Im Labor gezüchtete Minigehirne zeigen typische Hirnwellen
Die erbsengroßen Gewebe sind aus menschlichen Zellen entstanden.
Pluripotente Stammzellen, wie man sie etwa aus Knochenmark gewinnen kann, können sich zu allen möglichen Typen von Zellen entwickeln. So kann man aus ihnen sämtliche Arten von Geweben züchten. Auch Nervengewebe. 2013 gelang es Forschern am Wiener Institut für Molekulare Biotechnologie weltweit das erste Mal, auf diese Weise aus menschlichen Stammzellen bis zu vier Millimeter große Zellverbände zu züchten, die man Gehirn-Organoide nennen kann und in denen man etwa das Wachstum von Tumoren erforschen kann. Sie bilden auch regelrechte neuronale Netzwerke aus.
Biologen um Alysson Muotri (San Diego) berichten nun in Cell Stem Cell (29. 8.), dass sie an zwei Monate alten solchen Organoiden kollektive elektrische Oszillationen gemessen haben, die den Hirnwellen frühgeborener Babys ähneln, alle mit derselben Frequenz. Nach weiterem Wachstum entstanden Wellen verschiedener Frequenzen, die Signale wurden regelmäßiger. „Das resultiert daraus, dass sich mehr funktionale Synapsen zwischen den Neuronen bilden“, sagt Muotri. Es sei aber „unwahrscheinlich“, dass die Organoide mentale Aktivitäten aufweisen: Sie seien sehr rudimentäre Modelle, haben keine unterschiedlichen Teile und Strukturen, wie sie für Entstehung von Bewusstsein unerlässlich sind. Es könnte freilich sein, meint Muotri, „dass wir in Zukunft etwas bekommen, das wirklich nahe an den Signalen in Menschenhirnen ist, die Verhalten, Gedanken oder Gedächtnis steuern“. Eine etwas unheimliche Vorstellung, die Muotri mit einem weiteren Satz verstärkt: „Als Wissenschaftler will ich dem menschlichen Hirn immer näher kommen.“(tk)