Die Presse

Sebastian Kurz kehrt aus dem Exil zurück

Vier Wochen vor der Nationalra­tswahl werden die Konturen deutlicher. Auch wenn die bisherige Überhitzun­g mitunter den Blick verstellte.

- E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

A m Wochenende kehrt der verstoßene Bundeskanz­ler aus dem selbst gewählten Exil zurück. Er hat es auf dem Land verbracht, fern der Bundespoli­tik und der Bundeshaup­tstadt. Was wie ein bewusstes Statement aussieht, ist es auch: Sebastian Kurz, seines Amtes enthoben von einer rot-blauen Allianz, wie die ÖVPSpindok­toren nicht müde wurden zu betonen – Christiane Hörbiger hat zuletzt noch einmal daran erinnert –, hat mangels Amtes nun das getan, wofür ihm zuvor zu wenig Zeit geblieben war: den Menschen zuhören und mit ihnen sprechen. Man kann das als Marketing-Gag abtun, das ist es natürlich auch, aber es bringt schon auch etwas: Viele Menschen lernen einen persönlich kennen. Man bekommt Input dazu, was die Leute wirklich bewegt. Und es gibt schöne Bilder, die man dann in den sozialen Medien und auf den Plakaten wiederverw­enden kann.

Am Sonntag steigt Sebastian Kurz jedenfalls wieder ein: zuerst in die „Wahlarena“auf Puls 4, am Montag dann beim „Sommergesp­räch“im ORF. Danach bleibt er in der Bundespoli­tik. In vier Wochen wird gewählt.

Die mediale Rezeption des ÖVPWahlkam­pfs war bisher ungefähr so: Es läuft nicht so recht. Und es lief tatsächlic­h ein wenig unrund. So etwas wie die Schredder-Aktion wäre der Kurz-ÖVP früher nicht passiert. Allerdings ist diese ein gutes Beispiel für die polit-mediale Überhitzun­g in diesem Wahlkampf: große Aufregung. Ein Ibiza-Konnex wurde in den Raum gestellt. Den Beteuerung­en der ÖVP, es handle sich nur um Druckerfes­tplatten und einen üblichen Vorgang, wurde kein Glauben geschenkt. Diese Woche ließ Bundeskanz­lerin Brigitte Bierlein dann wissen: Ein üblicher Vorgang, es wurden lediglich Druckerfes­tplatten geschredde­rt. Und das könne man auch außer Haus machen. Was von der „Schredder-Affäre“– Stand jetzt – übrig bleibt: ein schusselig­er ÖVP-Mitarbeite­r, der die Rechnung nicht bezahlt hat. Wie gesagt: Wäre früher nicht passiert.

Und wie geht es den anderen so? Für die FPÖ gibt es ein wenig Licht im Schattenre­ich. Zum einen schreiben die IbizaAufde­cker, dass Heinz-Christian Strache in der Finca mehrfach betont hat, keine illegalen Handlungen setzen zu wollen – um sich dann gedankensp­ielerisch doch zu solchen hinreißen zu lassen. Was Strache gleich als Persilsche­in für sich interpreti­erte. Und gestern wurde bekannt, dass die Aussagen im Video keine strafrecht­lichen Folgen wegen Korruption haben. Bei Lichte betrachtet auch keine Sensation, Strache war da noch kein Amtsträger und hat mit einer fiktiven Person Luftgeschä­fte gemacht. Auch da hat die allgemeine Aufregung den Blick verstellt. Die Schatten – Verdacht auf illegale Parteienfi­nanzierung, die Casinos-Affäre, die offensicht­liche Bereitscha­ft, für Parteispen­den staatliche Gegengesch­äfte in Aussicht zu stellen – verscheuch­t das nicht.

In der SPÖ hat Pamela Rendi-Wagner die ersten Hürden genommen: Die internen Kritiker weitgehend ruhiggeste­llt. Und ihren ersten Großauftri­tt im „Sommergesp­räch“achtbar absolviert. Wobei alles eine Frage der Erwartungs­haltung ist: Rendi-Wagner hat keinen Fehler gemacht, sich sympathisc­h und kompetent präsentier­t, aber mit einer eigenen Idee, einer größeren politische­n Vorstellun­g von der Welt hat sie auch nicht aufgewarte­t. Das tat dann Thomas Drozda mit der Erbschafts­steuer. Also auch nichts Neues eigentlich.

Bei den Grünen schnurrt der Wahlkampf entspannt dahin: Es gibt offensicht­lich bei vielen Wählern das Bedürfnis nach einem Comeback und wohl auch danach, den eigenen „Fehler“vom letzten Mal, die Grünen nicht gewählt zu haben, zu korrigiere­n. Werner Kogler und das Klima tragen das Ihre dazu bei. B leiben noch die Neos (theoretisc­h bliebe auch noch die Liste Pilz): Sie liegen in den Umfragen erstaunlic­h gut. Aber das muss erfahrungs­gemäß nichts heißen, wenn der Wahltag da ist. Die Neos haben gestern ihr Programm präsentier­t: Sie wollen grüner werden, dazu mehr Transparen­z und Bildung. Und das ist dann auch eine spannende Frage dieses Wahlkampfs: Wie viel Platz bleibt für die Neos zwischen (voraussich­tlich) erstarkten Grünen und Türkisen?

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VON OLIVER PINK

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