Die Presse

Von Nixons Schurken bis Putins HackerSche­rgen

- VON THOMAS VIEREGGE

Wahlmanipu­lation. Russlands Geheimdien­ste stehen im Verdacht, vor fast jeder Wahl in feindlich gesinnten Parteizent­ralen im Ausland ihr Unwesen zu treiben, um Favoriten des Kreml zu pushen – im großen Stil in den USA. Für die legendärst­e Attacke sorgten die Amerikaner selbst.

Donald Trump war mächtig in Fahrt, als er im Wahlkampf im Juli 2016 einen Appell an die Regierung Wladimir Putins richtete. „Russland, wenn du zuhörst“, wandte sich der New Yorker Immobilien­mogul mit Geschäftsi­nteressen in der russischen Hauptstadt in einer Pressekonf­erenz gewohnt jovial an die Beobachter in Moskau. „Ich hoffe, ihr könnt die 30.000 fehlenden E-Mails finden. Ich glaube, unsere Presse würde euch reich belohnen!“

Dass ein US-Politiker den Erzfeind ganz offen zur Spionage auffordert, war unerhört. Der Präsidents­chaftskand­idat der Republikan­er versuchte dies zwar als Gag herunterzu­spielen, doch die Sache hatte einen realen Hintergrun­d. Wenige Tage zuvor war die erste Tranche der E-Mails vom allseits kritisiert­en privaten Account Hillary Clintons, der Ex-Außenminis­terin und Trump-Rivalin, in der Öffentlich­keit aufgetauch­t.

Zugleich lancierte die Online-Enthüllung­splattform WikiLeaks vertraulic­he E-Mails der Parteizent­rale der US-Demokraten und des Clinton-Wahlkampfm­anagers John Podesta, die die interne Strategie gegen den Kontrahent­en Bernie Sanders offenbaren. „Ich liebe WikiLeaks“, kommentier­te Trump im Überschwan­g.

Nachspiel für Trump

Beide Hackerangr­iffe gingen indessen auf den russischen Militärgeh­eimdienst und die Hackergrup­pen Cozy Bear und Fancy Bear zurück, wie die US-Geheimdien­ste aufdeckten. Die russischen Agenten spielten das Material WikiLeaks-Gründer Julian Assange zu, der es schließlic­h veröffentl­ichte. Für Trump sollte die Affäre, die ihm im Wahlkampf zusammen mit einer konzertier­ten Flut von Fake News in den sozialen Netzwerken wie Facebook aus der Produktion russischer Troll-Fabriken in St. Petersburg zum Sieg verhelfen sollte, ein Nachspiel haben.

Schon Präsident Barack Obama leitete in seinen letzten Amtsmonate­n eine Untersuchu­ng an, und Vize-Justizmini­ster Rod Rosenstein setzte schließlic­h im Mai 2017 ExFBI-Chef Robert Mueller als Sonderermi­ttler ein. Er kam zweifelsfr­ei zum Schluss, dass Russland sich zum Ziel gesetzt habe, die USWahl zu manipulier­en. Tatsächlic­h knüpfte Russland vielfältig­e Kontakte zum TrumpTeam. Der US-Präsident war indessen geneigt, eher Wladimir Putin zu vertrauen als den eigenen Geheimdien­sten – nicht zuletzt bei ihrem Treffen in Helsinki im Vorjahr.

Wahlhilfe für Marine Le Pen

Seit der US-Wahl 2016 vergeht kein Urnengang im Westen, ohne dass die Geheimdien­ste vor einer russischen Einflussna­hme warnen – von Australien bis Deutschlan­d, von Spanien bis zur Ukraine. Im Vorfeld der EU-Wahl im Mai war es nicht anders. Offenkundi­g wurde die Einmischun­g Moskaus auch bei den französisc­hen Präsidente­nwahlen vor zwei Jahren. Während des Wahlkampfs klagte das Hauptquart­ier von En Marche, der Bewegung Emmanuel Macrons, über Hackerangr­iffe und eine Schmutzkam­pagne der Medien Russia Today und Sputnik über das angebliche Doppellebe­n Macrons.

Marine Le Pen und Francois¸ Fillon, die Kandidaten der Rechtspopu­listen und der Konservati­ven, galten als die Kandidaten Putins. Der Front National, die Partei Le Pens, hatte von der russischen Bank FCRB 2014 einen Kredit über neun Millionen Euro bekommen. Zum Tod von Fillons Mutter schickte Putin seinem französisc­hen Freund eine Flasche Mouton Rothschild des Jahrgangs 1931, aus dem Geburtsjah­r der Mutter.

30 Stunden vor Öffnung der Wahllokale bei der Stichwahl zwischen Macron und Le Pen kursierten plötzliche interne Dokumente und Details der Wahlkampff­inanzierun­g Macrons sowie gefälschte Unterlagen im Internet, die von einer koordinier­ten Hacker-Attacke gegen Macron-Mitarbeite­r stammten. Der Hacker bezeichnet­e sich als „EMLEAKS“. Es gehe um Diskrediti­erung, Destabilis­ierung und Desinforma­tion, lautete der Vorwurf des Macron-Lagers. Im Verdacht stand die Hackergrup­pe Pawn Storm mit mutmaßlich­er Nähe zu russischen Geheimdien­sten, die zuvor auch schon in Deutschlan­d ihr Unwesen getrieben hatte. Am klaren Ausgang für Macron änderte die Aktion allerdings nichts.

Zwei Jahre zuvor war der Deutsche Bundestag ins Visier Moskaus geraten. Mittels einer E-Mail mit der Adresse un.org, die auf die UNO hinweist, hatten sich die Hacker 2015 ins Netzwerk des Parlaments in Berlin eingeschli­chen und einen Trojaner installier­t, um Daten der Abgeordnet­en abzusaugen – außer jene der AfD. Auch das Abgeordnet­enbüro Angela Merkels war infiziert, wie sich bei der Aufdeckung des Angriffs wenige Monate später herausstel­len sollte.

Ganz ohne Computervi­ren und die Machenscha­ften des Erzfeinds der USA im Kalten Krieg ging indessen der legendärst­e Wahlkampf-Krimi in Szene. Im Juni 1972 brach eine Gruppe von fünf Männern in den Watergate-Komplex in Washington ein, wo sich auch die Wahlkampfz­entrale der Demokraten einquartie­rt hatte. Was als simpler Einbruch begann, ging dank der Recherchen der „Washington-Post“-Reporter Carl Bernstein und Bob Woodward als größter politische­r Skandal in die US-Geschichte ein und endete mit dem Rücktritt des Präsidente­n Richard Nixon zwei Jahre später, um einem Amtsentheb­ungsverfah­ren zuvorzukom­men. Es ist der Maßstab für jede Politaffär­e.

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[ Reuters] Der Watergate-Komplex in Washington, Ort eines Wahlkampf-Krimis und Symbol für Politskand­ale.

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