Bawag treibt Wachstum in Westeuropa voran
Banken. Die Bawag Group hat in den vergangenen vier Jahren fast eine Milliarde Euro für Übernahmen ausgegeben. Trotzdem ist die Einkaufstour in Österreich, Deutschland und der Schweiz noch lange nicht abgeschlossen.
Öffentliche Auftritte, Pressegespräche oder Interviews – davon hält der Bawag-Vorstandschef, Anas Abuzaakouk, nicht viel. Schweigsam hat der US-Amerikaner die österreichische Bank umstrukturiert. Ebenso wortkarg treibt er nun ihre Expansion voran. Häppchenweise, aber stetig, trudeln die Meldungen zu neuen Akquisitionen ein. Und der ehrgeizige 41-Jährige hat noch lange nicht genug: Es werden bereits die nächsten Zukäufe geplant.
Seit dem Börsengang Ende Oktober 2017 hat die Bawag 760 Mio. Euro für Übernahmen in Deutschland und der Schweiz ausgegeben. Beginnt man die Rechnung im Jahr 2015 und berücksichtigt dabei die früher zu den Volksbanken gehörenden VB Leasing und ImmoBank, die damalige Allgemeine Bausparkasse ABV, heute start:bausparkasse, und den kurz vor der Erstnotierung abgeschlossenen Kauf des österreichischen Kreditkartenanbieters Paylife um etwa 40 Mio. Euro, kommt man auf Akquisitionen in der Höhe von 960 Mio. Euro. Abuzaakouk hat die einstige Gewerkschaftsbank im Auftrag der Kernaktionäre, der USFonds Cerberus und Golden Tree, zuerst konsequent neu aufgestellt, und nun treibt er das Wachstum durch Übernahmen voran.
Das Herzstück der jüngsten Zukäufe ist die deutsche Südwestbank: 641 Mio. Euro war es Abuzaakouk vor zwei Jahren wert, die Stuttgarter von den StrüngmannBrüdern zu übernehmen. Mit einer Bilanzsumme von rund 7,4 Mrd. Euro und knapp 100.000 Privat- und Firmenkunden dient die in Baden-Württemberg tätige Bank als Ausgangspunkt für die weiteren Expansionspläne in Deutschland.
Doch zuerst musste auch bei den Deutschen gründlich aufgeräumt werden – eine Spezialität des aktuellen Bawag-Managements. Wie schonungslos die Sparmaßnahmen verliefen, lässt sich an den Zahlen ablesen: Waren bei der Südwestbank zum Zeitpunkt der Übernahme noch 540 Mitarbeiter beschäftigt, sind es heute 325. Die Anzahl der Filialen wurde innerhalb von zwei Jahren auf 14 halbiert. Es hat sich ausgezahlt: 2018 hat die Südwestbank mit einem Vorsteuergewinn von 50 Mio. Euro zum guten Jahresergebnis beigetragen. Die Restrukturierung der Südwestbank sei „vorzeitig und weitgehend abgeschlossen“, teilt die Bawag auf Anfrage mit. In der nächsten Phase geht es nun um den Ausbau des Kerngeschäfts im Bereich Private Banking, Retail und KMU.
Das österreichische Geldinstitut hat auch schon den zweiten Schritt im Zuge der Expansion ins große Nachbarland gesetzt: Mit dem Kauf der Deutschen RingBausparkasse vom Mehrheitseigentümer Baseler Versicherungen und der Signal Iduna Gruppe Ende 2018 hat sich die Bawag im Geschäft mit Bausparprodukten und Hypothekarfinanzierungen eine solide Ausgangsposition geschaffen. Die Hamburger Bausparkasse hat 85.000 Kunden und Vermögenswerte von einer halben Milliarde Euro. Anfang 2019 wurde sie in die bereits in Österreich tätige start:bausparkasse umbenannt. Zusammen mit der Südwestbank ist sie die Basis für eine deutschlandweite Retail-Plattform.
Ergänzend haben sich Abuzaakouk und seine Vorstandskollegen einige Nischenmärkte auserkoren – und im ersten Halbjahr 2019 zugeschlagen. Mit der Übernahme der nahe Frankfurt ansässigen BFL Leasing – ein auf die Finanzierung von IT-Produkten und -Dienstleistungen spezialisiertes Unternehmen mit rund 50.000 Kunden – soll das Leasinggeschäft in Deutschland ausgeweitet werden.
Mit zwei weiteren Akquisitionen, der Health Coevo AG mit Sitz in Hamburg und der Schweizer Zahnärztekasse AG, hat sich die Bawag in das Geschäftsfeld Dental Factoring eingekauft. Damit soll vom wachsenden Markt für den Verkauf von Forderungen (Factoring) und Finanzierungen in der Zahnmedizin profitiert werden.
Doch die zahlreichen Zukäufe sind nur ein Zwischenstand. Man halte weiterhin „die Augen nach Übernahmemöglichkeiten offen“, sagt der Konzern zur „Presse“. Dabei bleibe der Fokus auf Unternehmen in der D-A-CH-Region, mit Bilanzsummen im Bereich von einer bis zehn Milliarden Euro.
Bei einem seiner seltenen Auftritte, beim Bawag-Börsengang im Oktober 2017, sprach Abuzaakouk von einer „robusten Pipeline“an Projekten in Österreich, Deutschland und der Schweiz, die das Potenzial für Übernahmen bieten. Mehr als eine Milliarde Euro würden bis 2020 für Zukäufe oder organisches Wachstum zur Verfügung stehen, hieß es damals. So lautet die neue Rechnung: Zieht man die seit dem Börsengang investierten 760 Mio. Euro ab, bleiben noch satte 300 Mio. Euro an finanziellem Spielraum für Akquisitionen. Man darf also auf die nächste Meldung gespannt sein.