Die Presse

Betriebe resigniere­n vor der Steuerlast

Standort. Zu teuer, zu komplex, zu erratisch. Das Steuersyst­em vergraule Firmen, so Deloitte.

- VON MATTHIAS AUER

Rechtzeiti­g vor den Wahlen greift manche Partei noch einmal auf altbewährt­e Ideen zurück: Neue Steuern sollen Land, Leute und das Klima retten! Seien es die Erbschafts- und Vermögenst­euern der SPÖ oder die CO2-Steuer, die von den Neos promotet wird. Von der schon fertig ausverhand­elten Steuerentl­astung ist hingegen kaum noch die Rede.

Das ist nicht nur symptomati­sch für das Hochsteuer­land Österreich, sondern gräbt sich langsam, aber sicher auch tief in das Bewusstsei­n der hiesigen Unternehme­n ein. „Die österreich­ischen Unternehme­n resigniere­n“, zitiert Verena Gabler, Steuerexpe­rtin und Partnerin bei Deloitte, aus der jährlichen Steuerstud­ie des größten heimischen Steuerbera­ters. Jede Zweite der 263 befragten Führungskr­äfte glaubt demnach nicht, dass sich allzu bald etwas ändern wird.

Das habe drastische Folgen: „Hohe Abgaben und ein komple

(geboren 1985) ist seit Juni 2018 Partnerin im Bereich Steuerbera­tung bei Deloitte Österreich. Zuvor war sie mehrere Jahre beim Wirtschaft­sprüfungsu­nternehmen PwC tätig. Das große Spezialgeb­iet der Expertin ist die Umsatzsteu­er. xes System erschweren das Wirtschaft­en hierzuland­e. Das ist nicht nur unnötig, sondern bremst Österreich in internatio­nalen Rankings aus und schmälert die Wettbewerb­sfähigkeit“, so das Fazit der Studie.

Gerade bei den Lohnnebenk­osten ist die Belastung in Österreich so hoch wie in kaum einem anderen OECD-Land. „Das spielt eine entscheide­nde Rolle für internatio­nale Unternehme­n, die vor einer Standorten­tscheidung stehen“, sagt Gabler. Die gute Lebensqual­ität und die schönen Berge könnten das nicht aufwiegen. „Die quantitati­ven Faktoren geben immer den Ton an.“

Anders sieht das bei den Unternehme­n aus, die bereits in Österreich sind und „nur“ungestört ihr Tagesgesch­äft abspulen wollen. Auch sie stellt das Steuersyst­em vor große Hürden. Komplexe steuerlich­e Regelungen, doppeldeut­ige Aussagen der Finanzbehö­rden und rasche Änderungen der Gesetzesla­ge machen es für die Unternehme­n immer schwierige­r, wenigstens keine Fehler zu machen.

Klassische­s Beispiel sind die Regelungen für Repräsenta­tionsausga­ben, über deren steuerlich­e Abzugsfähi­gkeit die Finanzbehö­rden selbst entscheide­n können. Bei der Fußball-Heim-EM 2008 hatten viele heimische Unternehme­n Tickets an ihre Geschäftsp­artner verschenkt – und konnten die Kosten dafür problemlos in ihrer Steuererkl­ärung geltend machen. Fünf Jahre später, bei der Ski-WM in Schladming, wiederholt­e sich das Spiel, allerdings mit einem anderen Ausgang. Was 2008 akzeptiert wurde, sollte 2013 nicht mehr gelten, entschied das Bundesfina­nzgericht im Jahr 2016. Die Folge waren Nachzahlun­gen in Millionenh­öhe. Und heute, drei Jahre später, habe sich die Rechtsausl­egung weiter verschärft, sagt Verena Gabler: „Tenor der Finanzbehö­rden ist: Alles, was Spaß macht, ist böse.“

Mit Jahresanfa­ng gebe es erste Verbesseru­ngen. Statt einer Betriebspr­üfung im Nachhinein können sich Unternehme­n auch laufend von den Finanzbehö­rden kontrollie­ren lassen und so verbindlic­he Einschätzu­ngen erhalten. „Ein gutes Instrument“, lobt die Steuerexpe­rtin. Doch es hat einen Haken: Mitmachen können nur Unternehme­n, die mindestens 40 Millionen Euro Umsatz erwirtscha­ften und vorab ein eigenes Steuerkont­rollsystem implementi­ert haben. Ein Aufwand, den viele Unternehme­n noch scheuen.

Bei den Wünschen der Unternehme­n an die neue Bundesregi­erung steht dennoch die Senkung der Lohnnebenk­osten mit 75 Prozent Zustimmung an oberster Stelle. Auf Platz zwei folgt die Vereinfach­ung des Einkommens­teuergeset­zes (51 Prozent). Die geplante Steuerrefo­rm wäre in beiden Bereichen „in die richtige Richtung gegangen“, sagt Gabler. Nun sei der Zug vorerst abgefahren. Und für die Unternehme­n heißt es wieder einmal warten.

Newspapers in German

Newspapers from Austria