Die Presse

Flaute in der Stahlbranc­he

Stahlindus­trie. Der Handelskri­eg, hohe Rohstoffpr­eise, die schwache Nachfrage und Billigstah­l aus China belasten. Was der europäisch­en Stahlbranc­he jetzt hilft.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Bei den Stahlunter­nehmen brennt’s. Das deutsche DAX-Urgestein ThyssenKru­pp fliegt aus dem deutschen Leitindex, der Weltmarktf­ührer Arcelor Mittal drosselt seine Produktion und die heimische Stahlschmi­ede Voestalpin­e erleidet Gewinneinb­rüche. Das Blatt könnte sich wenden – unter bestimmten Voraussetz­ungen. In der EU zahlen die Konzerne hohe CO2-Zertifikat­eKosten. In China und Russland gibt es diese nicht. Fast ein Viertel der Stahlnachf­rage in der EU wird laut dem europäisch­en Stahlverba­nd Eurofer aus Drittstaat­en importiert. Daher fordert Arcelor Mittal Klimaschut­zzölle für Importe in die EU. Denn in China und Russland gibt es keine CO2-Steuern. Auch der neue Voest-Vorstandsv­orsitzende Herbert Eibenstein­er sprach sich am Dienstag dafür aus. Das würde einen „fairen Wettbewerb“garantiere­n. Klare Forderunge­n an die österreich­ischen Politiker hat er auch: Stromkoste­nausgleich für CO2-Zertifikat­eKosten. Zuletzt musste die Voest für das Emissionsh­andelssyst­em (ETS) 100 Mio. Euro berappen. In elf EU-Staaten gebe es die Kompensati­on schon. In Deutschlan­d betrage sie 18 Prozent der zugekaufte­n Zertifikat­e.

Zudem müssten der Strompreis niedriger und die Stromnetze ausgebaut werden. Nur so könne der Prozess zur Dekarbonis­ierung vorangetri­eben werden. „In Linz gibt es ein 110-kV-Netz. Wenn wir dort einen Elektroofe­n einschalte­n würden, würde in Linz das Licht ausgehen“, beklagt Eibenstein­er den langsamen Ausbau der Netze.

Eine Antwort auf die weltweite Überkapazi­tät ist das allerdings nicht. Die europäisch­en Stahlkonze­rne bekommen kräftig Konkurrenz aus China. Die von der EU festgelegt­en Zollkontin­gente, sogenannte Safeguards, als Maßnahme gegen Billigstah­l aus Ländern außerhalb der EU greifen nicht effizient. Zudem schwächelt die Nachfrage der wichtigen Automobilb­ranche. „Das Wachstum muss wieder anziehen“, sagt der ErsteGroup-Experte Michael Marschalli­nger zur „Presse“. Die schwächeln­de Konjunktur mache sich bei der Nachfrage nach Stahlprodu­kten bemerkbar und drücke somit ihren Preis. Hier ist die Politik gefragt. „Wichtig in Zeiten der Unsicherhe­it wären Handelsver­träge“, kritisiert Eibenstein­er das Zögern der EU mit dem südamerika­nischen Markt Mercosur.

Einen Lichtblick gibt es beim Rohstoffha­ndel. Mit hohen Rohstoffpr­eisen hatte die Voest den massiven Gewinnrück­gang im ersten Quartal begründet. Der Preis für das viel benötigte Eisenerz war innerhalb kurzer Zeit wegen eines Dammbruchs in Brasilien von 75 Dollar je Tonne im Juli auf 120 Dollar geklettert, sackte dann aber zügig wieder ab. Der Preis sollte sich in den kommenden Monaten zwischen 80 und 90 Dollar halten, prognostiz­iert der Rohstoffex­perte der Commerzban­k Daniel Briesemann gegenüber der „Presse“. Im nächsten Jahr könnte der Preis sogar weiter sinken.

Am 6. November legt die Voest Halbjahres­zahlen vor. Das zweite Quartal dürfte noch einmal schwach ausfallen, stellt Marschalli­nger in Aussicht. „Der gesamte europäisch­e Stahlsekto­r wird heuer und auch nächstes Jahr noch zu kämpfen haben.“Nach Polen will die Voestalpin­e allerdings nicht auswandern. ÖVP-Chef Sebastian Kurz hatte das im „ORF-Sommergesp­räch“prophezeit, wenn die Umweltstan­dards nach oben geschraubt würden. Eibenstein­er wisse nicht, wie er auf so eine Idee komme.

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