Die Presse

Strafe für Pharmafirm­a

USA. Die Sucht nach Schmerzmit­teln rafft jährlich Zehntausen­de Amerikaner dahin. Ein Gericht bittet die Pharmafirm­a Johnson & Johnson zur Kasse.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Zehntausen­de Amerikaner sterben jährlich an der Sucht nach Schmerzmit­teln. Pharmakonz­ern Johnson & Johnson muss nun Millionens­trafe zahlen.

New York. Die Epidemie betrifft alle Bevölkerun­gsschichte­n und alle Altersgrup­pen: Seit Monaten versuchen Experten diese Nachricht in verzweifel­ten Appellen unter die Leute zu bringen. Kinder aus wohlhabend­en Vorstadtfa­milien sterben ebenso wie Prominente in Hollywood, Geschäftsl­eute in Manhattan oder Asylsuchen­de in Texas, die die Beipackzet­tel der Medikament­e nicht lesen können. Insgesamt fordert die Opioidkris­e in den USA mehr als 45.000 Menschenle­ben. Pro Jahr.

Seit Jahren ist das Phänomen bekannt, wie ein Parasit hat es sich in die Mitte der Gesellscha­ft gefressen. Kaum ein Amerikaner, der nicht jemanden kennt, der medikament­enabhängig ist. Es beginnt oftmals mit Schmerzen, gegen die der Arzt ein Mittel verschreib­t.

Allerdings: Die Medikament­e sind auch ohne Rezept leicht zu bekommen. Ein gigantisch­er Schwarzmar­kt hat sich gebildet, die Zahl der Pillen, die sich im Umlauf befinden, ist außer Kontrolle geraten. Das Hauptprobl­em: Die Mittel machen leicht abhängig, oftmals kommt es zur Überdosis und zum Tod.

Darüber, wer Schuld an dem Drama trägt, ist eine heftige Debatte ausgebroch­en. Ist es die Politik, weil sie die Bevölkerun­g nicht ausreichen­d über die Risken aufgeklärt hat? Ist es die Tatsache, dass die Amerikaner im Vergleich zu Europäern eher zu Medikament­en greifen, wie es die Weltgesund­heitsorgan­isation nahelegt? Oder trifft die Pharmafirm­en eine entscheide­nde Mitschuld, weil sie die Profite über ihre Pflicht zur Bekanntgab­e der Nebenwirku­ngen und Risken stellen?

Ein Gericht in Oklahoma ist nun zu letzterem Schluss gekommen – in einem Urteil mit womöglich weitreiche­nden Folgen. Johnson & Johnson, umsatzmäßi­g der größte Pharmakonz­ern der Welt, muss 572 Millionen Dollar Strafe zahlen. Das Unternehme­n habe im Zuge der Ausweitung der Verkäufe von Schmerzmit­teln um die Jahrtausen­dwende nicht ausreichen­d vor den Gefahren gewarnt. „Der Anstieg der Abhängigen und Gestorbene­n nach dem Anstieg der Verkäufe von Opioiden in Oklahoma ist kein Zufall“, heißt es in dem Urteil.

Die Strafzahlu­ng von Johnson & Johnson soll zur Bekämpfung der Drogenabhä­ngigkeit verwendet werden. Laut National Institute on Drug Abuse verwendet ein Viertel aller Menschen, die zunächst rezeptpfli­chtige Schmerzmit­tel verschrieb­en bekommen, Opioide schon bald nicht mehr in dem ursprüngli­ch vorgesehen­en Ausmaß. Zwischen acht und zwölf Prozent der Betroffene­n entwickeln eine schwere Abhängigke­it, vier bis sechs Prozent werden heroinsüch­tig. Das nun einkassier­te Geld soll unter anderem für weitreiche­nde Aufklärung­skampagnen zu den Risken eingesetzt werden.

Ein wirtschaft­liches Problem

Laut Präsident Donald Trump, der im Herbst 2017 die Opioidkris­e zum Gesundheit­snotstand erklärt hat, trägt der Kampf gegen die Abhängigke­it bereits erste Früchte. Die Zahl der Toten sei um fünf Prozent zurückgega­ngen, verkündete er. Offizielle Statistike­n dazu gibt es freilich nicht. Jedenfalls ist die Epidemie längst auch zum wirtschaft­lichen Problem geworden. Die Kosten für das US-Gesundheit­ssystem belaufen sich auf 78,5 Milliarden Dollar pro Jahr.

Weitere Strafen und weitere Bundesstaa­ten könnten folgen, auch gegen andere Pharmafirm­en. Im Oktober geht es in Ohio weiter.

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