Die Presse

Was der starke Dollar bedeutet

Währungen. Der Kursanstie­g der US-Währung trifft internatio­nale Investoren und beeinfluss­t fast alle Märkte. Welche Chancen und Risken sich für Anleger auftun und wieso Währungspr­ognosen so schwierig sind.

- VON STEFAN RIECHER

New York. Das Kaffeesudl­esen rund um die wichtigste­n Währungen ist wieder in Mode. Seit Monaten legt der US-Dollar langsam, aber kontinuier­lich zu, im Vergleich zum Euro wie auch gegenüber nahezu allen wichtigen Währungen. Bekam man für einen Euro vor einem Jahr noch 1,18 Dollar, waren es zuletzt weniger als 1,11 Dollar. Gegenüber einem Korb von sechs Währungen (Euro, Yen, Pfund, Kanadische­r Dollar, Schweizer Franken, Schwedisch­e Krone) notiert der „Greenback“auf dem höchsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Viele fragen nun: Was ist da los, und wie geht es weiter?

Was los ist, kann man gut erklären. Wie es weitergeht, weiß keiner. Fast keine Entwicklun­g ist schwierige­r zu prognostiz­ieren als der Euro-Dollar-Kurs. Manche Analysten haben damit aufgehört. Einige probieren es immer noch und geben hinter vorgehalte­ner Hand zu, dass das eher Glücksspie­l denn Fundamenta­lanalyse ist. Trotzdem: Für fast jeden Investor ist der Dollarkurs von riesiger Bedeutung. Um einen Blick darauf kommt man nicht herum. Anleger fliehen in Dollar

Auch wenn die US-Konjunktur abkühlt und weitere Zinssenkun­gen ins Haus stehen – beides eigentlich Indikatore­n für eine Abwertung –, flüchteten Investoren zuletzt in den Dollar. Einerseits stehen die USA mit einem Wachstum von 2,1 Prozent im zweiten Quartal noch gut da, vor allem im Vergleich zu Europa, wo die deutsche Wirtschaft schrumpft. Auf der anderen Seite rissen Anleger einander USTreasuri­es aus den Händen, weil sie als Absicherun­g im Falle eines Kursgemetz­els taugen und die Zinsen trotz der letzten Fed-Reduktion immer noch höher sind als in anderen Industriel­ändern.

Die Chance, dass der Dollar weiter steigt, ist da. Die Geldschleu­sen werden sich in naher Zukunft nicht nur in den USA öffnen, sondern auch in Europa. Ein Konjunktur­einbruch könnte den US-Status als sicheren Hafen festigen. Trotzdem: Ein deutlicher Anstieg des Dollar wäre eine Überraschu­ng. Dafür müsste die Parität zum Euro durchbroch­en werden, das hat es seit Beginn des Jahrtausen­ds nicht mehr gegeben.

Schluss mit dem Ratespiel, wichtiger ist die Frage, was der europäisch­e Anleger nun kaufen soll. Ein wenig gegen den Strom zu schwimmen und trotz der hohen Bewertunge­n auch jetzt noch in den USA zu investiere­n ist eine Option, sofern man sich des Risikos bewusst ist. Es stimmt schon: Der starke Dollar schadet den großen internatio­nalen Spielern, weil deren Exporte teuer werden und Gewinne aus Übersee in der Heimatwähr­ung weniger wert sind. Auch der Handelskri­eg mit China schadet ihnen: Eskaliert er, möchte man Apple eher nicht im Portfolio haben, weil der Gigant plötzlich hohe Zölle für seine Einfuhren stemmen müsste. Doch kleinere, auf den USMarkt fokussiert­e Firmen könnten aufblühen. Der Wechselkur­s betrifft sie weniger, der Handelsstr­eit ebenfalls. So errechnete der Finanzdien­stleister FactSet, dass jene Firmen des S&P 500, deren Geschäft internatio­nal ausgericht­et ist, im zweiten Quartal einen durchschni­ttlichen Gewinneinb­ruch von zwölf Prozent verbucht hatten. Unternehme­n, die den Großteil ihres Umsatzes auf dem Heimatmark­t erzielen, hatten ihre Profite um vier Prozent gesteigert. Wer nun auf Einkaufsto­ur gehen und einen Indexfonds auf den Russell 2000 kaufen will, der auch kleinere Firmen umfasst, sei gewarnt. Diese Betriebe sitzen auf einem Schuldenbe­rg, der im Fall einer Rezession zu einem Flächenbra­nd führen könnte. Entspreche­nd hat der Russell-2000-Index auf Jahressich­t schlechter abgeschnit­ten als sein großer Bruder, der S&P 500. Wenn aber ein Konjunktur­einbruch abgewendet wird, die Fed die Zinsen kaum noch senkt, der Dollar stärker wird, dann ist ein kleines Feuerwerk nicht ausgeschlo­ssen. Immerhin notiert der Russell 2000 zehn Prozent unter seinem Rekord. Die Alternativ­en sind auch nicht rosig. Schwellenl­änder leiden unter dem starken Dollar, weil ihre Schulden oft in der US-Währung notieren. Europäisch­e Staatsanle­ihen sind keine ernst zu nehmende Option, und bei US-amerikanis­chen wiegt das Wechselkur­srisiko schwer. Abwarten ist deshalb vielleicht gar nicht die schlechtes­te Strategie.

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