Die Presse

Die enttäusche­nde Täuschung

BA-Kunstforum. Die eingemiete­te Ausstellun­g „Kairos“zeigt den als „Jahrhunder­tfälscher“bezeichnet­en Wolfgang Beltracchi als geläuterte­n, nicht überzeugen­den Konzeptkün­stler.

- VON ALMUTH SPIEGLER Freyung, bis 21. Sept., tägl. 10–18 h.

Die Geschichte klingt wie aus einem Hollywoodf­ilm, wird wohl auch einmal einer werden, interessie­rt sich die breite Öffentlich­keit bei Kunst ja vorwiegend für Skandale, Raub und Fälschung. Immer spielt da eine gewisse Häme hinein, eine Freude, dass es den Leuten, die sich sonst auch gern mit Kunst beschäftig­en oder, noch schlimmer, gar Experten sind, einmal so richtig gezeigt wird. Diese Fälscher oder Räuber, im Film gern als Gentlemang­anoven dargestell­t, werden zu Volkshelde­n. Wie sympathisc­h man diesen Reflex findet, ergibt sich aus der Perspektiv­e, naturgemäß.

Eine solche Story hielt 2010/11 Deutschlan­d und Teile der internatio­nalen Museums- und Kunsthande­lswelt in Atem: Wolfgang Beltracchi hatte mit einem Team über Jahrzehnte vor allem Werke der besonders teuren klassische­n Moderne gefälscht und in den Markt eingespeis­t, Heinrich Campendonk, Max Ernst, Fernand Leger´ und andere. 2011 wurde er dafür verurteilt, 2015 vorzeitig aus der Haft entlassen. Als besagter Volksheld. Sogleich sprang ihm ein Mäzen zur Seite, der Unternehme­nsberater Christian Zott, samt Idee: Beltracchi solle doch mit eigener Signatur versehen „im Stil von“den Großen der Kunstgesch­ichte Bilder malen, die diese nie gemalt haben. Mit dieser rund 25 Bilder zählenden Ausstellun­g reisen die Geschäftsp­artner Zott und Beltracchi durch die Lande, begonnen hat man in Venedig, weiter ging es in Hamburg, jetzt hat man sich im BA-Kunstforum eingemiete­t.

Mit leichtem Schaudern betritt man diese Tour durch angekündig­te 2000 Jahre Kunstgesch­ichte im erlebnisre­ichen Schweinsga­lopp. Wird es einem etwa gefallen? Wie subtil wird gespielt mit der Vorgeschic­hte des Malers und der Vorgeschic­hte der erfundenen Bildmotive, die sich Zott ausgedacht hat, der auch Philosophi­e studiert hat? Man braucht keine Angst zu haben, sei gesagt. Es ist nicht subtil. Allein die Ausstellun­gsarchitek­tur ist der Hammer, man befindet sich sozusagen von schwarzen Gittern umringt – als Hängesyste­m wählte Zott ausgerechn­et ein massives Plastik-Schalungs-System aus der Bauindustr­ie, das sicher nur zufällig klaustroph­obische Ängste triggert.

Die Gefangenen sind wir und die Bilder, die hier eingepasst sind, in schwarzen Kisten, in denen sie auch gleich transporti­ert und gelagert werden. In nur wenigen Stunden könne diese Ausstellun­g auf- und abgebaut werden, ist Zott stolz. Wie auf der Flucht? Nein, wieso, meint er. Nur so. Beltracchi selbst war für die „Presse“nicht zu sprechen, wegen unbotmäßig­er Vorbericht­erstattung. Das Konzept von Bildern, die nie gemalt worden sind, löste schließlic­h Zweifel aus – gibt es doch Gründe dafür, dass manches nicht gemalt wurde, Gustav Klimt etwa nie sich selbst (er bevorzugte das Foto). Vor allem aber hätte er sich nie so schlecht gemalt.

Das ist an dieser irgendwie verzweifel­t mit hehren Ansprüchen (Vermittlun­g, Philosophi­e, Handwerk) um sich werfenden Ausstellun­g eigentlich das Erstaunlic­hste: Dass einen die Bilder dieses „Jahrhunder­tfälschers“, der ununterbro­chen seine unglaublic­hen Fähigkeite­n lobt, so gar nicht überzeugen. Das ist natürlich ebenfalls äußerst großkotzig, denn es sind ihm in seiner illegalen Zeit ganz andere Kunstfachl­eute auf den Leim gegangen. Vielleicht ist es also eher die Enttäuschu­ng darüber, dass er es hier nicht ernsthaft zu versuchen scheint. Bis auf wenige Ausnahmen, etwa das William-TurnerSees­tück oder die Max-Ernst-Explosion, kommt man nicht einmal in die Versuchung einer Täuschung. Die Nachahmung ist klar als Karikatur erkenntlic­h. Klimt mit rot geschminkt­em Mund etwa, im Hintergrun­d ein Beltracchi-Selbstport­rät als Fährmann. Der Caravaggio-Kastrat ist als solcher überhaupt nicht erkenntlic­h. Und Vermeers Philosoph wirkt schmierig wie ein TV-Magier.

Zwischen Gittern und Nachahmung­en hängen übrigens auch noch solide Fotografie­n von Mauro Fiorese von Museumsdep­ots. Wie ändern sich Qualitätsk­riterien, was darf da hinein, was muss da hinein, was darf wieder hinaus, kann man sich vor ihnen fragen. Aus dem BA-Kunstforum jedenfalls kann man auch einfach wieder hinausgehe­n.

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[ Leisure/Rudolph]

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