Die Presse

New Yorks magische Tennisshow

US Open. Im „Big Apple“weiß man den Tennisspor­t zu feiern. Tausende Fans beobachtet­en Roger Federer und Dominic Thiem beim Training, der Zuschauerr­ekord aus dem Vorjahr soll fallen.

- Aus New York berichtet STEFAN RIECHER

Das Turnier hatte noch nicht begonnen, da war der 8000 Plätze fassende Grandstand schon gut gefüllt. Öffentlich­e Trainings mit den Superstars hatten die Organisato­ren der US Open erstmals im Vorfeld des letzten Grand Slams des Jahres angesetzt, bei freiem Eintritt. Als dann Roger Federer und Dominic Thiem die Rackets schwangen, herrschte auf der Anlage bereits Partystimm­ung. Autogrammj­äger brachten sich in Stellung, sie waren eher hinter dem Schweizer Superstar denn dem Österreich­er her. Geduldig hielt Federer nach dem einstündig­en Training für weitere 20 Minuten die Stellung.

Geht es nach den Veranstalt­ern, soll die Tenniseuph­orie in New York nun zumindest zwei Wochen lang anhalten, der Zuschauerr­ekord aus dem Vorjahr muss fallen. Mehr als 800.000 Menschen traten 2018 zum 50-jährigen Jubiläum des wohl schillernd­sten Tennisturn­iers der Welt die Reise nach Flushing Meadows an. Knapp 100.000 davon besuchten die sogenannte “Fan Week”, die bereits vor dem offizielle­n Start über die Bühne geht. Die Organisato­ren zogen dieses Spektakel heuer völlig neu auf, verlegten die Auslosung und zahlreiche Auftritte der Superstars allesamt von Manhattan direkt auf die Anlage im Stadtteil Queens. Da zeigte sich Andy Roddick, einst der Liebling der US-Fans und Gewinner von 2003, um sich den Fragen von Kindern zu stellen. Da spielten Altstars wie John McEnroe, Lindsay Davenport und Martina Navratilov­a Exhibition­s. Da hielten praktisch alle Spitzenspi­eler ihre Trainings öffentlich ab. Bereits im Vorfeld wurden dafür alle drei Stadien – Arthur Ashe, Louis Armstrong und Grandstand – der Öffentlich­keit zugänglich gemacht.

So konnten Fans auch die Wimbledons­ieger Simona Halep und Novak Djokovic,´ die Nummer

eins bei den Herren und neben Federer und Rafael Nadal der Topfavorit, beobachten. Interessan­tes Detail: Während der Serbe am Grandstand Hunderte Returns schlug, sammelte sein neuer Coach, Goran Ivaniseviˇ­c,´ die Bälle ein. Der Ex-Wimbledons­ieger, bereits im Juli in London an der Seite von Djokovic,´ wirkte locker, scherzte mit den Zuschauern und unterbrach Djokovic´ immer wieder, um ihm Anweisunge­n zu geben. Die Chemie zwischen den beiden scheint zu passen, die Zusammenar­beit länger anzudauern.

Am Rahmenprog­ramm mag sich für das heurige Turnier viel geändert haben, sportlich bleibt im Prinzip alles beim Alten. Die bedeutends­te Änderung der vergangene­n Jahre, die 2018 erstmals eingeführt­e Shot-Clock, die den Spielern die Zeit bis zum nächsten Service anzeigt, hat sich etabliert. Sie wird auch heuer zum Einsatz kommen und für so manch hitzige Diskussion sorgen.

Dazu trägt auch der Australier Nick Kyrgios bei. Manche hassen ihn, andere lieben ihn: Wird er wie zuletzt in Cincinnati neuerdings wegen der Shot-Clock die Beherrschu­ng verlieren? Wird er wie im Vorjahr bei den US Open wegen seiner öffentlich vorgetrage­nen Lustlosigk­eit für einen Eklat sorgen? Oder kann er endlich auch bei einem Grand Slam zeigen, was in ihm steckt? Das Enfant terrible trifft zum Auftakt auf den Amerikaner Steve Johnson: Für die tennisverl­iebten New Yorker ist das einer der Schlager der ersten Runde.

Übrigens: Zwar verkaufen die Veranstalt­er die US Open als grandiose Show und betreiben erfolgreic­h die Rekordjagd nach Zusehern. Alles eitel Wonne spielt es trotzdem nicht. So ist zwischen der Stadt und dem amerikanis­chen Tennisverb­and Usta, der das Turnier organisier­t, ein erbitterte­r Streit ausgebroch­en. Es geht um die Miete für die gigantisch­e Anlage in Flushing Meadows.

Das Büro des Bürgermeis­ters fordert mehr als 300.000 Dollar an Mietnachza­hlungen. Es beschuldig­t die Usta, Umsätze, die als Basis für die Miete herangezog­en werden, in Millionenh­öhe verheimlic­ht zu haben. Scott Stringer, der Finanzchef der Stadt, hielt deshalb eine eigene Pressekonf­erenz vor dem Eingang in Flushing Meadows ab. Freilich: An einen Umzug des weltgrößte­n Tennisturn­iers denkt vorerst noch niemand. „Wir lieben dieses Turnier und werden uns einigen”, glaubt auch Stringer.

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[ AFP ]

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