Schubert als großer musikalischer Neuerer
Salzburger Festspiele. Die Pianistin Mitsuko Uchida widmete sich im Haus für Mozart den drei letzten Klaviersonaten des Komponisten und machte ihr Solistenkonzert damit zu einer faszinierenden Lehrstunde.
Für Mahler hat sich längst die Bezeichnung „Zeitgenosse der Zukunft“eingebürgert. Mindestens ebenso Anspruch auf eine solche Charakterisierung hätte Schubert, nimmt man seine letzte Klaviersonatentrias als Begründung. Inspiriert von Beethoven, zuweilen auch von eigenen Klavier- und Vokalwerken, steuert er harmonisch bis dahin nicht gekannte neue Wege an, experimentiert mit Formen, öffnet neue Räume.
Das erschließt sich in dieser Dimension nur, wenn sich ein Interpret auch die späteren Entwicklungen der Musik zu eigen gemacht hat. Wie in der Symphonik führt auch in der Klaviermusik eine Linie von Schubert zur Zweiten Wiener Schule. Wer dies erkannt – mehr noch: für sich verinnerlicht – hat, der kann beispielweise Schönbergs Klavierkonzert aus dem Geist Schuberts interpretieren, aber auch vor allem in den langsamen Sätzen der drei letzten Schubert-Sonaten Vorahnungen auf Schönbergs Klavieroeuvre erkennen.
Mitsuko Uchida geht an dieses Repertoire, wie schon ihre länger zurückliegenden Einspielungen der Schubert-Sonaten oder Impromptus gezeigt haben, bewusst analytisch heran, macht damit erkennbar, wie Schubert bis zuletzt um gemäße formale Lösungen für seine auch hier geradezu überbordenden melodischen Einfälle suchte. Wobei er auch vor Anleihen beim Barock, wie der Beginn der A-Dur-Sonate zeigt, nicht Halt machte.
Was will Schubert mit seiner c-Moll-Sonate sagen? Eine persönliche Reflexion über Beethovens derselben Tonart verpflichtete populäre „Pathetique“´ oder ein in ein originelles Sonatenschema gepresstes Drama, das die Schrecken des Todes schließlich als fahlen Tanz deutet, wie man der abschließenden, gespenstig wirkenden Tarantella entnehmen kann?
Aus beiden Blickwinkeln las die vor kantigen Akzenten nicht zurückscheuende, ebenso mit einer differenzierten Pianopalette prunkende Pianistin dieses Werk. Auch in ihrer souveränen Darstellung der A-Dur-Sonate, für manche der Inbegriff des Lyrischen, zeigte sie auf, wie sehr Schubert namentlich im Nachtstück-artigen Andantino ebenso geheimnisvoll-dunkle Atmosphären ansteuert. Und wie sind die zahlreichen Pausen in der B-Dur-Sonate zu lesen? Für Uchida eine Aufforderung, Schuberts melodischer Vielfalt, seiner sprichwörtlichen unendlichen Melodie, immer wieder neue, faszinierende Nuancen abzugewinnen, Gleiches nie als solches erscheinen zu lassen. (dob)