Bilanz TV-Duelle
TV-Duelle. Fünf Nationalratskandidaten und eine EU-Parlamentarierin diskutierten in den ersten TV-Duellen des ORF. Peter Pilz attackierte den abwesenden Sebastian Kurz, Pamela Rendi-Wagner griff ihre Kontrahenten hart an.
Wien. Geschlagen geben mussten sich die Teilnehmer der ersten Duellrunde zur Nationalratswahl am Mittwochabend allesamt – nämlich Marcel Hirscher, dessen Pensionsankündigung ihren Auftritt vom 20.15-Sendeplatz des ORF fegte. Der Schatten des Skistars war allerdings nicht der Grund, warum die Spitzenkandidaten von ÖVP und FPÖ, Sebastian Kurz und Norbert Hofer, der Auftaktrunde fernblieben: Sie hatten schon vor Wochen angekündigt, die vom ORF zugelassenen „Joker“zu ziehen. So stellten sich Karoline Edtstadler (ÖVP), Pamela Rendi-Wagner (SPÖ), Herbert Kickl (FPÖ), Beate Meinl-Reisinger (Neos), Peter Pilz (Liste Jetzt) und Werner Kogler (Grüne) den Fragen von Lou Lorenz-Dittlbacher und Martin Thür.
Welche Themen dominierten die Sendung?
Wie so oft in den vergangenen Wochen schoben der Ibiza-Skandal und seine Folgen, vor allem die Debatte um Parteispenden, andere Themen beiseite. Wobei MeinlReisinger, Kogler und Pilz hier weniger die FPÖ als die ÖVP attackierten. Man müsse die Freiheitlichen schon fast in Schutz nehmen, meinte die Neos-Chefin gar – denn diese hätten die Bereitschaft zu Korruption und Intransparenz nicht erfunden. Kogler nannte die Türkisen „Ausführungstäter“: In Deutschland, mit seinen Straftatbeständen bei illegaler Parteienfinanzierung, würde „der halbe türkise Parteivorstand Richtung Häfen marschieren“. Auch Pilz ging hart mit der Volkspartei bzw. deren abwesenden Obmann („wenn Sebastian Kurz nicht da ist, heißt das nicht, dass ich nicht über Sebastian Kurz reden kann“) ins Gericht. Edtstadler bezeichnete es als „Skandal“, dass ihre Partei in einem Atemzug mit Korruption genannt werde.
Platz zwei gehörte dem Klimawandel, was naturgemäß dem Grünen Kogler zugutekam – in seinen Duellen gegen Meinl-Reisinger und Rendi-Wagner, mit denen er an sich viele Positionen teilt, konnte er so bequem Unterschiede aufzeigen.
Wer lieferte sich den hitzigsten Schlagabtausch?
Pilz duellierte sich mit dem abwesenden Altkanzler Kurz, der sich wohl ausgerechnet vor ihm, dem Kandidaten der kleinsten Fraktion, fürchte. Wobei auch Moderatorin Lorenz-Dittlbacher Kurz‘ Vertretung Edtstadler, die nicht für den Nationalrat kandidiert, gleich zu Beginn die Frage stellte: „Warum sind Sie hier?“Weil viele Themen im Nationalratswahlkampf europapolitische Dimensionen hätten, erklärte die EU-Abgeordnete, um dann zur Verteidigung ihres Chefs auszurücken. Pilz schmeiße beim Thema Spenden mit Dreck um sich, es sei in den Reihen der ÖVP nichts Illegales passiert.
Noch eine Prise schärfer ging es dann zwischen Rendi-Wagner und Kickl zu. Während der Ex-Innenminister die SPÖ-Chefin zu Beginn noch als „sympathisch“lobte und rot-blaue Gemeinsamkeiten betonte, charakterisierte er sie später als „ahnungslos“und dem Luxus verfallen. Rendi-Wagner wiederum bezichtigte die FPÖ des Verrats an den Wählern, etwa durch den Beschluss des Zwölfstundentages. Und: „Sie kultivieren die Flüchtlingsproblematik wie ein Pflänzchen.“
Wer harmonierte?
Meinl-Reisinger und Kogler kritisierten in der ersten Hälfte ihres „Duells“einhellig Türkis-Blau, bevor sich dann beim SüdamerikaFreihandelsabkommen Mercosur doch noch Unterschiede offenbarten: Für den Grünen steht „nur Unsinn drinnen“, die Neos-Obfrau kann sich hingegen eine Zustimmung vorstellen, wenn Sanktionsmöglichkeiten aufgenommen werden.
Wer fiel auf?
Rendi-Wagner, die früher regelmäßig rhetorisch stolperte, tritt zunehmend sicher auf. Zugeschnitten auf die rote Kernwählerschaft versuchte die SPÖ-Chefin, Themen auf die „kleine Frau“herunterzubrechen (was bedeutet eine CO2-Steuer für eine Pendlerin, was kürzere Ruhezeiten für eine Kellnerin?). Ihre Kontrahenten Kogler und Kickl griff sie hart an: „Die Männer haben heute die Logorrhö (krankhafte Geschwätzigkeit, Anm.)“, diagnostizierte die
Medizinerin.
Zeitverschwendung des Abends:
Während der ORF Politikerkonfrontationen früher relativ schnörkellos inszenierte, widmet er, wohl in Anlehnung an Privatsender, An-, Ab- und Zwischenmoderationen mittlerweile (zu) viel Zeit. Da marschierten Moderatoren der Reihe nach ein und stellten einander gegenseitig vor; interaktive Grafiken zeigten, wie weit rechts eine Kandidatin steht; und Schüler bestätigten per Taferl, dass die Sendung ihr Bild von einem Kandidaten geändert habe – und somit, wie Moderator Tarek Leitner zufrieden bilanzierte, ein Erfolg gewesen sei.