Strafe für Pharmafirma
USA. Die Sucht nach Schmerzmitteln rafft jährlich Zehntausende Amerikaner dahin. Ein Gericht bittet die Pharmafirma Johnson & Johnson zur Kasse.
Zehntausende Amerikaner sterben jährlich an der Sucht nach Schmerzmitteln. Pharmakonzern Johnson & Johnson muss nun Millionenstrafe zahlen.
New York. Die Epidemie betrifft alle Bevölkerungsschichten und alle Altersgruppen: Seit Monaten versuchen Experten diese Nachricht in verzweifelten Appellen unter die Leute zu bringen. Kinder aus wohlhabenden Vorstadtfamilien sterben ebenso wie Prominente in Hollywood, Geschäftsleute in Manhattan oder Asylsuchende in Texas, die die Beipackzettel der Medikamente nicht lesen können. Insgesamt fordert die Opioidkrise in den USA mehr als 45.000 Menschenleben. Pro Jahr.
Seit Jahren ist das Phänomen bekannt, wie ein Parasit hat es sich in die Mitte der Gesellschaft gefressen. Kaum ein Amerikaner, der nicht jemanden kennt, der medikamentenabhängig ist. Es beginnt oftmals mit Schmerzen, gegen die der Arzt ein Mittel verschreibt.
Allerdings: Die Medikamente sind auch ohne Rezept leicht zu bekommen. Ein gigantischer Schwarzmarkt hat sich gebildet, die Zahl der Pillen, die sich im Umlauf befinden, ist außer Kontrolle geraten. Das Hauptproblem: Die Mittel machen leicht abhängig, oftmals kommt es zur Überdosis und zum Tod.
Darüber, wer Schuld an dem Drama trägt, ist eine heftige Debatte ausgebrochen. Ist es die Politik, weil sie die Bevölkerung nicht ausreichend über die Risken aufgeklärt hat? Ist es die Tatsache, dass die Amerikaner im Vergleich zu Europäern eher zu Medikamenten greifen, wie es die Weltgesundheitsorganisation nahelegt? Oder trifft die Pharmafirmen eine entscheidende Mitschuld, weil sie die Profite über ihre Pflicht zur Bekanntgabe der Nebenwirkungen und Risken stellen?
Ein Gericht in Oklahoma ist nun zu letzterem Schluss gekommen – in einem Urteil mit womöglich weitreichenden Folgen. Johnson & Johnson, umsatzmäßig der größte Pharmakonzern der Welt, muss 572 Millionen Dollar Strafe zahlen. Das Unternehmen habe im Zuge der Ausweitung der Verkäufe von Schmerzmitteln um die Jahrtausendwende nicht ausreichend vor den Gefahren gewarnt. „Der Anstieg der Abhängigen und Gestorbenen nach dem Anstieg der Verkäufe von Opioiden in Oklahoma ist kein Zufall“, heißt es in dem Urteil.
Die Strafzahlung von Johnson & Johnson soll zur Bekämpfung der Drogenabhängigkeit verwendet werden. Laut National Institute on Drug Abuse verwendet ein Viertel aller Menschen, die zunächst rezeptpflichtige Schmerzmittel verschrieben bekommen, Opioide schon bald nicht mehr in dem ursprünglich vorgesehenen Ausmaß. Zwischen acht und zwölf Prozent der Betroffenen entwickeln eine schwere Abhängigkeit, vier bis sechs Prozent werden heroinsüchtig. Das nun einkassierte Geld soll unter anderem für weitreichende Aufklärungskampagnen zu den Risken eingesetzt werden.
Ein wirtschaftliches Problem
Laut Präsident Donald Trump, der im Herbst 2017 die Opioidkrise zum Gesundheitsnotstand erklärt hat, trägt der Kampf gegen die Abhängigkeit bereits erste Früchte. Die Zahl der Toten sei um fünf Prozent zurückgegangen, verkündete er. Offizielle Statistiken dazu gibt es freilich nicht. Jedenfalls ist die Epidemie längst auch zum wirtschaftlichen Problem geworden. Die Kosten für das US-Gesundheitssystem belaufen sich auf 78,5 Milliarden Dollar pro Jahr.
Weitere Strafen und weitere Bundesstaaten könnten folgen, auch gegen andere Pharmafirmen. Im Oktober geht es in Ohio weiter.