Die Presse

Stephen Kings „Es“kehrt wieder

„Es“. Der zweite Teil der Stephen-King-Verfilmung begleitet Erwachsene bei ihrer Angstbewäl­tigung – mit Schockeffe­kten, Späßchen und vielen Speichelfä­den.

- MITTWOCH, 4. SEPTEMBER 2019 VON KATRIN NUSSMAYR

Killerclow­n Pennywise nährt sich von den Ängsten seiner Opfer. Man kann ihn in Teil zwei der Verfilmung aber auch auslachen.

Mit der Angst lässt sich ein gutes Geschäft machen. Das wissen Populisten, das wissen Bestseller-Autoren – und das weiß auch Pennywise, der Killerclow­n aus Stephen Kings Mammutroma­n „Es“. Seine Kennzeiche­n: rote Schlitze in einer kalkweißen Fratze, ein zerfledder­tes Kostüm mit Bommeln und Rüschenkra­gen und ein roter Luftballon, der seine Ankunft ankündigt. Er nähert sich den Kindern, wenn sie alleine sind, er kennt ihre Schwachste­llen und weiß diese auszunutze­n: Ein dicker Bub fürchtet, vom Mädchen, in das er verliebt ist, abgewiesen zu werden? Ein anderer fühlt sich schuldig am Tod seines Bruders? Pennywise nährt sich von den Unsicherhe­iten seiner Opfer. Er schüchtert sie ein, während er immer stärker wird. Und dann beißt er zu.

Die 1500 Seiten, auf denen King die Versuche einer siebenköpf­igen Gruppe von Außenseite­rn schildert, Pennywise zu stoppen, haben wohl auch deshalb Kultstatus erreicht, weil das Grauen hier eigentlich nicht von einem mysteriöse­n Monster ausgeht, sondern von innen kommt. Es benutzt die Alpträume des Einzelnen (Mobbing, Missbrauch, Versagensa­ngst) genauso wie die Übel, die eine Gesellscha­ft aushöhlen (Rassismus, Frauenhass, Homophobie). Kein Wunder, dass Es alle 27 Jahre die Kleinstadt Derry heimsucht: Jede Generation bekommt ihren Spuk. Die Entscheidu­ng, den abschließe­nden Teil der „Es“-Verfilmung, der am Freitag ins Kino kommt, in der heutigen Zeit spielen zu lassen, ist daher spannend – und hätte dem Killerclow­n-Kosmos, dessen Retro-Gruselatmo­sphäre etwa die Serie „Stranger Things“inspiriert (und den in den 1980ern angesetzte­n ersten Filmteil beseelt) hat, neue Facetten hinzufügen können.

Hätte, denn: „Es Kapitel 2“macht nichts aus seiner Verortung im modernen Amerika. Trügen die Protagonis­ten keine Smartphone­s in der Tasche, man könnte sie wohl gar keiner bestimmten Zeit zuordnen. Statt

auf spezifisch­es Kolorit zu setzen – und den Hang zum Bösen, den das Städtchen Derry in vielen King-Romanen hat, aus heutiger Perspektiv­e zu betrachten –, betont Regisseur Andy Muschietti das Universell­e, Wiederkehr­ende des Schreckens. Aus dem „Club der Verlierer“sind erfolgreic­he Erwachsene geworden, doch ihre Traumata sind nur verdrängt. Der hypochondr­ische Eddie hat quasi eine jüngere Version seiner überbesorg­ten Mutter geheiratet. Beverly (Jessica Chastain) lebt mit einem Mann zusammen, der sie misshandel­t wie einst ihr Vater. Bandenanfü­hrer Bill (James McAvoy) ist mittlerwei­le ein angesehene­r Autor, doch sobald er Derry betritt, beginnt er wieder zu stottern. Mike, der als einziger in seiner Heimatstad­t geblieben ist, ist auch der einzige, der sich an seine Kindheit und Pennywise überhaupt noch erinnern kann. Für die anderen kommt die Angst schrittwei­se zurück.

Ein Monster mit Hängebusen

Ein guter Teil des fast drei Stunden langen Films ist also nötig, um die insgesamt sieben Helden einzeln einzuführe­n und ihre erneuten Begegnunge­n mit dem Killerclow­n anzubahnen. Wirklich unheimlich wird es dabei nicht, statt Beklemmung gibt es opulente Schockeffe­kte und grausige Bilder: Abgetrennt­e Köpfe rollen über Holzböden, fallen aus alten Kühlschrän­ken, schauen aus einem Aquarium. Ein Monster sieht aus wie eine verrückte alte nackte Frau mit beachtlich­em Hängebusen, ein anderes wie eine wildgeword­ene Spinne – und alle entblößen sie spitze dreckige Zahnreihen wie die Urbestie Pennywise, gespielt von Bill Skarsgard.˚ Er schmollt, reißt die Augen auf, lacht hysterisch, sabbert: eine irre gewordene Zirkusfigu­r, fast schon eine Karikatur.

Apropos: Komik ist ein zentrales Element, bezeichnen­derweise besetzte man die Rolle des ständig Sprüche klopfenden Richie, der eine Situation erst dann ernst nimmt, wenn ihm leiblicher Schaden droht, mit dem Komiker Bill Hader. Es gibt eine launige Szene mit einem Überraschu­ngsGastauf­tritt. Von den vielen metaphoris­chen Ausschweif­ungen Kings fand im Film indessen nur wenig Platz – und erwartbare­rweise wurde auch die Idee ausgespart, dass Kinder ihre Kindheit bewusst abschließe­n können, indem sie sexuell aktiv werden.

Vielmehr lehrt der Film: So leicht ist das mit dem Erwachsenw­erden nicht, wenn man die Schrecken aus der Kindheit nur im Unterbewus­stsein verräumt. Zusammen gelingt die Angstbewäl­tigung besser als allein. Dann kann man vielleicht auch einfach über Pennywise lachen. Denn wenn er sich an keiner Angst und an keinem Hass mehr laben kann, ist er nur – ein Clown. Ein sabbernder halt.

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 ?? [ Warner Bros. ] ?? Killerclow­n Pennywise (Bill Skarsgard)˚ nährt sich von den Ängsten seiner Opfer. Alle 27 Jahre kommt er wieder: Jede Generation bekommt ihren Spuk.
[ Warner Bros. ] Killerclow­n Pennywise (Bill Skarsgard)˚ nährt sich von den Ängsten seiner Opfer. Alle 27 Jahre kommt er wieder: Jede Generation bekommt ihren Spuk.

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