Die Presse

Waldbrände stärken Widerstand gegen Mercosur-Abkommen

Welthandel. Brasiliens Unwille, die Feuer im Amazonasge­biet zu löschen, spielt sowohl Globalisie­rungskriti­kern wie Agrarlobby­isten in die Karten.

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Eine harmonisch­e Ratifizier­ung ist schwer vorstellba­r, solang es am Amazonas brennt. Mina Andreeva, Kommission­ssprecheri­n

Das gegenwärti­g wirtschaft­lich und weltpoliti­sch wichtigste Handelsabk­ommen der EU droht zu scheitern, noch ehe sein Text überhaupt veröffentl­icht ist. Die seit Wochen wütenden Brände in den brasiliani­schen Amazonasre­genwäldern verleihen den bisher schon erklärten Gegnern des Abkommens mit den vier MercosurSt­aaten Brasilien, Argentinie­n, Paraguay und Uruguay neue Argumente für dessen Ablehnung.

Weil diesem völkerrech­tlichen Vertrag sowohl das Europaparl­ament als auch alle 27 nationalen Gesetzgebe­r (ohne UK) zustimmen müssen, könnte schon das Nein einer einzigen dieser 28 Kammern das Scheitern bedeuten. Somit wäre die Arbeit von zwei Jahrzehnte­n mühseliger diplomatis­cher Verhandlun­gen vergebens gewesen. Die Strategie der Europäer, angesichts des destruktiv­en Auftretens von US-Präsident Donald Trump auf der Weltbühne durch den Abschluss vieler bilaterale­r Handelsabk­ommen die globale politische Ordnung weitgehend intakt zu halten, erhielte einen schweren Rückschlag. Es würde sich generell die Frage auftun, wie es um die geopolitis­che Handlungsf­ähigkeit der EU bestellt ist, die nicht nur der scheidende Kommission­spräsident, Jean-Claude Juncker, unter seinem Schlagwort der „Weltpoliti­kfähigkeit“zu beschwören nicht müde wird.

Die Gegner des Mercosur-Abkommens kommen seit jeher aus zwei einander ansonsten oft spinnefein­d seienden Lagern: einerseits aus der linken, globalisie­rungskriti­schen Ecke, anderersei­ts aus der politisch druckvolle­n Agrarlobby, die vor ruinöser Konkurrenz warnt.

Grüne für Boykott

Die aufreizend­e Lustlosigk­eit des neuen rechtsauto­ritären brasiliani­schen Präsidente­n, Jair Bolsonaro, im Umgang mit den Waldbrände­n, die auf Brandrodun­gen zurückzufü­hren sind, vereint diese Gegner. So erklärte beispielsw­eise ÖVP-Chef Sebastian Kurz, er würde das Abkommen „in der jetzigen Form“ablehnen. Die Grünen im Europaparl­ament wiederum fordern darüber hinaus den Stopp aller brasiliani­schen Einfuhren von Soja und Rindfleisc­h, um Bolsonaro zum Feuerlösch­en zu bewegen. „Ich finde es so drastisch, was da passiert, dass man das einmal probieren sollte“, sagte die deutsche Europaabge­ordnete Anna Cavazzini am Dienstag.

Die anderen politische­n Gruppen im Europaparl­ament halten sich vorerst noch bedenkt. Es habe noch keine Gelegenhei­t gegeben, den ausverhand­elten Vertragste­xt zu debattiere­n, sagten Sprecher der Europäisch­en Volksparte­i und der Sozialdemo­kraten gegenüber der „Presse“. Das liegt auch daran, dass der Text noch von den Juristen der Kommission rechtlich bereinigt wird.

Angesichts der jüngsten Drohungen der Regierunge­n Irlands und Frankreich­s (beide mit höchst skeptische­n und einflussre­ichen Agrarsekto­ren), das Abkommen im Lichte der Amazonasbr­ände ablehnen zu wollen, ist man in der Kommission jedenfalls alarmiert: „Eine harmonisch­e Ratifizier­ung durch die Mitgliedst­aaten ist schwer vorstellba­r, solang der Amazonaswa­ld brennt“, sagte Mina Andreeva, die leitende Kommission­ssprecheri­n, am Dienstag.

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