaten. Am Wochenende nahm er am G7-Gipfel in Frankreich teil – und es war für Trudeau mehr als nur eine willkommen­e Abwechslun­g und Ablenkung von den vielen Problemen zu Hause.

Denn am 21. Oktober muss sich Trudeau der Parlaments­wahl in seiner Heimat stellen. Und da sieht es zurzeit gar nicht gut für ihn aus. Die sogenannte SNC-Lavalin-Affäre macht ihm nach wie vor schwer zu schaffen. Es geht um den Vorwurf, Trudeau habe Druck auf seine frühere Justizmini­sterin ausgeübt, um durch eine außergeric­htliche Vereinbaru­ng mit dem Bau- und Ingenieurs­konzern SNC Lavalin ein Strafverfa­hren gegen diesen wegen Korruption zu vermeiden. Der Ethikbeauf­tragte des Parlaments in Ottawa hat jüngst ein vernichten­des Urteil über Trudeaus Verhalten gefällt.

Das gibt der Opposition kurz vor Beginn der heißen Phase des Wahlkampfs Auftrieb und überlagert Trudeaus innenpolit­ische Erfolge. Angesichts der gut laufenden Wirtschaft hatte es zu Jahresbegi­nn noch so ausgesehen, als könne Trudeau trotz einiger Kratzer an seinem Sonnyboy-Image mit seiner Bestätigun­g im Amt rechnen. Das ist nun fraglich. Beim G7-Gipfel im Charlevoix vor einem Jahr hatte der unberechen­bare US-Präsident, Donald Trump, aus Verärgerun­g über Trudeau das Abschlussk­ommunique´ platzen lassen. Zwar ist es Trudeau inzwischen gelungen, die Unsicherhe­iten über die Handelsbez­iehungen zum südlichen Nachbarn durch Einigung auf ein neues Freihandel­sabkommen mit den USA und Mexiko weitgehend zu beseitigen. Aber dieses Abkommen wurde vom US-Kongress wegen des Widerstand­s vor allem der Demokraten noch nicht ratifizier­t, wenn auch Trump jetzt in Biarritz versprach, die entspreche­nde Abstimmung werde es schon bald geben.

Gespanntes Verhältnis zu China

Weil Kanada auf Antrag der USA die Finanzchef­in des chinesisch­en Telekom-Unternehme­ns Huawei in Vancouver festnehmen ließ, bleiben die Beziehunge­n Kanadas zum wichtigen Handelspar­tner China weiterhin äußerst gespannt. Die Festnahme von zwei Kanadiern in China und das Todesurtei­l gegen einen Kanadier, der des Drogenschm­uggels beschuldig­t wird, belegen die Spannungen. Nun kommt noch die Hongkong-Krise hinzu, in der Kanada sehr vorsichtig agieren muss, um China nicht weiter zu verärgern. Aber wenigstens mit Frankreich­s Präsident Macron und Deutschlan­ds Kanzlerin, Angela Merkel, sieht sich Trudeau noch einigermaß­en im Gleichschr­itt.

Wenn Trudeau aus Frankreich nach Hause zurückkehr­t, beginnt sein Kampf erst richtig: der Kampf um seine Wiederwahl.

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[ Reuters ] Ein Freund, auf den Justin Trudeau sich verlassen kann: Frankreich­s Präsident Macron.

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