Die Presse

Wenn die Korallen blüh’n

Im Stuwervier­tel zieht der Gastronom Roland Soyka ein Lokal nach dem anderen aus dem Hut. Langos gehören zum Standard, neue Ideen auch.

- VON SABINE HOTTOWY

Aufgewachs­en ist er quasi in der Werkstatt des Autohauses seines Vaters in Tirol. Das Basteltale­nt kann Roland Soyka mittlerwei­le auch in seinem Neuen Wiener Beisl gut einsetzen. Die Schankanla­ge des Stuwer ist seit 1925 in Betrieb. Da bleiben die Schraubenz­ieher am besten in der Nähe. Vor der Eröffnung im vergangene­n Frühsommer hat sich in dem Lokal einiges getan, die Reste eines Grätzl-Traditiona­listen, des Lindwurmst­überls, und eines gastronomi­schen Kurzurlaub­ers, der Gangjong Tibet Kitchen, wurden binnen fünf Wochen abgebaut und gegen kitschfrei­es Retro-Interieur ausgetausc­ht. „Im Nachhinein gesehen war das sehr sportlich. Mir hat damals eigentlich jeder den Vogel gezeigt“, sagt Soyka ein Jahr später. Nach der Eröffnung ging alles noch schneller.

Noch in der Soft-Opening-Phase landete das reanimiert­e Eckbeisl mit der doch nicht so einfachen Küche in allen Blättern. Und in der zweiten Woche standen die Leute schon bis auf die andere Straßensei­te an. Sicher, ein Glück, „wir wollten aber eigentlich sehr ruhig starten, das Grätzl spüren, die Gäste kennenlern­en, und dann waren wir plötzlich überlaufen. Die Karte sollte vorübergeh­end kleiner werden, alle Beteiligte­n mussten noch schneller laufen.

Nach einem Monat lief es wieder rund und der große Eckschanig­arten war nach wie vor voll. Eher überrasche­nd kam dann eine Haube ins Spiel. Ausgezeich­net wurden das Beef Tatar − das das Stuwer richtig macht, also schneidet und nicht faschiert −, der Zwiebelros­tbraten, der mit seiner Fleischqua­lität und den selbst gemachten Kroketten überzeugen konnte, und der süße Stuwer Schmarren. „Diese drei Gerichte sind einfach nur sehr gut zubereitet und sonst nichts. Wenn man dafür eine Haube bekommt, danke, gern. Im Konzept lag die Haube nicht“, sagt Soyka. Er will eine moderne Wiener Küche zu normalen Preisen für jedermann anbieten.

Eine witzige Idee, die ursprüngli­ch nur zum Start auf der Karte stehen sollte, war die Langos-Vielfalt. Ein klassische­s Prater-Zitat – nur besser als aus den benachbart­en Fritteusen. Recherchie­rt hat der Wirt für die kleinen Hefeteig-Flecken eine Woche lang in Budapest und in kleineren ungarische­n Städten. „In Österreich hat Langos aber auch Tradition: Tiroler Kiachln, Bauernkrap­fen, im Westen isst man sie mit Sauerkraut und Preiselbee­ren, in Ungarn mit Sauerrahm und Bergkäse. Hier in Wien ist die fadeste Variante am beliebtest­en: groß frittiert, mit viel Knoblauch. Und im Winter ist das dünne Ding in vier Minuten kalt.“

Roland Soyka isst seine Langos selbst am liebsten mit Rucola und Lachsforel­le. Wichtig sei weniger der Belag als der Teig: Der soll frisch gemacht werden. Und das braucht Platz und Zeit. Er muss gehen, geschliffe­n werden, wieder gehen, darf nicht zu kalt, nicht zu warm werden. Die Charge hält dann ein paar Stunden, danach ist sie reif für den Kübel, daher muss alles immer schnell verarbeite­t werden. Das Ziel: innen fluffig, außen crunchy. Und wer im Stuwer keinen Platz bekommt, kann auf die Bar Lam

(Jahrgang 1984) aus Tirol war schon als Kind von der Gastronomi­e begeistert. Nach der Ausbildung an einer Hotelfachs­chule versuchte er sich in diversen Bereichen von Hotellerie, Service und Küche. Seine spätere Frau lernte er bei der Arbeit in einer Apr`es-Ski-Bar kennen und folgte ihr nach Wien. Dort widmete er sich neuen Projekten, u. a. dem Dschungel Cafe´ im MQ. Nach einer Weltreise eröffnete er das Wiener Beisl Stuwer in der Stuwerstra­ße 47 und konzeption­ierte die benachbart­e Bar Lamperie. perie ausweichen, auch hier gehören die Langos zum Konzept. Dieses junge Lokal ist mit der Vorbesitze­rin vom Lindwurmst­überl gemeinsam entstanden. Der schnelle Abbruch ihres ehemaligen Lokals tat ihr weh, und nachdem sie gesehen hatte, wie das Stuwer rennt, wollte sie mit Soyka gemeinsam etwas auf die Beine stellen. Sie frittiert jetzt auch Langos.

Währenddes­sen tritt im Stuwer ein neuer Koch mit mehr Wiener Küchenerfa­hrung an. Adam Diduszko soll zusammen mit dem jungen Stammteam das Lokal auf das nächste Level heben.

Roland Soykas Liebe zum Stuwervier­tel ist im vergangene­n Jahr jedenfalls nicht verblüht. Er beobachtet die Leute noch immer, forscht in Archiven, redet mit Urgesteine­n. Von schmutzige­n Bauchstech­er-Gassen kann schon Lange nicht mehr die Rede sein. „Früher war das Grätzl eine Stadt in der Stadt, dann kam die Prostituti­on, die Geschäfte starben weg, und vor rund zehn Jahren wurde die Prostituti­on wieder verdrängt, seitdem ist das Viertel wie ein angefresse­nes Korallenri­ff, das wieder nachwächst.“An dem frischen Wuchs ist er selbst wohl nicht ganz unschuldig. Pläne für weitere Projekte hat er genug. Die Frage ist nur, ob das schon jemand lesen sollte. Sicher ist jedenfalls eines: In der Gegend fehlt ein Bäcker.

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[ Clemens Fabry ]

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