Warum Parteiangaben kaum überprüfbar sind
Finanzen. Die ÖVP will den „Falter“klagen, weil dieser der Partei unlautere Tricks vorwirft. Tatsächlich gibt es Gesetzeslücken, die man „kreativ“gestalten kann. Doch ob eine Partei illegal handelt, ist für den Rechnungshof schwer feststellbar.
Schummelt die ÖVP bei den Wahlkampfkosten? Das legt ein Bericht des „Falter“nahe. Die Partei will das nicht auf sich sitzen lassen und auf Unterlassung klagen. Aber worum drehen sich die Vorwürfe und wieso ist es so schwer, Parteiangaben zu kontrollieren?
1 Worum geht es in der geplanten Klage der ÖVP gegen den „Falter“?
Die ÖVP soll 17 Punkte aus dem „Falter“-Bericht bemängeln. Es geht u. a. um den Vorwurf, die Partei habe zwei Millionen Kugelschreiber, die 2017 gekauft wurden, nicht als Wahlkampfkosten deklariert. Die ÖVP bestreitet das. Auch im heurigen Wahlkampf führt die ÖVP laut den Vorwürfen eine „doppelte Buchhaltung“, um offiziell unter der gesetzlichen Obergrenze von sieben Millionen Euro zu bleiben. Dies wird von der Partei ebenfalls dementiert. In der ÖVP vermutet man, dass die vom „Falter“publizierten Papiere zuvor gefälscht worden sein könnten. Eigene Dokumente zur Verteidigung legte die ÖVP nicht vor.
2 Wie „kreativ“darf die Berechnung der Parteien sein?
§ 4 des Parteiengesetzes ist an sich recht klar. Als Wahlwerbung müssen „insbesondere Plakate, Wahlkampfgeschenke zum Verteilen, zusätzliche Personalkosten, Inserate . . .“deklariert werden. Relevant ist dabei nicht, wann die Leistungen bezahlt wurden, sondern ob sie zwischen dem Stichtag der Wahl (82 Tage zuvor) und der Wahl erbracht wurden. Einziger echter „Konstruktionsfehler“des § 4 ist, dass die Wahlwerbung durch Dritte (z. B. Vereine) – bis auf Personenkomitees – nicht erfasst ist. Darüber hinaus krankt er aber am Problem, das alle Parteifinanzen betrifft: zu wenig echte Kontrolle (s. Punkt 4). Was dazu führt, „dass Parteien Grenzen ausreizen und überreizen“, wie Parteifinanzexperte Hubert Sickinger sagt.
Was Wahlkampfkosten sind, entscheidet nämlich de facto die Partei selbst – alles Weitere hängt davon ab, wie sehr der Wirtschaftsprüfer nachfragt (siehe dazu aber Punkt 3). Dass etwa die ÖVP, wie der „Falter“berichtet, Mitarbeiterprämien im Wahlkampf als „NichtWahlkampfkosten“einstuft, ist für Sickinger „zu hinterfragen“.
Für ihn ist es auch ein „formaler Trick“, wenn Waren, die vorwiegend im Wahlkampf verwendet werden (Ballons, Sonnenbrillen etc.), auf die gesamten fünf Jahre Legislaturperiode umgelegt und nur anteilig für den Wahlkampf verrechnet werden: „Das ist illegal.“Skeptisch sei er auch, wenn kurz vor dem Stichtag extrem hohe Rechnungen verbucht würden.
3 Wie viel Einblick in die Parteifinanzen hat der Wirtschaftsprüfer?
Die Parteien nominieren ihre Wirtschaftsprüfer selbst – der Rechnungshof sucht aus den fünf Vorschlägen der Partei zwei Kanzleien aus. „Gewissenhaft und unparteiisch“sollten diese prüfen, sie seien gleichzeitig aber durch das Parteiengesetz relativ beschränkt, heißt es aus der Branche zur „Presse“.
Denn der anzufertigende Rechenschaftsbericht, der das Finanzgebaren der Partei aufschlüsselt, unterscheidet sich stark vom Jahresabschluss einer Firma: Der Prüfer bekommt keinen Überblick über Vermögen und Schulden, sondern nur eine Liste der Einnahmen und Ausgaben überreicht. Und er hat die Aufgabe, zu kontrollieren, ob diese den gesetzlichen Anforderungen entspricht.
Wenn die Hälfte der Plakate über das Konto eines parteinahen Vereins abgerechnet wird, scheint das also nirgends auf. Als Wirtschaftsprüfer investigativ tätig zu sein und zusätzliche Belege zu Kugelschreibern oder Sonnenbrillen anzufordern, sprenge die Kompetenz des Prüfers, sagen Branchenvertreter. Die zwei Kanzleien, die die ÖVP-Finanzen prüften, waren am Dienstag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
4 Warum kann der Rechnungshof Angaben schwer nachprüfen?
Findet der Rechnungshof im Bericht der Partei konkrete Anhaltspunkte dafür, dass etwas nicht stimmt, darf er nachfragen. Kann die Partei die Zweifel nicht ausräumen, dürfte der Rechnungshof sogar per Los einen (neuen) Wirtschaftsprüfer bestellen lasen. Doch darf der Rechnungshof selbst nicht in die Bücher der Parteien schauen. Aber ohne in die Bücher der Partei schauen zu dürfen, kann der Rechnungshof nur schwer die Angaben der Partei anzweifeln. Überdies müssen Parteien in ihrem Rechenschaftsbericht die Zahlen für ihre Wahlkampfkosten nicht genau aufschlüsseln, sondern nur die Gesamtsumme nennen.
5 Welche Sanktionen drohen einer Partei bei Fehlverhalten?
Im Wahlkampf 2017 beteuerte die ÖVP, dass sie die gesetzliche Ausgabengrenze von sieben Millionen Euro nicht überschreiten werde. In Wahrheit gab sie aber fast 13 Millionen Euro aus, wie die Partei 2018 dann auch dem Rechnungshof in ihrem Bericht kundtat. Der Partei droht dafür eine Strafzahlung von bis zu einer Million Euro.
Nach einer Novelle gelten aber für heuer drastischere Bußen: Es werden zwischen zehn und 150 Prozent der Überschreitungssumme als Strafe fällig (bisher waren es nur zehn bis 20 Prozent). Dementsprechend lohnt es sich für Parteien heuer besonders, auf die Ausgaben zu achten. Oder zumindest darauf, was in der Bilanz steht.