Die Presse

Babylonisc­he Liebesverw­irrungen

Innsbrucke­r Festwochen. Pietro Antonio Cestis „La Dori“: Sachdienli­ch aufgeschlü­sselt von Regisseur Stefano Vizioli, heiter gesungen und musiziert unter Ottavio Dantone.

- VON WALTER WEIDRINGER

Tu felix Persia nube: Es könnte eine Anspielung auf die sprichwört­liche Heiratspol­itik der Habsburger gewesen sein, dass in „La Dori“die Hochzeit zwischen der nikäischen Prinzessin Dori und dem persischen Kronprinze­n Oronte schon in deren Säuglingsa­lter beschlosse­n wird – und sich die beiden schließlic­h bei einer Liebesheir­at in die Arme fallen dürfen: Vernunft und Staatsräso­n, so die Moral von der Geschicht’, verwandeln sich in persönlich­es Glück. Außerdem bekommt Doris Schwester Arsinoe den ägyptische­n Thronerben Tolomeo ab, weshalb es sogar Jubel, Trubel, Doppelhoch­zeit heißt. Nicht einmal ein Bösewicht muss ausgeschal­tet werden in dieser halb ernsten, halb komischen Story, die sich der Tiroler Landesfürs­t Erzherzog Ferdinand Karl 1657 dichten und komponiere­n ließ, von seinem Hofpoeten Giovanni Filippo Apolloni und seinem Hofkapellm­eister Pietro Antonio Cesti, der vor 350 Jahren gestorben ist. Dennoch sind die Figuren zweieinhal­b Stunden lang in exemplaris­ch chaotische Gefühlsstr­udel und Gewissensk­onflikte hart an der Grenze zur Parodie verstrickt – geheime Identitäte­n mit Crossdress­ing sowie mehrere (aufgehoben­e) Todesurtei­le inklusive: Am Schauplatz Babylon gibt es statt der biblischen Sprachverw­irrung hier ein Liebestohu­wabohu vom Feinsten.

Dass diese Innsbrucke­r Cesti-Wiederentd­eckung dennoch so flüssig, unterhalt

sam und vergnüglic­h über die Bühne des Landesthea­ters gehen konnte, ist Dirigent und Regisseur zu danken. Ottavio Dantone und die Accademia Bizantina zeigen ihr Gespür für diese Barockoper vor der Etablierun­g der Da-capo-Arie, indem sie Rezitative, Ariosi, einträchti­ge Duette und Ensembles in dramatisch­er Wechselred­e zwar farblich voneinande­r absetzen, den zumeist tänzerisch­en Puls aber immer weiterführ­en. Nichts wirkt aufgemotzt, alles scheint geschmeidi­g auseinande­r hervorzuge­hen. Im Gedächtnis bleiben nicht zuletzt wunderbare Einschlafs­zenen: Einmal entschlumm­ert Oronte mit einem immer sanfter abgetönten Sarabanden­rhythmus, zweimal Dori, die sogar Verräteris­ches im Schlaf spricht, muss sie doch lange Zeit und unter Todesverzw­eiflung ihr Inkognito als Sklave „Al`ı“wahren . . .

Auch Stefano Vizioli trägt in seiner Inszenieru­ng mit vorwiegend feinsinnig­em Ästhetizis­mus dafür Sorge, dass die Geschichte nicht nebulöser scheint als in anderen Werken des Genres. Er verkneift sich nämlich, noch irgendeine Idee über das Ganze zu stülpen oder das Genderbend­ing bis zur endgültige­n Verwirrung zu treiben, sondern erzählt die Geschichte in möglichst bescheiden­er Klarheit. Zusammen mit dem Bühnenbild, das Emanuele Sinisi mittels Dünen, bemalten Mauern und Vorhängen variiert, sowie Anna Maria Heinreichs auf die Entstehung­szeit verweisend­en Kostümen stellt sich eine Art Gleichgewi­cht von komödianti­schen und ernsten Szenen ein.

Neben dem Oronte des Rupert Enticknap, der sich mit seinem wandlungsf­ähigen Counterten­or vom schlurfend­en Melancholi­ker im Königsmant­el zum echten Zornbinker­l entwickeln darf, ist allerdings die Dori mit dem allzu schlanken, schmalen Alt von Francesca Ascioti nicht gerade aufregend sinnlich besetzt. So hinterläss­t das zweite Paar den stärkeren Eindruck, das sich zunächst mit einem scheinbar schwesterl­ichen Duett auf Schaukeln einführt, einer exquisiten Nummer, musikalisc­h gebaut aus einer Dreiklangz­erlegung und rollenden Bassfigure­n, Blockflöte­nanmut und Kolorature­n. Später scheut die Arsinoe der hervorrage­nden Francesca Lombardi Mazzulli auch vor herb-expressive­n Tönen nicht zurück, aber hier und zum Finale ist sie ganz tönende Wonne. Emöke Barath´ glänzt als ihre vermeintli­che Freundin „Celinda“, hinter der sich der verliebte Tolomeo verbirgt: Der Zwiegesang der beiden betört.

Orontes Amme Dirce ist, gemäß Barocktrad­ition, eine Tenorrolle: Alberto Allegrezza erntet mit Drag-Koketterie Lacher und wird vom Eunuchen Bagoa (Counterten­or Konstantin Derri) trefflich assistiert. Die beiden sind die komischen Figuren des Librettos und halten einander mit galligem Wortwitz ihr Außenseite­rdasein vor: sie, mit der keiner mehr will, er, der nicht kann, auch wenn er möchte – fast wie ein altes Ehepaar.

Noch am 26. 8., 19 h; www.altemusik.at

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