Die enttäuschende Täuschung
BA-Kunstforum. Die eingemietete Ausstellung „Kairos“zeigt den als „Jahrhundertfälscher“bezeichneten Wolfgang Beltracchi als geläuterten, nicht überzeugenden Konzeptkünstler.
Die Geschichte klingt wie aus einem Hollywoodfilm, wird wohl auch einmal einer werden, interessiert sich die breite Öffentlichkeit bei Kunst ja vorwiegend für Skandale, Raub und Fälschung. Immer spielt da eine gewisse Häme hinein, eine Freude, dass es den Leuten, die sich sonst auch gern mit Kunst beschäftigen oder, noch schlimmer, gar Experten sind, einmal so richtig gezeigt wird. Diese Fälscher oder Räuber, im Film gern als Gentlemanganoven dargestellt, werden zu Volkshelden. Wie sympathisch man diesen Reflex findet, ergibt sich aus der Perspektive, naturgemäß.
Eine solche Story hielt 2010/11 Deutschland und Teile der internationalen Museums- und Kunsthandelswelt in Atem: Wolfgang Beltracchi hatte mit einem Team über Jahrzehnte vor allem Werke der besonders teuren klassischen Moderne gefälscht und in den Markt eingespeist, Heinrich Campendonk, Max Ernst, Fernand Leger´ und andere. 2011 wurde er dafür verurteilt, 2015 vorzeitig aus der Haft entlassen. Als besagter Volksheld. Sogleich sprang ihm ein Mäzen zur Seite, der Unternehmensberater Christian Zott, samt Idee: Beltracchi solle doch mit eigener Signatur versehen „im Stil von“den Großen der Kunstgeschichte Bilder malen, die diese nie gemalt haben. Mit dieser rund 25 Bilder zählenden Ausstellung reisen die Geschäftspartner Zott und Beltracchi durch die Lande, begonnen hat man in Venedig, weiter ging es in Hamburg, jetzt hat man sich im BA-Kunstforum eingemietet.
Mit leichtem Schaudern betritt man diese Tour durch angekündigte 2000 Jahre Kunstgeschichte im erlebnisreichen Schweinsgalopp. Wird es einem etwa gefallen? Wie subtil wird gespielt mit der Vorgeschichte des Malers und der Vorgeschichte der erfundenen Bildmotive, die sich Zott ausgedacht hat, der auch Philosophie studiert hat? Man braucht keine Angst zu haben, sei gesagt. Es ist nicht subtil. Allein die Ausstellungsarchitektur ist der Hammer, man befindet sich sozusagen von schwarzen Gittern umringt – als Hängesystem wählte Zott ausgerechnet ein massives Plastik-Schalungs-System aus der Bauindustrie, das sicher nur zufällig klaustrophobische Ängste triggert.
Die Gefangenen sind wir und die Bilder, die hier eingepasst sind, in schwarzen Kisten, in denen sie auch gleich transportiert und gelagert werden. In nur wenigen Stunden könne diese Ausstellung auf- und abgebaut werden, ist Zott stolz. Wie auf der Flucht? Nein, wieso, meint er. Nur so. Beltracchi selbst war für die „Presse“nicht zu sprechen, wegen unbotmäßiger Vorberichterstattung. Das Konzept von Bildern, die nie gemalt worden sind, löste schließlich Zweifel aus – gibt es doch Gründe dafür, dass manches nicht gemalt wurde, Gustav Klimt etwa nie sich selbst (er bevorzugte das Foto). Vor allem aber hätte er sich nie so schlecht gemalt.
Das ist an dieser irgendwie verzweifelt mit hehren Ansprüchen (Vermittlung, Philosophie, Handwerk) um sich werfenden Ausstellung eigentlich das Erstaunlichste: Dass einen die Bilder dieses „Jahrhundertfälschers“, der ununterbrochen seine unglaublichen Fähigkeiten lobt, so gar nicht überzeugen. Das ist natürlich ebenfalls äußerst großkotzig, denn es sind ihm in seiner illegalen Zeit ganz andere Kunstfachleute auf den Leim gegangen. Vielleicht ist es also eher die Enttäuschung darüber, dass er es hier nicht ernsthaft zu versuchen scheint. Bis auf wenige Ausnahmen, etwa das William-TurnerSeestück oder die Max-Ernst-Explosion, kommt man nicht einmal in die Versuchung einer Täuschung. Die Nachahmung ist klar als Karikatur erkenntlich. Klimt mit rot geschminktem Mund etwa, im Hintergrund ein Beltracchi-Selbstporträt als Fährmann. Der Caravaggio-Kastrat ist als solcher überhaupt nicht erkenntlich. Und Vermeers Philosoph wirkt schmierig wie ein TV-Magier.
Zwischen Gittern und Nachahmungen hängen übrigens auch noch solide Fotografien von Mauro Fiorese von Museumsdepots. Wie ändern sich Qualitätskriterien, was darf da hinein, was muss da hinein, was darf wieder hinaus, kann man sich vor ihnen fragen. Aus dem BA-Kunstforum jedenfalls kann man auch einfach wieder hinausgehen.