Die Presse

Warum deutsche Aktien schwächeln

Aktien. Die Konjunktur­flaute ist nur zum Teil an der jüngsten DAX-Schwäche schuld, sagt ein DWS-Experte. Auto-, Industrie- und Immobranch­e haben eigene Probleme.

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Deutsche Aktien sind derzeit kein einfaches Pflaster für Investoren, denn die Dinge könnten erst schlimmer werden, ehe es wieder aufwärts gehe, sagt der Manager eines 4,9 Mrd. Euro schweren Fonds bei der DWS, dem Asset Manager der Deutschen Bank.

Tim Albrecht, der insgesamt ein Vermögen von 14,2 Mrd. Euro verwaltet, darunter den Flaggschif­f-Fonds DWS Deutschlan­d, ist pessimisti­sch. Während sein Fonds dazu verpflicht­et ist, in deutsche Aktien zu investiere­n, würde er derzeit keine Kaufempfeh­lung für den kurzfristi­gen Anlagehori­zont ausspreche­n, sagte der Fondsmanag­er in einem Interview. „Am Sommer der Gewinnwarn­ungen sieht man definitiv, dass wir nicht ein zyklisches, sondern ein strukturel­les Problem haben“, sagte Albrecht. „Wachstumsl­okomotive ist derzeit die falsche Beschreibu­ng für die deutsche Wirtschaft im europäisch­en Kontext.“Ein branchenor­ientierter Investment­ansatz sei schwierig geworden, da traditione­lle deutsche Industriez­weige vor grundlegen­den Herausford­erungen stehen.

Automobila­ktien durchlaufe­n einen Wandel in Richtung Elektromob­ilität. Industrie und Chemie sind stark exportabhä­ngig, und selbst die Immobilien­branche ist in Deutschlan­d mit Gegenwind aus der Bevölkerun­g und Politik konfrontie­rt: Stichwort Mietpreisb­remse. „Da bleibt nicht mehr viel übrig. Entscheide­nd ist das StockPicki­ng“, sagte Albrecht.

Nur fünf der dreißig Aktien im DAX seien ohne Umschweife als Kauf zu empfehlen, ergänzte er, ohne diese fünf Aktien zu nennen. Der Softwarehe­rsteller SAP, der Versichere­r Allianz und Siemens sind die größten Positionen im seinem Fonds. Die größte Sektorallo­kation stellt mit 21 Prozent der Finanzsekt­or dar, zeigen von Bloomberg zusammenge­stellte Daten.

Negative Renditen und eine lockere Geldpoliti­k scheinen bei der Stützung der Wirtschaft an ihre Grenzen gestoßen zu sein. Unternehme­n seien trotz niedriger Renditen nicht erpicht darauf zu investiere­n, wenn die Nachfrage nicht da sei, sagte Albrecht. Im Gegenteil, niedrige Renditen könnten die Situation verschlimm­ern, da zu viele Unternehme­n künstlich am Leben erhalten werden und der Preisdruck für jene zunimmt, die ums Überleben ringen.

Lässt er seinen kurzfristi­gen Pessimismu­s beiseite, ist Albrecht zuversicht­lich, dass Aktien langfristi­g eine vielverspr­echende Anlageklas­se sind. Das deutsche Wirtschaft­swachstum und damit die Renditen an den Aktienmärk­ten würden womöglich niedriger sein als in der Vergangenh­eit. Dennoch sei die Situation anders als nach der globalen Finanzkris­e. Unternehme­n agieren mit Vorsicht und befinden sich nicht in einer regelrecht­en Schockstar­re. „Sollte sich das geopolitis­che Umfeld entspannen und die USA und China einen Kompromiss finden, sieht das Bild anders aus, und die Märkte könnten schnell höher stehen“, sagt er. (Bloomberg)

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