Was der starke Dollar bedeutet
Währungen. Der Kursanstieg der US-Währung trifft internationale Investoren und beeinflusst fast alle Märkte. Welche Chancen und Risken sich für Anleger auftun und wieso Währungsprognosen so schwierig sind.
New York. Das Kaffeesudlesen rund um die wichtigsten Währungen ist wieder in Mode. Seit Monaten legt der US-Dollar langsam, aber kontinuierlich zu, im Vergleich zum Euro wie auch gegenüber nahezu allen wichtigen Währungen. Bekam man für einen Euro vor einem Jahr noch 1,18 Dollar, waren es zuletzt weniger als 1,11 Dollar. Gegenüber einem Korb von sechs Währungen (Euro, Yen, Pfund, Kanadischer Dollar, Schweizer Franken, Schwedische Krone) notiert der „Greenback“auf dem höchsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Viele fragen nun: Was ist da los, und wie geht es weiter?
Was los ist, kann man gut erklären. Wie es weitergeht, weiß keiner. Fast keine Entwicklung ist schwieriger zu prognostizieren als der Euro-Dollar-Kurs. Manche Analysten haben damit aufgehört. Einige probieren es immer noch und geben hinter vorgehaltener Hand zu, dass das eher Glücksspiel denn Fundamentalanalyse ist. Trotzdem: Für fast jeden Investor ist der Dollarkurs von riesiger Bedeutung. Um einen Blick darauf kommt man nicht herum. Anleger fliehen in Dollar
Auch wenn die US-Konjunktur abkühlt und weitere Zinssenkungen ins Haus stehen – beides eigentlich Indikatoren für eine Abwertung –, flüchteten Investoren zuletzt in den Dollar. Einerseits stehen die USA mit einem Wachstum von 2,1 Prozent im zweiten Quartal noch gut da, vor allem im Vergleich zu Europa, wo die deutsche Wirtschaft schrumpft. Auf der anderen Seite rissen Anleger einander USTreasuries aus den Händen, weil sie als Absicherung im Falle eines Kursgemetzels taugen und die Zinsen trotz der letzten Fed-Reduktion immer noch höher sind als in anderen Industrieländern.
Die Chance, dass der Dollar weiter steigt, ist da. Die Geldschleusen werden sich in naher Zukunft nicht nur in den USA öffnen, sondern auch in Europa. Ein Konjunktureinbruch könnte den US-Status als sicheren Hafen festigen. Trotzdem: Ein deutlicher Anstieg des Dollar wäre eine Überraschung. Dafür müsste die Parität zum Euro durchbrochen werden, das hat es seit Beginn des Jahrtausends nicht mehr gegeben.
Schluss mit dem Ratespiel, wichtiger ist die Frage, was der europäische Anleger nun kaufen soll. Ein wenig gegen den Strom zu schwimmen und trotz der hohen Bewertungen auch jetzt noch in den USA zu investieren ist eine Option, sofern man sich des Risikos bewusst ist. Es stimmt schon: Der starke Dollar schadet den großen internationalen Spielern, weil deren Exporte teuer werden und Gewinne aus Übersee in der Heimatwährung weniger wert sind. Auch der Handelskrieg mit China schadet ihnen: Eskaliert er, möchte man Apple eher nicht im Portfolio haben, weil der Gigant plötzlich hohe Zölle für seine Einfuhren stemmen müsste. Doch kleinere, auf den USMarkt fokussierte Firmen könnten aufblühen. Der Wechselkurs betrifft sie weniger, der Handelsstreit ebenfalls. So errechnete der Finanzdienstleister FactSet, dass jene Firmen des S&P 500, deren Geschäft international ausgerichtet ist, im zweiten Quartal einen durchschnittlichen Gewinneinbruch von zwölf Prozent verbucht hatten. Unternehmen, die den Großteil ihres Umsatzes auf dem Heimatmarkt erzielen, hatten ihre Profite um vier Prozent gesteigert. Wer nun auf Einkaufstour gehen und einen Indexfonds auf den Russell 2000 kaufen will, der auch kleinere Firmen umfasst, sei gewarnt. Diese Betriebe sitzen auf einem Schuldenberg, der im Fall einer Rezession zu einem Flächenbrand führen könnte. Entsprechend hat der Russell-2000-Index auf Jahressicht schlechter abgeschnitten als sein großer Bruder, der S&P 500. Wenn aber ein Konjunktureinbruch abgewendet wird, die Fed die Zinsen kaum noch senkt, der Dollar stärker wird, dann ist ein kleines Feuerwerk nicht ausgeschlossen. Immerhin notiert der Russell 2000 zehn Prozent unter seinem Rekord. Die Alternativen sind auch nicht rosig. Schwellenländer leiden unter dem starken Dollar, weil ihre Schulden oft in der US-Währung notieren. Europäische Staatsanleihen sind keine ernst zu nehmende Option, und bei US-amerikanischen wiegt das Wechselkursrisiko schwer. Abwarten ist deshalb vielleicht gar nicht die schlechteste Strategie.