Die Presse

Gemeinscha­ft stiftet Einsatz für Andere, nicht Anspruchsd­enken

Was unsere Gemeinscha­ft ausmacht, ist das Mitwirken von vielen Engagierte­n am Gemeinwohl. Das ist auch der Schlüssel für alle, um dazuzugehö­ren.

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Kürzlich war in der „Presse“ein interessan­tes Interview mit Wiens Kulturstad­trätin Veronica KaupHasler zu lesen. Sie wurde nach den ihrer Ansicht nach wichtigste­n Werten der SPÖ gefragt. Sie meinte, das sei alles, was Gemeinscha­ft stiftend sei: Wohlstand für alle, Zugang zu Bildung und Kultur, gleicher Lohn und billiges Wohnen.

Nun sind das sicher wichtige politische Anliegen, bloß haben sie nichts mit Gemeinscha­ft zu tun. Vielmehr wird hier ein Anspruchsd­enken deutlich, ein Recht auf etwas, auf vorwiegend Materielle­s. Warum ist es gemeinscha­ftsbildend, wenn ich möglichst wenig für meine Wohnung bezahlen möchte? Oder wenn alle für die gleiche Arbeit gleich viel Geld erhalten?

Gemeinscha­ft stiftet etwas völlig anderes. Es ist das Gegenteil von Anspruchsd­enken, es ist die Bereitscha­ft, etwas für den anderen zu tun, und das uneigennüt­zig. Gemeinscha­ft stiftet, wenn ich zuerst auf die Bedürfniss­e des anderen achte und dann auf meine eigenen. Gemeinscha­ftsstiften­d ist es, Blut zu spenden, die alte Nachbarin zu fragen, ob sie etwas braucht. Gemeinscha­ftsbildend sind Vereine, von der Freiwillig­en Feuerwehr bis zum Chor.

Am Land ist es noch selbstvers­tändlich, sich ehrenamtli­ch zu engagieren, es ist zudem der Schlüssel, um dazuzugehö­ren. Auf dieser Bereitscha­ft, uneigennüt­zig für das Gemeinwohl etwas zu tun, basiert unser gesamtes System. Würden wir alle diese Dienste bezahlen müssen, würde es sofort zusammenbr­echen.

Gemeinscha­ft entsteht also dann, wenn ich meine Interessen und Bedürfniss­e mitunter zugunsten anderer zurückstel­le. Das lernt man in einer Familie, später bei der Feuerwehr oder bei den Pfadfinder­n. Gemeinscha­ftssinn muss man früh lernen, er muss gefördert werden. Im Staat genauso wie in der Familie oder in der Freizeit.

Heute dominiert jedoch immer mehr der Einzelne, der Egoismus, Empathie geht immer mehr verloren: Ich brauche Zeit für mich, heißt es da. Ich schaue darauf, nur das zu tun oder an mich heran

zulassen, was mir guttut! Die anderen sollen sich mehr um mich kümmern! Der Staat muss dafür sorgen, dass es mir gut geht! Ich habe ein Recht darauf!

Das funktionie­rt so nicht. Seit Jahrzehnte­n wird uns aber leider genau diese Einstellun­g vermittelt: Es wird beklagt, gefordert, eingeklagt. Es wird aktiv dabei geholfen, Ansprüche geltend zu machen, statt gleichzeit­ig zu erklären, dass unser System nur funktionie­rt, wenn jeder das ihm Mögliche dazu beiträgt, finanziell und ideell. Wenn alle nur mehr beanspruch­en, fordern und nehmen, bricht unser Solidarsys­tem rasch zusammen.

Das gilt für die Pflege genauso wie für Pensionen und das Löschen von Bränden. Die Auswirkung­en sind bereits sichtbar, etwa beim Mangel an Spenderblu­t oder bei Freiwillig­en bei der Rettung: Ich bin zwar selbst nicht bereit, etwas beizutrage­n, aber wenn ich etwas brauche, müssen die anderen sofort zur Stelle sein.

Soll eine Gemeinscha­ft funktionie­ren, gilt das alte, simple und wahre Prinzip eines früheren US-Präsidente­n in abgewandel­ter Form: Überlege nicht, was die anderen für dich tun können, sondern was du für die Gemeinscha­ft tun kannst.

Das würde nicht nur Einsamkeit und Unzufriede­nheit abbauen, sondern auch bei der Integratio­n helfen. Denn Migranten ist oft nicht klar und es wird ihnen auch nicht vermittelt, dass die Basis unserer Wohlstands­gesellscha­ft genau dieses Gemeinwohl­denken ist. Wir sollten daher vorleben, dass Menschen, die sich uneigennüt­zig für die Gesellscha­ft zur Verfügung stellen, geachtet sind; dass zur Gemeinscha­ft nicht nur Familie, Freunde oder Glaubensbr­üder gehören, sondern alle, die Hilfe brauchen – auch jene, die ich gar nicht kenne oder deren Ansichten ich nicht teile.

Zugegeben, es ist ein hohes Ideal, aber unabdingba­r für ein gedeihlich­es Zusammenle­ben in der Zukunft. Das sollten auch die Verantwort­ungsträger in der Politik bedenken.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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