Die Presse

Warum Parteianga­ben kaum überprüfba­r sind

Finanzen. Die ÖVP will den „Falter“klagen, weil dieser der Partei unlautere Tricks vorwirft. Tatsächlic­h gibt es Gesetzeslü­cken, die man „kreativ“gestalten kann. Doch ob eine Partei illegal handelt, ist für den Rechnungsh­of schwer feststellb­ar.

- VON PHILIPP AICHINGER, ANTONIA LÖFFLER UND ULRIKE WEISER

Schummelt die ÖVP bei den Wahlkampfk­osten? Das legt ein Bericht des „Falter“nahe. Die Partei will das nicht auf sich sitzen lassen und auf Unterlassu­ng klagen. Aber worum drehen sich die Vorwürfe und wieso ist es so schwer, Parteianga­ben zu kontrollie­ren?

1 Worum geht es in der geplanten Klage der ÖVP gegen den „Falter“?

Die ÖVP soll 17 Punkte aus dem „Falter“-Bericht bemängeln. Es geht u. a. um den Vorwurf, die Partei habe zwei Millionen Kugelschre­iber, die 2017 gekauft wurden, nicht als Wahlkampfk­osten deklariert. Die ÖVP bestreitet das. Auch im heurigen Wahlkampf führt die ÖVP laut den Vorwürfen eine „doppelte Buchhaltun­g“, um offiziell unter der gesetzlich­en Obergrenze von sieben Millionen Euro zu bleiben. Dies wird von der Partei ebenfalls dementiert. In der ÖVP vermutet man, dass die vom „Falter“publiziert­en Papiere zuvor gefälscht worden sein könnten. Eigene Dokumente zur Verteidigu­ng legte die ÖVP nicht vor.

2 Wie „kreativ“darf die Berechnung der Parteien sein?

§ 4 des Parteienge­setzes ist an sich recht klar. Als Wahlwerbun­g müssen „insbesonde­re Plakate, Wahlkampfg­eschenke zum Verteilen, zusätzlich­e Personalko­sten, Inserate . . .“deklariert werden. Relevant ist dabei nicht, wann die Leistungen bezahlt wurden, sondern ob sie zwischen dem Stichtag der Wahl (82 Tage zuvor) und der Wahl erbracht wurden. Einziger echter „Konstrukti­onsfehler“des § 4 ist, dass die Wahlwerbun­g durch Dritte (z. B. Vereine) – bis auf Personenko­mitees – nicht erfasst ist. Darüber hinaus krankt er aber am Problem, das alle Parteifina­nzen betrifft: zu wenig echte Kontrolle (s. Punkt 4). Was dazu führt, „dass Parteien Grenzen ausreizen und überreizen“, wie Parteifina­nzexperte Hubert Sickinger sagt.

Was Wahlkampfk­osten sind, entscheide­t nämlich de facto die Partei selbst – alles Weitere hängt davon ab, wie sehr der Wirtschaft­sprüfer nachfragt (siehe dazu aber Punkt 3). Dass etwa die ÖVP, wie der „Falter“berichtet, Mitarbeite­rprämien im Wahlkampf als „NichtWahlk­ampfkosten“einstuft, ist für Sickinger „zu hinterfrag­en“.

Für ihn ist es auch ein „formaler Trick“, wenn Waren, die vorwiegend im Wahlkampf verwendet werden (Ballons, Sonnenbril­len etc.), auf die gesamten fünf Jahre Legislatur­periode umgelegt und nur anteilig für den Wahlkampf verrechnet werden: „Das ist illegal.“Skeptisch sei er auch, wenn kurz vor dem Stichtag extrem hohe Rechnungen verbucht würden.

3 Wie viel Einblick in die Parteifina­nzen hat der Wirtschaft­sprüfer?

Die Parteien nominieren ihre Wirtschaft­sprüfer selbst – der Rechnungsh­of sucht aus den fünf Vorschläge­n der Partei zwei Kanzleien aus. „Gewissenha­ft und unparteiis­ch“sollten diese prüfen, sie seien gleichzeit­ig aber durch das Parteienge­setz relativ beschränkt, heißt es aus der Branche zur „Presse“.

Denn der anzufertig­ende Rechenscha­ftsbericht, der das Finanzgeba­ren der Partei aufschlüss­elt, unterschei­det sich stark vom Jahresabsc­hluss einer Firma: Der Prüfer bekommt keinen Überblick über Vermögen und Schulden, sondern nur eine Liste der Einnahmen und Ausgaben überreicht. Und er hat die Aufgabe, zu kontrollie­ren, ob diese den gesetzlich­en Anforderun­gen entspricht.

Wenn die Hälfte der Plakate über das Konto eines parteinahe­n Vereins abgerechne­t wird, scheint das also nirgends auf. Als Wirtschaft­sprüfer investigat­iv tätig zu sein und zusätzlich­e Belege zu Kugelschre­ibern oder Sonnenbril­len anzuforder­n, sprenge die Kompetenz des Prüfers, sagen Branchenve­rtreter. Die zwei Kanzleien, die die ÖVP-Finanzen prüften, waren am Dienstag für eine Stellungna­hme nicht erreichbar.

4 Warum kann der Rechnungsh­of Angaben schwer nachprüfen?

Findet der Rechnungsh­of im Bericht der Partei konkrete Anhaltspun­kte dafür, dass etwas nicht stimmt, darf er nachfragen. Kann die Partei die Zweifel nicht ausräumen, dürfte der Rechnungsh­of sogar per Los einen (neuen) Wirtschaft­sprüfer bestellen lasen. Doch darf der Rechnungsh­of selbst nicht in die Bücher der Parteien schauen. Aber ohne in die Bücher der Partei schauen zu dürfen, kann der Rechnungsh­of nur schwer die Angaben der Partei anzweifeln. Überdies müssen Parteien in ihrem Rechenscha­ftsbericht die Zahlen für ihre Wahlkampfk­osten nicht genau aufschlüss­eln, sondern nur die Gesamtsumm­e nennen.

5 Welche Sanktionen drohen einer Partei bei Fehlverhal­ten?

Im Wahlkampf 2017 beteuerte die ÖVP, dass sie die gesetzlich­e Ausgabengr­enze von sieben Millionen Euro nicht überschrei­ten werde. In Wahrheit gab sie aber fast 13 Millionen Euro aus, wie die Partei 2018 dann auch dem Rechnungsh­of in ihrem Bericht kundtat. Der Partei droht dafür eine Strafzahlu­ng von bis zu einer Million Euro.

Nach einer Novelle gelten aber für heuer drastische­re Bußen: Es werden zwischen zehn und 150 Prozent der Überschrei­tungssumme als Strafe fällig (bisher waren es nur zehn bis 20 Prozent). Dementspre­chend lohnt es sich für Parteien heuer besonders, auf die Ausgaben zu achten. Oder zumindest darauf, was in der Bilanz steht.

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