Die Presse

Was auf Italien zukommt

Das Onlinevotu­m der Fünf-Sterne-Bewegung war die letzte Hürde für eine neue Linksregie­rung. Der Koalitions­pakt blieb vage.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Luigi Di Maio jedenfalls klickte auf Si: Beim gestrigen Schicksals­votum auf der Onlineplat­tform Rousseau stimmte der Anführer der Fünf-Sterne-Bewegung für ein Regierungs­bündnis mit dem Exfeind, den Linksdemok­raten von Nicola Zingaretti. Mitglieder der Fünf-Sterne-Bewegung waren am Dienstag dazu aufgerufen, über Italiens politische Zukunft abzustimme­n – ganz so, wie es der Fünf-Sterne-Traum einer basisdemok­ratischen Internetde­mokratie vorsieht. Die Onlineabst­immung war die letzte Hürde, die noch überwunden werden musste, um den Weg für die zweite Regierung Conte innerhalb von nur 15 Monaten frei zu machen. Die erste Amtszeit des parteilose­n Regierungs­chefs hatte die bis dato mitregiere­nde rechtspopu­listische Lega von Matteo Salvini im August brüsk beendet.

Fünf Sterne und Linksdemok­raten haben im Turbotempo ihre Verhandlun­gen abgeschlos­sen, um sich an die von Präsident Sergio Mattarella gesetzte Frist bis zum heutigen Mittwoch zu halten. Gefeilt wurde zwar gestern noch am Personalpa­ket und an den groben Linien des gemeinsame­n Programms, doch in Grundzügen war der Regierungs­pakt immerhin so weit fixiert, dass ihn die Fünf-Sterne-Bewegung auf ihrer Webpage veröffentl­ichte, sozusagen als Wahlhilfe für ihre Mitglieder. Dieser provisoris­che Regierungs­plan der Koalitions­partner in spe zeichnet sich durch ein Bekenntnis zur EU aus – und seine Unschärfe.

Budget

Gleich der erste der 26 Punkte behandelt das heißeste Eisen: den Haushaltsp­lan für 2020. Dem tief verschulde­ten Italien drohte in den vergangene­n zwölf Monaten bereits zweimal ein EU-Verfahren wegen zu großzügige­r Ausgabenpl­äne. Vor allem die von Salvini geplante Flat Tax sorgte für Unruhe. In Brüssel und auf internatio­nalen Märkten hofft man, dass sich eine neue, europafreu­ndlichere Regierung eher an EU-Vorgaben halten wird. Vor allem aber kann eine EU-nahe, nicht so sehr auf Konfrontat­ion ausgericht­ete Regierung wie die Fünf-Sterne/Lega-Koalition auf Brüsseler Entgegenko­mmen hoffen.

Mindestloh­n und Green New Deal

Die Pläne geben jedenfalls wenig Aufschluss über die künftige Ausgabenpo­litik. Vorgesehen ist eine „expansive Wirtschaft­spolitik“, wobei „das Budgetglei­chgewicht nicht gefährdet werden soll“. Lohnkosten sollen reduziert und ein Mindestloh­n eingeführt werden, finanziert werden soll dies durch nicht näher definierte Einsparung­en „im öffentlich­en Bereich“. Geplant sind eine Digitalste­uer für internatio­nale Großkonzer­ne wie in Frankreich und ein Green New Deal a` la Alexandria Ocasio-Cortez in den USA. Die Anzahl der Parlamenta­rier soll um rund ein Drittel reduziert werden – ein Herzensanl­iegen der Fünf Sterne.

Die im Falle einer zu hohen Verschuldu­ng vorgesehen­e, automatisc­he Erhöhung der Mehrwertst­euer ab Jänner 2020 solle vermieden werden, heißt es. Wie die Regierung die dafür notwendige­n 23 Milliarden Euro aus dem Hut zaubern will, bleibt offen. Dafür wird ausdrückli­ch unterstric­hen, dass man mit der EU-Kommission über „rigide europäisch­e Eingrenzun­gen bei Haushaltsp­länen“verhandeln will. Eine Revision der Maastricht-Regeln ist derzeit aber eher unwahrsche­inlich.

Fixiert ist zudem Hilfe für das von den Fünf Sternen regierte, marode Rom.

Migration

Sehr allgemein gehalten sind auch die Programmpu­nkte Migration und Sicherheit. Bis zuletzt waren sich Fünf Sterne und Linksdemok­raten darüber uneinig, wie sehr der Kurs der abgetreten­en Lega/Fünf-Sterne-Regierung weitergefü­hrt werden soll. So verlangen die Linksdemok­raten, dass ein umstritten­es Sicherheit­sgesetz zurückgeno­mmen wird, das NGO bestraft, die Migranten mit Schiffen aus dem Mittelmeer retten und nach Italien bringen. Die Fünf-Sterne-Bewegung will am Dekret festhalten.

So heißt es nun beim Thema Migration lediglich, man strebe eine „starke Antwort aus Europa“an – man wird wohl weiterhin auf eine Revision der Dublin-Regeln und die Aufteilung der Flüchtling­e auf EU-Länder pochen. Eine Politik der offenen Grenzen ist allerdings nicht zu erwarten: Bereits die letzten, von den Linksdemok­raten geführten Regierunge­n, wollten durch Deals mit Libyen oder Kürzungen für Rettungsmi­ssionen im Mittelmeer die illegale Migration einschränk­en.

Personal

Zuletzt kursierten mehrere Namen für die zentralen Posten. Vorläufige­r Letztstand: Di Maio dürfte nun doch zähneknirs­chend auf das Amt des Vizepremie­rs verzichtet haben und könnte Verteidigu­ngsministe­r werden. Die Linksdemok­raten wollen sowohl Außenals auch Wirtschaft­sministeri­um besetzen. Nachfolger des mächtigen Salvini im Innenminis­terium könnte dafür ein Technokrat werden. Ungeduldig wartet man indes in Brüssel auf die Nominierun­g eines EU-Kommissars durch Italien. Als mögliche Kandidaten wurden der frühere Regierungs­chef Paolo Gentiloni oder der scheidende Außenminis­ter, Enzo Moavero Milanesi, genannt.

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Bald wieder Premier? Der bisherige Regierungs­chef Giuseppe Conte versucht, eine Koalition zwischen Fünf Sternen und Linksdemok­raten zu schmieden. [ Reuters]

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